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ließ sie es Ende Februar des folgenden Jahres zu, daß Luther sie nach Segrehna bei Kemberg begleitete. In diesem Dorfe hielt sich damals der ehemalige Schwärmer, Bilderstürmer und Bauernagitator Karlstadt als Bauersmann und Landkrämer versteckt. So viel Schmerzen und Sorgen ihm auch Karlstadt gemacht, Luther hatte sich seines alten Amtsgenossen angenommen und ihm Begnadigung beim Kurfürsten erwirkt. Und jetzt hatte Karlstadt Luthers Gemahlin zur Gevatterin gebeten. Auch zu diesem Liebesdienst war sie bereit, machte nicht nur selbst die beschwerliche Reise, sondern ließ sogar ihren Gemahl mitfahren[160].

      Schon in diesem Jahre gemeinsamen Lebens lernte Luther seine Gattin besser verstehen, tiefer lieben und höher achten. Hatte er sie vor der Hochzeit für stolz und hoffärtig gehalten, so schreibt er jetzt: „Sie ist mir gottseidank willfährig, gehorsam und gefällig, mehr als ich hätte hoffen können, so daß ich meine Armut nicht mit des Crösus Reichtum vertauschen möchte.“[161]

      Melanchthon hatte die Hoffnung ausgesprochen, Luthers Verheiratung werde ihn gemessener machen, und sein ungestümes, derbes Wesen sänftigen. Das dachte wohl auch der Erzbischof Albrecht, der durch seinen Kanzler Rühel, Luthers Schwager, der Frau zwanzig Goldgulden als Hochzeitsgeschenk reichen ließ, welche Katharina gern annahm, Luther aber zurückwies. Erasmus glaubte auch bald die Bemerkung gemacht zu haben, daß Luther milder geworden sei und nicht mehr so viel mit der Feder wüte. Denn, setzt er in gewohnter spöttischer Weise hinzu: „nichts ist so wild, daß ein Weib es nicht zähmt“[162].

      Das wird ja im allgemeinen nicht abzustreiten sein. Und tatsächlich ließ sich Luther — aber durch fürstliche Zurede — im versöhnlichen Tone gegen Herzog Georg und König Heinrich VIII. hören — freilich ohne diese dadurch versöhnlich zu stimmen: sie beuteten vielmehr seine Schreiben aus, um ihn verächtlich zu machen. Aber in seinem reformatorischen Beruf hat Käthe ihren Mann weder hindern können noch wollen[163].

      Nicht einmal in den ersten Tagen seiner Heirat. Ja, Frau Käthe plante wohl selbst mit ihm während der Vorbereitung zu ihrer Heimführung die Befreiung der Freiberger Nonnen: die Einladung an Koppe zur Hochzeit enthielt zugleich die Aufforderung zu diesem neuen, noch keckeren Klosterraub[164]!

      Und am Neujahrstag 1526 malte Luther aufs neue in einer Spottschrift das Papsttum mit seinen Gliedern ab und schrieb dazu: „Es meinen etliche, man solle nun aufhören, das Papsttum und geistlichen Stand zu spotten. Mit denen halt ichs nit, sondern muß ihr einschenken, bis nichts Verächtlicheres auf Erden sei, denn diese blutgierige Isabel.“[165]

      7. Kapitel.

      Katharina als Mutter ihrer Kinder und Hausgenossen.

      Ein Jahr nach ihrer Vermählung am 7. Juni 1526, „da der Tag im Kalender heißt Dat.“ (d.i.: Er giebt) schenkte Käthe ihrem Gatten ein Söhnlein, das war, wie die Eltern mit Freuden sahen, gesund und ohne Fehl. Um 2 Uhr nachmittags kam es auf die Welt, schon um 4 Uhr wurde es nach damaliger Sitte von Diakonus M. Rörer getauft. Taufpaten waren der Superintendent D. Bugenhagen, der Propst Justus Jonas, Luthers Gevatter L. Kranach, der Vizekanzler Baier und in Abwesenheit der Kanzler Müller in Mansfeld. Eine der Patinnen war die Frau des Bürgermeisters Hohndorf. Nach dem Großvater erhielt das Kind den Namen Johannes[166].

      Hänschen blieb auch wohlauf, wennschon die Mutter das Stillen nur langsam fertig brachte und das Kind die Milch schwer vertrug. Der Knabe wird bald fröhlich und kräftig und ein homo vorax et bibax (starker Esser und Trinker), lernt auf den Knieen rutschen; zu Neujahr 1527 bekommt er Zähne, lernt stehen und gehen und fängt an zu lallen und mit lieblichen Beleidigungen alle zu schelten. Zur Belohnung für all diese Künste schickt Jonas dem kleinen Hans einen „silbernen Johannes“, ein Geldstück mit dem Bild des Kurfürsten[167].

      Bald ist der Zweijährige gar stolz über eine Klapper, die er vom Pfarrer Hausmann geschenkt erhielt (1528). Dieser Erstgeborene wird jahrelang in jedem Brief erwähnt und muß immer und überall hin die Freunde grüßen. Es ist ein herziges Bild, wenn der Vater von seinem Söhnchen erzählt: „Wenn ich sitze und schreibe oder thue sonst etwas, so singet er mir ein Liedlein daher, und wenn er's zu laut will machen, so fahre ich ihn ein wenig an; so singet er gleichwohl fort, aber er machet's heimlicher und mit etwas Sorgen und Scheu. Also will Gott auch, daß wir immer fröhlich sein sollen, jedoch mit Furcht und Ehrerbietung gegen Gott.“ Und wieder saß Hänschen am Tisch und lallete vom Leben im Himmel, wie eine so große Freude da wäre mit Essen und Tanzen, da wäre die größte Lust: die Wasser flössen mit eitel Milch und die Semmeln wüchsen auf den Bäumen. Da freute sich der Doktor über das selige Leben des Kindes[168].

