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nicht allein das Volk und diejenigen, die nach seinem Ansehen trachteten, sondern selbst seine Freunde und Verwandten beneideten ihn ganz unverhohlen. Als er sie bat, ihn zu verteidigen und durch ihre Stimme zu unterstützen, versprachen sie ihm nichts weiter, als, wenn er verurteilt würde, die Geldstrafe für ihn zusammenzulegen. Deshalb betete er zu den Göttern, dass die Stadt seinen Verlust empfinden möge, und noch vor Fällung seines Urteils ging er zu den Rutulern in die Verbannung.

      55. Der Feldzug der Gallier hatte folgende Veranlassung: Die Clusiner, von ihnen im Krieg bedrängt, nahmen ihre Zuflucht zu den Römern, indem sie begründete Hoffnung hegten, weil sie den Vejentern, obgleich Stammesgenossen, nicht beigestanden hatten, jetzt von ihnen unterstützt zu werden. Die Römer bewilligten ihnen zwar keinen Beistand, schickten aber Gesandte an die Gallier, unterhandelten für sie einen Frieden und hätten ihn beinahe zustande gebracht. Denn er wurde ihnen gegen einen Teil des Landes angeboten.

      Sie kamen aber mit den Barbaren von Worten zu Tätlichkeiten und nahmen die Gesandten der Römer zu Hilfe. Die Gallier waren aufgebracht, dass sie sich ihnen im Kampf gegenüberstellten, und schickten zuerst Gesandte nach Rom, um sich über sie zu beschweren. Als jene aber nicht nur nicht bestraft, sondern alle zu Kriegstribunen erwählt wurden, gerieten sie in Zorn, wozu sie ohnedies sehr geneigt sind, und eilten, ohne sich weiter an die Clusiner zu kehren, gegen Rom.

      56. Die Römer, welche den anrückenden Galliern entgegenzogen, konnten nicht zu Atem kommen, sondern mussten an demselben Tag vom Marsch weg in die Schlacht ausrücken und wurden besiegt. Denn erschreckt über ihren plötzlichen Einfall, ihre Menge, Körpergröße und die fremd und furchtbar klingenden Stimmen, vergaßen sie Kriegskunst und Zucht, und entäußerten sich so ihrer Tapferkeit; denn zum Mut trägt sehr viel die Kenntnis bei, und steht einem die zur Seite, so stärkt sie auch die Kraft, schwindet aber diese, so löst sie auch jenen auf, und das weit mehr, als wenn sie jenem gleich anfangs abgegangen wäre; denn der ungestüme Mut siegt oft ohne Erfahrung durch rohe Gewalt; wer aber aus der gewohnten Zucht und Ordnung fällt, verliert auch die Kraft der Besinnung. Dies brachte die Römer zu Fall.

      57. Die Römer, auf dem Capitol belagert, hatten außer der Hilfe der Götter keine Hoffnung auf Rettung mehr. In deren Dienst waren sie in all ihrer Bedrängnis so gewissenhaft, dass bei einem Opfer, das die Oberpriester an einem anderen Ort der Stadt zu verrichten hatten, Kaeso Fabius, den die Reihe des Dienstes traf, im Priestergewand, wie sonst, vom Capitol stieg, mitten durch die Feinde schritt und nach Vollendung des Opfers noch an demselben Tag zurückkehrte.

      Wundern muss ich mich zwar über die Barbaren, dass sie ihn – sei es aus Scheu vor den Göttern oder aus Achtung vor seinem Pflichtgefühl – schonten; weit mehr aber bewundere ich jenen, teils weil er sich allein zu den Feinden hinabwagte, teils weil er sich nicht, wie er doch konnte, anderswohin in Sicherheit begab, sondern freiwillig unter augenscheinlicher Gefahr auf das Capitol zurückkehrte. Er wusste freilich, dass sie den einzigen Platz, der ihnen noch von ihrer Vaterstadt übrig geblieben war, nicht so leicht verlassen würden, sah aber auch ein, dass sie, wenn sie es auch noch so sehr wünschten, wegen der Menge der Belagerer nicht durchkommen konnten.

      58. Camillus schlug den ihm angetragenen Oberbefehl aus, weil er ihn als Verbannter gemäß den Landesgesetzen nicht annehmen dürfte. So streng und gewissenhaft beobachtete dieser Mann die Gesetze, dass er selbst bei so drohender Gefahr für das Vaterland seinen Pflichten getreu blieb und es für unrecht hielt, den Nachkommen ein Beispiel von Gesetzwidrigkeit zu hinterlassen.

      59. Als die Stadt von den Galliern eingenommen war und die Römer sich auf das Capitol geflüchtet hatten, kündigte ihnen der verbannte Camillus an, dass er die Gallier angreifen werde. Als der Überbringer des Briefes in die Burg gelangte, gewahrten die Barbaren die Fußtritte desselben; und beinahe hätten sie sich auch dieses letzten Zufluchtsorts bemächtigt, wenn nicht die heiligen Gänse, welche dort gehalten wurden, die Nähe der Feinde verkündet, die Römer geweckt und zu den Waffen gerufen hätten.

      Die Gallier waren erstaunt, dass die Römer solchen Brotüberschuss hätten und aus Üppigkeit die Brote herabwürfen, und verstanden sich zu einem Vertrag.

