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Meine Leibwächter halten immer noch jedes Mal Spiegel unter meinen Wagen, bevor ich irgendwohin fahre.«

      »Ich kann Ihre Einstellung durchaus nachvollziehen, aber finden Sie nicht, dass die guten Taten, die er in jüngerer Zeit vollbracht hat, die schlechten von damals bei Weitem überwiegen?

      »Nein, das finde ich nicht – und ich möchte Sie davor warnen, diesen Fehler zu begehen. Obwohl mein Ausschuss bezüglich seiner Unschuld in Bezug auf die versuchten Terrorakte im letzten Frühling mehr oder weniger mit Ihren Leuten konform geht, ändert dies trotzdem nichts an meiner Haltung ihm gegenüber. Er handelte nur so, um sein Leben zu retten, und dafür wurden die Iren schon seit Jahrhunderten zu Verrätern.«

      Ryan rutsche auf seinem Stuhl hin und her. Als Sohn eines Paars irischer Einwanderer, die in den 1930ern auf Ellis Island gelandet waren, legte er bestimmt keinen Wert auf einen solchen Gesprächsverlauf. »Wenigstens sind wir uns einig, was letzten Frühling und damit auch seine Unschuld betrifft.«

      »Ja, doch um ehrlich zu sein, wundere ich mich selbst darüber, dass ich es bin. Denn ich habe fest damit gerechnet, dass wir eine Verbindung aufdecken würden, die zu erwähnen er uns schuldig geblieben ist.«

      »Das hört sich so an, als seien Sie deshalb enttäuscht.«

      Domville schien sich die Antwort auf diese Frage kurz überlegen zu müssen. »Nein, nicht enttäuscht. Aber ehrlich überrascht, wie ich schon sagte. Sie in Amerika hegen verklärte Vorstellungen von dem Unabhängigkeitskampf der Iren und den beinahe hundert Jahre andauernden Spannungen, die sich daraus ergeben haben, doch wenn man sich mit so vielen von dieser Sorte herumgeschlagen hat, durchschaut man verworrene Situationen irgendwann schon ein wenig schneller als andere. Die Iren haben letzten Endes keinen schlimmeren Feind als sich selbst.«

      »Wenigstens sind wir uns über den letzten Frühling und seine Unschuld einig. Mein Ermittlungskomitee wird zu der Veröffentlichung seines Berichts bereit sein, sobald die Besprechungen dieser Woche beendet sind.«

      »Mein Team ebenfalls.« Domville suchte den Blick seines Assistenten. »Würden Sie bitte nachforschen, wie es um McIvers Ankunft bestellt ist?«

      »Selbstverständlich, Sir.« Der Anzug tragende Mann verschwand durch die Doppeltür, wobei es genauso laut knallte wie beim Eintreten der beiden zuvor.

      »Mr. McIver wird es uns bestimmt verzeihen, wenn wir schon einmal ohne ihn beginnen.« Der Richter steckte sich den Zipfel einer Serviette in den Hemdkragen und griff dann zu seiner Gabel. »Das Filet Wellington sieht nämlich heute besonders schmackhaft aus, und ich lasse es ungern kalt werden.«

      »Ja, dafür hat er bestimmt Verständnis.«

      »Damit wir uns über die Absichten des jeweils anderen im Klaren sind: Was genau wollen Sie hiermit erreichen, Senator?«

      »Declan McIver ist der einzige Überlebende, der vieles von dem, was im vergangenen Frühjahr geschehen ist, bezeugen kann, und noch nicht persönlich von uns vernommen wurde. Ich wünsche mir daher, dass unsere erste Begegnung nach Möglichkeit relativ ungezwungen abläuft. Diskutieren wir doch das gegenwärtige Zeitgeschehen, vielleicht auch die eine oder andere politische Angelegenheit. Auf diese Weise lassen sich die eher vordergründigen gesellschaftlichen Unterschiede zwischen uns schnell aufweichen, sodass wir anschließend frei und sachlich fortfahren können. Die Pressevertreter wurden für Mittwochabend hierher eingeladen, und ich würde mich freuen, wenn wir drei bis dahin einen guten Draht zueinander hätten.«

      »Ein lobenswertes Ziel.«

      »Letzten Endes bin ich auf seine subjektive Schilderung der Ereignisse neugierig, und zwar chronologisch von Anfang an. Ich erwarte keinerlei Abweichungen von den schriftlichen Zusammenfassungen und anderen Verhören, glaube aber, dass seine persönlichen Gedanken und Empfindungen seinerzeit, als alles geschehen ist, sehr erhellend für uns sein werden.«