      Anderthalb Jahre blieb Hänschen allein, da folgte am 10. Dezember 1527, während die Pest in Wittenberg und im Hause Luthers wütete, ein Schwesterlein, Elisabeth. Jonas gratuliert dem Doktor dazu und scherzt von seinem kleinen Söhnchen: „Mein Sohn begrüßt deine Tochter als seine zukünftige Braut.“ Aber am 3. August des folgenden Jahres in der gefährlichen Zeit des Zahnens starb das zarte Töchterlein und wurde in großer Trauer auf dem Gottesacker vorm Elsterthore bestattet. Da erhielt es einen (noch vorhandenen) kleinen Grabstein mit der lateinischen Inschrift: „Hier schläft Elisabeth, M. Luthers Töchterlein.“ Schwer nur trösteten sich die trauernden Eltern mit dem Gedanken: „Elisabeth ist von uns geschieden und zu Christo durch den Tod ins Leben gereist.“[169]

      Am 4. Mai des folgenden Jahres wurde ihnen Ersatz für Elisabeth in einem zweiten Töchterlein: Magdalena. Amsdorf, der Magdeburger Superintendent (Bischof), und Frau Goritzen, Gattin des Magisters und späteren Stadtrichters in Leipzig, wurden Paten. Der Gevatterbrief an Amsdorf lautet:

      „Achtbarer, würdiger Herr! Gott der Vater aller Gnaden hat mir und meiner lieben Käthe gnädiglich eine junge Tochter beschert: so bitte ich Ew. Würden um Gottes Willen, wollet ein christlich Amt annehmen und derselbigen armen Heidin christlicher Vater sein und zu der hl. Christenheit helfen durch das himmlische hochwürdige Sakrament der Taufe[170].

      Der Gevatterinbrief lautet:

      „Gnad' und Fried' in Christo! Ehrbare tugendsame Frau, liebe Freundin! Ich bitt Euch um Gottes willen: Gott hat mir eine junge Heidin bescheret, Ihr wollet so wohl thun und derselben armen Heidin zur Christenheit helfen und ihre geistliche Mutter werden, damit sie durch Euern Dienst und Hülfe auch komme aus der alten Geburt Adams zur neuen Geburt Christi durch die hl. Taufe. Das will ich wiederum, womit ich soll, um euch verdienen. Hiemit Gott befohlen. Amen. Ich hab selbst nicht dürfen ausgehen in die Luft. Martinus Luther.“[171]

      Als Magdalena heranwuchs, sah das Mädchen dem älteren Bruder Hänschen „über die Maßen gleich mit Mund, Augen und Nase, in Summa mit dem ganzen Gesicht“, und war auch gutmütig und brav wie dieser. Diese zwei ältesten Geschwister hingen auch sehr aneinander. Als Luther im folgenden Jahr während des Augsburger Reichstags in Verborgenheit auf der Koburg weilte und sich dort wie auf der Wartburg den Bart wachsen ließ, um sich unkenntlich zu machen, da ließ Frau Käthe von dem kleinen Lenichen einen Abriß in schwarzer Kreide oder Tusche machen, welches freilich etwas zu dunkel geraten scheint, und sandte es ihm als Herzstärkung in seine „Wüste“, wo der Doktor in Einsamkeit und Thatlosigkeit oft trüben Gedanken nachhing, auch sich gar viel ärgern mußte über den Gang der Dinge in Augsburg; auch war gerade sein Vater gestorben, der alte Hans Luther, was den Sohn tief bewegte, denn er hing mit kindlicher Liebe und Ehrfurcht an ihm. Da der Vater das Konterfei des Töchterchens zuerst ansah, konnt' er sie nicht erkennen. „Ei“, sprach er, „die Lene ist ja schwarz“. Aber bald gefiel sie ihm wohl und dünkte ihm je länger je mehr, es sei Lenchen. Der Doktor hängte die Kontrefaktur gegen den Tisch über an die Wand im Fürstenzimmer, wo er aß, und vergaß über die Maßen viel Gedanken mit dem Bilde.“[172]

      Das Mädchen wurde vom Vater anders behandelt als der Sohn. Dieser wurde mit Ernst gezogen und Luther wollte, daß man ihm nichts lasse gut sein. Aber mit seinem Töchterlein scherzte er mehr. Dagegen zog die Mutter naturgemäß den Sohn vor, namentlich den erstgeborenen und suchte des Vaters Strenge gegen ihn zu mildern[173].

      Am Vorabend vor Luthers Geburtstag, den 9. November 1531, traf zu Wittenberg im schwarzen Kloster wieder ein Sohn ein, der deshalb des Vaters Namen erhielt. Als jetzt der jüngste wurde nunmehr er der Liebling des Vaters. Denn, sagt dieser, „die Eltern haben die jüngsten Kinder stets am allerliebsten. Mein Martinchen ist mein

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