      Ein Spruch der Sibylle prophezeite, dass das Capitol bis aus Ende der Welt das Haupt des Erdkreises bleiben werde.

      60. Im Jahr der Stadt 365 (389 v.Chr.).

      Februarius hatte, aus Neid gegen Camillus diesen beabsichtigter Alleinherrschaft angeklagt; als derselbe verbannt und wieder zurückberufen worden war, weil er, der Verbannte, seiner vom Feind belagerten Vaterstadt zu Hilfe kam, wurde Februarius vor Gericht gefordert und verurteilt. Camillus verkürzte sogar den ihm gleichnamigen Monat gegen die übrigen.

      61. Nachdem Camillus seinen Triumph über die Tyrrhener gehalten hatte, suchte Konsul Februarius, seinem Geschlecht nach ein Gallier, aus Eifersucht gegen ihn auf der Rednerbühne zu behaupten, nicht dem Camillus, sondern dem Glück der Römer verdanke man den Sieg; auch brachte er Briefe und falsche Zeugnisse vor, dass jener nach der Alleinherrschaft strebe. Hierdurch hatte er das Volk wider jenen aufgebracht und seine Verbannung aus der Stadt bewirkt. Als Camillus nach der Einnahme Roms zurückgekehrt und die Feinde unter Brennus vernichtet hatte, brachte er die Sache vor Gericht und zeigte, dass an allem, was geschehen, Februarius schuldig sei; worauf er von den Dienern des Volkstribuns, vernaculi genannt, entkleidet und mit einer Binsendecke umgeben, unter Streichen mit Bogensehnen aus der Stadt getrieben wurde. Auch verkürzte er den ihm gleichnamigen Monat gegen die übrigen.

      62. Marcus Manlius Capitolinus. 371 (383 v.Chr.)

      Capitolinus verdammte das Volk zum Tode. Sein Haus wurde niedergerissen, sein Vermögen eingezogen, sein Name und sein Bild, wo es zu finden war, ausgelöscht und vertilgt. Auch jetzt noch geschieht alles dies, das Niederreißen des Hauses ausgenommen, bei Hochverrätern. Auch verordnete das Volk, dass kein Patrizier auf der Burg wohnen sollte, weil jener daselbst gewohnt hatte. Das Geschlecht der Manlier machte es zum Hausgesetz, dass keiner von ihnen den Vornamen Marcus, weil jener in gehabt hatte, in Zukunft führen sollte.

      Ein solcher Wechsel trat bei Capitolinus in seinem Betragen wie in seinem Glück ein. Im Krieg ausgezeichnet, wusste er im Frieden sich nicht zu benehmen; das Capitol, das er gerettet hatte, wählte er zum Sitz der Alleinherrschaft. Er, der Patrizier, fiel durch Henkershand, als anerkannter Kriegsheld wurde er wie ein Sklave gebunden und von demselben Felsen, von dem er die Gallier abgewehrt hatte, hinabgestürzt.

      63. Capitolinus wurde von den Römern vom Felsen gestürzt. So hat denn nichts in der Welt Bestand; das Glück führt viele zu ebenso großem Unglück; nachdem es sie zum Gegenstand der Hoffnungen ihrer Mitbürger erhoben und in ihnen Wünsche nach Höherem erweckt hat, stürzt es die Getäuschten ins äußerste Verderben.

      64. Die List der Tusculaner. 374 (380 v.Chr.)

      Camillus zog gegen die Tusculaner zu Felde, mit einer bewunderungswürdigen List aber entzogen sie sich aller Gefahr. Als hätten sie nichts verbrochen und die Römer keinen Unwillen gegen sie, als kämen diese als Freunde zu Freunden oder zögen durch ihr Gebiet gegen andere, veränderten sie nichts in ihrer Lebensweise und ließen sich nicht in ihrer Ruhe stören, sondern blieben alle bei ihren gewöhnlichen Geschäften und Tagewerken wie im Frieden an Ort und Stelle, nahmen das Heer in ihre Stadt auf, gaben ihm gastliche Zehrung und taten ihm auch im Übrigen alle Ehre als Freunde an. Die Römer taten ihnen daher auch nicht nur nichts zuleide, sondern erteilten ihnen später sogar das Bürgerrecht.

      65. Im Jahr der Stadt 386 (368 v.Chr.)

      Die Gattin des Rufus,10 deren Schwager, zu jener Zeit Tribun, nach einem Geschäft auf dem Markt zurückkehrte, erschrak, als der Liktor, einer herkömmlichen Sitte gemäß, an die Tür schlug, da ihr früher nichts dieser Art vorgekommen war, und fuhr zusammen. Als sie nun von ihrer Schwester und den anderen ausgelacht und verspottet wurde, dass sie sich mit den Sitten bei den Staatsämtern nicht auskenne, weil ihr Mann noch keine der oberen Ehrenstellen bekleidet hatte; grämte sie sich darüber, wie bei dem durch Kleinigkeiten reizbaren Frauenvolk zu geschehen pflegt, und ruhte nicht eher mit ihren Umtrieben, bis sie die ganze Stadt in Aufruhr gebracht hatte. So führen oft kleine und geringe Anlässe viele und große Übel herbei, wenn dabei Neid und Eifersucht ins Spiel kommen.

      66.

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