      »In der Tat. Obwohl mir nicht ganz geheuer dabei ist, wie er sich davor geziert hat, offiziell vor eines unserer Gremien zu treten.«

      »Ich sehe schon ein, warum er sich aus dem Rampenlicht fernhalten möchte. Immerhin wurde er fast von einem amerikanischen Senator, also von einem von uns getötet, der eine Menge Regierungsmittel dazu aufwendete und Behörden mobilmachte, um ihn auszuspionieren und über den Atlantik zu verfolgen. Eine solche Erfahrung zu verwinden ist bestimmt nicht leicht.«

      »Meine Regierung spioniert diese Leute seit Jahrzehnten aus und verfolgt sie. Mittlerweile sollten sie daran gewöhnt sein.«

      »Umso berechtigter ist es also, dass er unsere Einladungen bisher immer abgelehnt hat. Die Auswirkungen dieser letzten Episode auf seine Psyche könnten wesentlich schwerer wiegen, als uns bewusst ist.«

      Domville brummte irgendetwas als Antwort darauf, während er die Gabel in das Filetstück steckte und es auf seinen Teller legte.

      »Wären Sie so nett …«

      Auf einmal fiel draußen vor dem Schloss ein Schuss. Ryan fuhr hoch, Domville auch, allerdings mit einer kurzen Verzögerung. Sie schauten sich verunsichert an, als sich ihre Blicke begegneten.

      »Ich muss nicht während der Troubles in London gelebt haben, um zu wissen, was das war.«

      »Nein, das müssen Sie nicht.« Der Richter zog die Serviette von seinem Hemd und ging sofort zur Tür. Als er die Hälfte des Wegs zurückgelegt hatte, fielen zwei weitere Schüsse, und gleich darauf ertönte eine Automatikwaffe. Auf dem Flur vor dem Speisesaal wurden Türen zugeschlagen, und ein Mann brüllte Anweisungen. Seine Stimme dröhnte gedämpft durch die Steinmauern aus dem elften Jahrhundert.

      Domville erstarrte auf der Stelle, und Ryan zuckte zusammen, als die Doppeltür aufflog und der Assistent des Justiziars hereinstürzte.

      »Ein Überfall!«

      Er drückte beide Flügel zusammen und schob hastig den Eisenriegel vor.

      »Was ist da draußen los?«, knurrte Domville.

      »Es sind Heckenschützen, glaube ich.« Der Assistent lief in die Mitte des Raums, als ob die Tische und Stühle irgendeine Art von Schutz bieten würden, den die mittelalterliche Architektur vermissen ließ.

      »Heckenschützen? Wer soll das sein? Und wo genau?« Domvilles Züge waren vor Fassungslosigkeit komplett verzerrt.

      Ryan wählte hastig eine Nummer auf seinem Handy. »Ron, Adam hier. Was geht da draußen vor sich?« Als er den Freisprechmodus einschaltete, hörte man ein gehetztes Keuchen.

      »Ich weiß es nicht, Sir. Wir waren wie von Ihnen befohlen am Eingang postiert, da wurde auf einmal auf Robert geschossen. Er ist tot, und Joe ist verwundet. Ein Stück vom Hotel entfernt, hat sich etwas bewegt, aber wir konnten nicht erkennen, wer es war und wo er sich genau befand.«

      »Wir haben uns jetzt im Speisesaal eingeschlossen. Bringen Sie sich in Si…«

      »Sie müssen da sofort raus, Sir. Der Raum hat viel zu viele Fenster. Gehen Sie in den dritten Stock und …«

      Ein Popp ertönte, gleich darauf wieder und noch ein drittes Mal.

      »Ron? Ron! Sind Sie noch dran?«

      Jemand machte sich offenbar am Telefon des Leibwächters zu schaffen. Popp!

      »Ron?«

      Die Verbindung brach abrupt ab.

      »Dritter Stock. Er hat recht, wir sollten …«

      »Machen Sie Witze?«, brüllte Domville. »Diese Geräusche, waren Schüsse mit einem Schalldämpfer auf meinen Sicherheitsmann. Sie sind alle drei tot, und wer auch immer sie umgebracht hat, ist bereits im Gebäude!«

      Ryan blinzelte, während er sich panisch im Saal umschaute. Er kannte sich in Sachen Militär nicht wirklich aus. Wie Schusswaffen klangen, wusste er zwar, doch was sie da gerade durch das Telefon gehört hatten, war ihm eher wie der Knall eines platzenden Heliumballons vorgekommen, als wie ein Schuss. Als er die Augen zumachte, strengte er sich an, die Geschehnisse zu verarbeiten. Als dienstjunger Senator von Massachusetts und Mitglied

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