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gearbeitet, sonst wären sie gleichartig geschlungen und geknüpft worden: zweitens, wenn die Stücke nicht heroben gearbeitet worden, dann kamen sie von der Erde, und dann, wohlgemerkt! kamen sie aus verschiedenen Fabriken oder Kaufläden, mindestens aus fünf oder sechs: soviel für jetzt über das merkwürdige Garnlager der Mondfamilie, – ich komme darauf zurück. Zur Rechten, wenn ich der Windmaschine auswich, traf ich auf eine mäßig große Kiste: ich habe ihrer schon Erwähnung getan; sie enthielt Nägel, verrostete Klammern, Bandeisen, eine halbe Zange, außerdem eine ganz neue, einen ungewöhnlich schweren Schmiedehammer, den nur ein sehr kräftiger Mann mit einer Hand handhaben konnte, diverse Kloben, Schrauben, Schraubenmuttern und dergleichen. – Wenn ich an das Gehämmer und Geklopfe dachte, das noch in diesem Moment zu mir herunterschallte, so war es klar, daß diese Kiste noch immer nicht das gesamte Handwerkszeug des Mondhauses enthielt. Weiterhin, den halben Umkreis des Mondkellers auf dieser Seite vollendend, traf ich unter der Kellerstiege, vorsichtig plaziert, ein großes Blechgefäß mit Teer, dessen penetranter Geruch schon in der vergangenen Nacht beim ersten Betreten des Mondkellers, mir den Vorgeschmack an den Käsen verbittert hatte. Ein Stück Holz zum Rumrühren stak drin. Weiter auf der linken Seite fand ich eine ziemliche Menge schwarzer, knisternder Platten an die Wand gelehnt, die ich sofort am Gefühl und Geruch als teergetränkte und mit Sand überzogenen Dachpappen erkannte. Die macht der Alte jedenfalls selbst, – sagte ich mir, – bestreicht sie, trocknet sie, und hebt sie hier auf. Ihre Verwendung konnte wohl nur das Monddach betreffen; ich sollte aber später doch noch ganz anderes drüber erfahren. – Und nun, indem ich den Kreis im Umgang des Kellers vollendete, – wohlverstanden, gegen die Mitte zu immer auf den weichen Hanf-Strängen laufend, – kam ich zu meinen Käsen zurück. – Ich war aber nicht sobald dort angelangt, als die Klappe geöffnet wurde und der Mondmann lang und steif herunterkam. Diesmal hatte ich es jedenfalls versäumt, mich wieder in das Wohnzimmer zurückzuschleichen. Denn ich konnte es unmöglich wagen, neben dem Mondmann vorbeizukommen zu versuchen. Dieser ging ziemlich rasch und mit genauer Ortskenntnis um die Maschine herum zu der dem Leser bekannten Kiste, in der er ziemlich lange unter Zuhilfenahme diverser mir unverständlicher Flüche herumkramte. – Ich blickte durch die offenen Klapptür nach oben: es war natürlich sehr hell im Wohnzimmer, das heißt, mir kam es als Differenz von der herunten herrschenden kompletten Dunkelheit sehr hell vor; aber ich war fest überzeugt, es war keine eigentliche Tageshelle, weil ich mir nicht denken konnte, warum die Sonne jetzt auf einmal kommen sollte, nachdem sie vor sechs Stunden, zu ihrem Zeitpunkt ausgeblieben war, und weil ich überzeugt war, die Sonne stehe auf der anderen fensterlosen Seite des Mondes, so daß ein direktes Licht ausgeschlossen war. – Inzwischen war der Mondmann mit einigen Kloben und Nägeln wieder nach oben gegangen; ich nahm jetzt definitiv meinen drittels aufgesessenen Käs zur Hand und plazierte mich unter die Stiege neben das Teerfaß. – Indem ich so meinen Käs in sitzender Stellung wie einen Gummiball zwischen den Beinen hielt, begann ich in der Dunkelheit wieder zu simulieren: Wie kommt der Mann, sagte ich mir, zu seinen Käsen? Sollte er sie kaufen, wie ein anständiger Hausvater bezahlt was er verzehrt? Höchst unwahrscheinlich. – Ich vergegenwärtigte mir noch einmal, wie der glänzende, phosphoreszierende Mondmann nach Zuschaufeln des Grabes drunten auf der Erde zuletzt wie ein einfacher, dunkler Mensch wegging; es war um diese Zeit mindestens elf Uhr nachts; um diese Zeit sind in Leyden gar keine Geschäfte mehr offen; es ist richtig, Leyden hat gerade in diesen runden Käsen große Export Häuser; aber wie zu ihnen gelangen? Sollte er mit einem der Verwalter ein unredliches Abkommen…? – Nein, gewiß nicht! Was könnte denn der arme Mondkletterer dem Mann als Gegenleistung bieten? Nichts! – Ja, wenn der Mond aus Gold bestünde, wie manche alte Sage zu erzählen weiß, – aber, aus was der Mond besteht, das sah ich ja! eine alte, geschwärzte, teerüberzogene Holzbaracke; – nein, nein! – der Mondmann wird schon recht gehabt haben, als er gleich nach seiner Ankunft seiner scheltenden Frau gegenüber auf seine Magerkeit verwies; er kommt nur durch seine Magerkeit zu den Käsen; er wird schon sein bestimmtes Loch haben, durch das er in einen der großen Vorrats-Keller in Leyden eindringt, vielleicht ein Zugloch zum Trocknen der Käse, welches der betreffende holländische Baumeister nicht noch kleiner machte, indem er die Unmöglichkeit diebischen Eindringens von dem Leibes-Umfang seiner eignen Landsleute abmaß. – Und der arme Teufel von einem Mondmann darf sich nicht satt essen, um sich nicht der Möglichkeit zu berauben, seine Alte da heroben mit ihren dreißig Jungen mit Nahrung zu versehen. O elende, miserable Himmels-Existenz! – rief ich vor Entrüstung ganz laut aus, – als dicht über mir eine rauhe Stimme herunterrief: »Muß denn den ganzen Tag gefressen sein?