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      In dem Wittenberger Bürgerhause wurde die ehemalige Nonne mehr als eine

       Art Pflegetochter gehalten und der Hausherr vertrat Vaterstelle an ihr.

       Sie muß dort doch eine angesehene Stellung eingenommen haben. Sie war

       bekannt und genannt im Kreise der Universitätsgenossen, und der

       Dänenkönig Christiern II., der landesflüchtig im Oktober 1523 nach

       Wittenberg kam und bei dem Maler Lukas Kranach Wohnung hatte, beschenkte

       Katharina mit einem goldenen Ringe. Die jungen Gelehrten in Wittenberg

       sprachen mit Achtung von ihr; sie nannten sie in ihren vertrauten

       Briefen, wohl wegen ihrer strengen Zurückhaltung, „die Katharina von

       Siena“[107].

      Bei dem Stadtschreiber, oder vielmehr bei seiner Frau, sollte nun Katharina von Bora sich eingewöhnen in das neue oder vielmehr alte „weltliche“, das bürgerliche Leben.

      Das war nicht so gar leicht. Mindestens vierzehn Jahre lang, also fast ihr ganzes bewußtes Leben, hatte Katharina im Kloster zugebracht. Alle diese Jahre hatte sie die geistliche Tracht getragen, sich an nonnenhafte Gebärde und Haltung, an geistliche Sitten und Reden gewöhnt; den Umgang mit weltlichen Menschen hatte sie verlernt oder eigentlich nie recht gelernt, und ebenso die Arbeit, das Hantieren in Stube und Küche; in der That, man begreift, daß der praktische Luther beim Anblick der neun weltunerfahrenen Nonnen ausrufen konnte: „Ein armes Völklein“! Wie in die weltliche Kleidung mußte Katharina sich nun an weltliche Sitte und Rede gewöhnen; wie ihr bleiches Gesicht sich an Luft und Sonne bräunen, ihre zarten Hände im Angreifen von Töpfen und Besen sich härten, so mußte auch ihr geistiges Wesen an den rauheren, aber gesünderen Anforderungen und Zumutungen der Welt sich kräftigen. Aber wie ihre abgeschnittenen Haare zu langen blonden Zöpfen wuchsen, so nahm auch Sorgen und Denken an die kleinen weltlichen Pflichten und die großen weltlichen Interessen zu.

      Und das gnädige Fräulein war nicht umsonst bei der Frau Magister. Sie wurde hier tüchtig vorgeschult für ihren späteren großen pflichtenreichen Haushalt. Und sie hat sich auch nach dem Zeugnis der Wittenberger Universität in dem Hause Reichenbach „stille und wohl verhalten“[108].

      Aber auch andere Gedanken und Gefühle erwachten in ihr und wurden ihr von außen nahe gelegt. Und auch hier machte sie Erfahrungen und erfuhr sie schmerzliche Enttäuschungen, die sie weltkluger und vorsichtiger machten.

      Katharina war jetzt 24 Jahre alt, eine reife, ja nach den Anschauungen jener Zeit, welcher das 15. bis 18. Lebensjahr einer Jungfrau für das richtigste heiratsfähige Alter galt, eine überreife Jungfrau. Daß sie an Verehelichung dachte, ist begreiflich. Denn sie hatte weder eine Stellung noch Vermögen. Der Aufenthalt bei ihren Pflegeeltern konnte doch nur ein vorübergehender und nicht befriedigender sein. Luther, der die besondere Sorge für diese, wie für andere ausgetretene Klosterleute übernommen, hatte ohnedies schon von Anfang die ausgesprochene Absicht, diejenigen, welche in ihren Familien keinen Unterhalt und Aufenthalt finden konnten, zu verheiraten. Und seine gesamte Anschauung ging dahin — darin hatte er die echt bäuerliche Ansicht seines Vaters — daß der Mensch zum Familienleben geboren und gerade das Weib von Gott zur Ehe bestimmt sei[109].

      Nun kam damals im Mai oder Juni 1523 in die Universitätsstadt Hieronymus Baumgärtner, ein Patriziersohn aus Nürnberg, „ein junger Gesell mit Gelehrsamkeit und Gottseligkeit begabt“. Er hatte früher (1518-21) in Wittenberg studiert und bei Melanchthon seinen Kosttisch gehabt und wollte jetzt seine alten Lehrer und Freunde in Wittenberg: Luther und besonders Melanchthon besuchen, mit dem er später in regem Briefwechsel stand[110]. Dieser junge Mann erschien Luther als der rechte Gatte für seine Schutzbefohlene: er war 25 Jahre alt, Käthe 24, beide aus vornehmem Hause; sie ohne Vermögen, um so mehr paßte in Luthers Augen der wohlhabende Nürnberger für sie. Und er wird wohl dafür gesorgt haben, daß Baumgärtner an sie heran kam und an ihr Wohlgefallen fand. Auch Käthe faßte eine raschaufwallende Neigung für den jungen Mann, war er ja wohl der erste, der sich der gewesenen Nonne näherte. Vielleicht haben sich die beiden auch zuerst gefunden, und Luther betrieb es nun in seiner Art eifrig, die zwei zusammenzubringen. Jedenfalls wurde die gegenseitige Neigung in dem Freundeskreise bekannt, und man hielt da die Heirat für sicher.