« – Es war die Mondfrau, die die Klappe geöffnet hatte und jetzt die fünf oder acht Stufen schwerfällig herunterschlappte, – »den ganzen Tag gefressen sein« – wiederholte sie halb laut für sich, indem sie die Richtung nach den Käsen einschlug. Bei dieser Gelegenheit glaubte ich zu bemerken, daß die Mondfrau ziemlich kurzsichtig war, ein Umstand, der mir, neben der schon früher konstatierten Taubheit des Alten, durchaus willkommen war. Aber, ohne diesen Gedanken weiter zu verfolgen, benutzte ich, wie vorgenommen, die Abwesenheit des Alten auf dem Dach, und das Beschäftigtsein der Mondfrau bei den Käsen, um ohne viel Federlesens strümpfig in die Mondstube hinaufzueilen. Aber Lot’s Salzsäule konnte nicht fester angewurzelt stehen als ich oben auf der Treppe, – denn vor mir stand kerzengerade und jedenfalls ebenso erstaunt wie ich, das große, älteste Mondmädchen; ich werde dieses Gesicht in meinem Leben nie vergessen, denn trotz allen Schreckens überwog doch noch mein neugieriges Erstaunen über diese Menschenbildung: ein harmloses, vollgefressenes Bauerngesichtchen mit kugelrunden Backen, blöden, geschlitzten Äuglein und etwas motzig heruntergezogenen Mundwinkeln, die Haut von mehligem Aussehen, die Farbe käsweiß, die Haare flächsern, die Wimpern sogar fast farblos, – so starrte das Mädchen mich an und ich das Mädchen. Ich selbst bin leider von Statur etwas klein; das Mondkind war in dieser hohen reinen Luft ziemlich hochaufgeschossen und ging über mich hinaus. Und dieser Größenunterschied ließ beim besten Willen nicht bei mir das Gefühl der Überlegenheit aufkommen; ich meine: ich fühlte, daß ich dem Kind nicht imponieren konnte, und abgesehen von jedem unangenehmen Gedanken, nun entdeckt zu sein, kam ich mir als der Geringere vor; so mächtig wirkte das schlanke naive Mondkind auf mich ein. Aber nur einen Moment, denn gleich darauf, und bevor sich noch die Mondfrau, unten, der Stiege näherte, verzog sich der anfangs vollständig indifferente Gesichtsausdruck meines vis-à-vis in ein freudiges, halb erstauntes, halb blödsinniges Lächeln, wobei sich die Ecken des winzigen kleinen Mundes nach oben richteten, und kleine Fältchen rechts und links außen an den Äuglein auftraten. Gleichzeitig hob das Kind tastend den Arm auf, um nach mir, wie nach einem Zuckerwerk zu langen. Ich wußte genug: das Mondmädchen war so naiv, harmlos und unerfahren, daß es – man verzeihe den Ausdruck – wie eine Idiotin meine Anwesenheit weder nach Furcht noch nach Schrecken abschätzen konnte. Es fehlte ihr der Begriff einer möglichen oder denkbaren Erscheinung wie meiner Person. Und als mein Blick – nur für eine Sekunde – rings das Zimmer streifte, sah ich an die anderthalb Dutzend solcher lustiger Mondgesichtchen auf mich zublinzeln und weggewendet von der Arbeit des Hanfspinnens, – denn alle Kinder spannen Hanf. Jetzt ließ sich die Mondfrau hören, und schnell entschlossen, schlüpfte ich um das blöde Kind herum und warf mich schleunigst und mit pochendem Herzen unter die Bettlade, wo tausend Gedanken auf mich einstürmten.

      »So! – Also spinnen tun die Kinder! – Hanfspinnen! – Also ist das ganze Hanfmaterial unten im Mondkeller zum Spinnen bestimmt!« – »Und was spinnen die Mondkinder? – Stricke!« »Und zu was drehen sie Stricke? – Nur, damit der Papa hinuntersteigen kann und Käse holen!« – »Eine ganze Strickleiter, die bis zum Mond reicht, findet man ja doch nicht auf der Erde, daß man sie stehlen könnte! – Vollends eine geteerte!« – »Weshalb denn geteerte? – Nun zum besseren Anhalten! – Und dann noch mit Sand bestreute! – Weshalb denn mit Sand bestreute?« – » Nun, zum noch besseren Anhalten! – So, so!« – »Also die Strickleiter! – Natürlich, sie muß ausgebessert werden! – Ewig hält so ein Ding nicht, gar wenn man sie so strapaziert! – Und die Kinder spinnen die Reservestricke, – und der Alte dreht die dicken Stricke und lötet sie zum Ganzen! – Und dann streicht er’s mit Teer an! – Und dann sandet er auch das ausgebesserte Stück!« – »Hat sich denn irgendwo ein Sack Sand gefunden? – Wird schon irgendwo stehen! – Also die Strickleiter, die wird wenigstens heroben gemacht!« – »Und den Hanf dazu? – Nun, den stiehlt er natürlich, das zeigen ja schon die verschiedenen Fabrikate!« – »Herr Gott, sind aber die Kinder dumm! – Nun, zum

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