      Aber Baumgärtner zog heim nach Nürnberg und ließ nichts mehr von sich hören, trotzdem er versprochen hatte, nach ein paar Wochen wieder zu kommen, um, wie man glaubte, Katharina heimzuführen. Die Freunde, besonders Blickard Syndringer, erinnerten den Patriziersohn in ihren Briefen neckend oft genug an die verlassene Geliebte. Sie sei wegen seines Weggangs in eine Krankheit verfallen und habe sich in Sehnsucht nach ihm verzehrt. Im Anfang des folgenden Jahres bestellte noch der Nürnberger Ulrich Pinder von Wittenberg aus an Baumgärtner einen Gruß von „Katharina von Siena d.i. von Borra“. Endlich schrieb Luther noch einmal am 12. Oktober 1524 an Baumgärtner: „Wenn Du Deine Käthe von Bora festhalten willst, so beeile Dich, bevor sie einem andern gegeben wird, der zur Hand ist. Noch hat sie die Liebe zu Dir nicht verwunden. Und ich würde mich gar sehr freuen, wenn ihr beide mit einander verbunden würdet“[111].

      Aber den Eltern Baumgärtners war offenbar die entlaufene Nonne anstößig, und daß sie vermögenslos war, konnte sie erst recht nicht empfehlen. Daher ging Hieronymus auf dieses Ultimatum des Freiwerbers Luther nicht ein. Als er im Frühjahr 1525 in Nürnberg Ratsherr geworden war, verlobte er sich mit einem Mädchen von 14 Jahren, Sibylle Dichtel von Tutzing „mit sehr reicher Mitgift und was ihm noch erwünschter war, von sehr angesehenen Eltern“ und hielt mit ihr am 23. Januar 1526 in München die Hochzeit[112].

      Da aber Baumgärtner Katharina endgiltig aufgegeben hatte, so rückte Luther nun mit dem andern Heiratskandidaten heraus, den er für Käthe an der Hand hatte. Das war D. Kaspar Glatz, der am 27. August 1524 von der Universität Wittenberg, deren Rektor er damals war, sich auf ihre Patronatspfarrei Orlamünde hatte setzen lassen. Luther ging nun damit um, seine Schutzbefohlene dem D. Glatz zu freien. Aber Käthe, welche den Mann während seiner Lehrzeit in dem kleinen Wittenberg kennen gelernt hatte, wollte ihn nicht haben, und sie hatte ein richtigeres Gefühl als Luther. Glatz war, wie sich später herausstellte, ein rechthaberischer, eigensinniger Mensch, der Streitigkeiten mit seiner Gemeinde bekam und deshalb entsetzt werden mußte. Luther aber setzte Käthe mit der Heirat zu. Da ging sie zu Luthers Amtsgenossen, dem Professor Amsdorf und beklagte sich, daß Luther sie wider ihren Willen an D. Glatz verheiraten wolle; nun wisse sie, daß Amsdorf Luthers vertrauter Freund sei; darum bitte sie, er wolle bei Luther dies Vorhaben hintertreiben.

      Hier scheint nun Amsdorf, der diese Ablehnung für adeligen Hochmut auslegte, bemerkt zu haben: Ob ihr denn ein Doktor, Professor oder Pfarrherr nicht gut genug sei? denn Katharina wurde zu der Erklärung gedrängt: Würde Amsdorf oder Luther sie zur Gattin begehren, so wolle sie sich nicht weigern, D. Glatz aber könne sie nicht haben[113].

      Diese Aeußerung, welche wohl ohne viel Absicht gesprochen war, hatte ihre Folgen; zwar nicht für Amsdorf, der immer ehelos blieb, aber für Luther. Auch er hatte die Bora „für stolz und hoffärtig“ gehalten, während sie doch nur etwas Zurückhaltendes hatte und ein gewisses Selbstbewußtsein zeigte; er hatte sie also nicht recht gemocht. Durch jene Erklärung an Amsdorf wurde er aber auf andere Gedanken gebracht[114].

      5. Kapitel.

      Katharinas Heirat.

      So machte Luther bei Käthe von Bora, aber auch bei anderen Nonnen den Freiwerber; er that es aber auch in seinen Schriften, worin er den Ehestand so hoch pries und jedermann dazu einlud. Daher scherzte er in einer Epistel an Spalatin: „Es ist zu verwundern, daß ich, der ich so oft von der Ehe schreibe und so oft unter Weiber komme, nicht längst verweibischt oder beweibt bin.“ Und mehr im Ernst: „Ich dränge andere mit so viel Gründen zur Ehe, daß ich beinahe selbst dazu bewegt werde“[115].

      Wenn Luther so eifrig zur Ehe riet, so hatte er dabei vor allem seine Amtsgenossen im Auge. Denn bis zur Reformation war es nicht nur Sitte, sondern sogar Gesetz, daß Universitätslehrer sich nicht verehelichten: so sehr wurden die Schulen, auch die Hochschulen als kirchliche, ja geistliche Anstalten angesehen und die „geistigen“ Personen als „Geistliche“.

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