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„Auf daß ich unser aller Wort rede, für mich, der ich's geraten und geboten, und für Euch und die Euern, die Ihr's ausgericht, und für die Jungfrauen, die der Erlösung bedurft haben, will ich hiermit in Kürze vor Gott und aller Welt Rechenschaft und Antwort geben“. In dieser „Ursache und Antwort, daß Jungfrauen Klöster göttlich verlassen mögen“ berichtet er offen die That und ihre Gründe und nennt die Namen der Befreier und Befreiten. Er sagt ihnen:

      „Seid gewiß, daß es Gott also verordnet hat und nicht Euer eigen Werk noch Rat ist, und lasset das Geschrei derjenigen, die es für das allerärgste Werk tadeln. ‚Pfui, pfui!‘ werden sie sagen, ‚der Narr Leonhard Koppe hat sich durch den verdammten ketzerischen Mönch fangen lassen, fährt zu und führt neun Nonnen auf einmal aus dem Kloster, und hilft ihnen, ihr Gelübde und klösterlich Leben zu verleugnen und zu verlassen‘. Meint ihr, das ist all heimlich gehalten und verborgen? Ja, verraten und verkauft, daß auf mich gehetzt werde das ganze Kloster zu Nimptzschen, weil sie nun hören, daß ich der Räuber gewesen bin! Daß ich aber solches ausrufe und nicht geheim halte, thue ich aus redlichen Gründen. Es ist durch mich nicht darum angeregt, daß es heimlich bleiben sollte, denn was wir thun, thun wir in Gott und scheuen uns des nicht am Licht. Wollte Gott, ich könnte auf diese oder andere Weise alle gefangenen Gewissen erretten und alle Klöster ledig (leer) machen. Ich wollt mich's darnach nicht scheuen, zu bekennen samt allen, die dazu geholfen hätten, (in) der Zuversicht, Christus, der nun sein Evangelium an Tag gebracht, und des Endechrists (Antichrists) Reich zerstört, würde hier Schutzherr sein, ob's auch das Leben kosten müßte. Zum anderen thu ich's, der armen Kinder und ihrer Freundschaft (Verwandtschaft) Ehren zu erhalten, daß niemand sagen darf, sie seien durch lose Buben unredlich ausgeführt und ihrer Ehre sich in Gefahr begeben. Zum dritten, zu warnen die Herrn vom Adel und alle frommen Biederleute, so Kinder in Klöstern haben, daß sie selbst dazu thun und sie herausnehmen“[95].

      Diese Aufforderung und die gelungene Flucht der neun Nonnen ermutigte, wie Luther gedacht, noch andere Klosterjungfrauen und deren Eltern zu gleichem. Noch in derselben Osterwoche entwichen abermals drei Nonnen aus Nimbschen und kamen zu ihren Angehörigen, und zu Pfingsten wurden wieder drei von ihren Verwandten selbst aus dem Kloster geholt[96].

      Da endlich ermannte sich der Abt von Pforta, der dem offenen Brief Luthers nicht entgegenzutreten gewagt hatte, — Luther war ein zu gefürchteter Kämpe. Am 9. Juni schrieb er eine Klage an den — Kurfürsten über diese Vorgänge, welche zur „Entrottung und Zerstörung des Klosters“ führten, und beschwerte sich, daß die Nonnen von Sr. Kurf. Gn. Unterthanen dazu geholfen und gefördert worden seien. Der Kurfürst Friedrich gab in seiner bekannten diplomatischen Weise die ausweichende Antwort: „Nachdem Wir nit wissen, wie diese Sache bewandt und wie die Klosterjungfrauen zu solch ihrem Furnehmen verursacht und Wir uns bisher dieser und dergleichen Sachen nie angenommen, so lassen Wir's bei ihrer selbst Verantwortung bleiben“[97].

      Aber damit war die Klosterflucht in Nimbschen nicht zu Ende. Bis 1526 waren einige zwanzig — auch Magdalena von Bora — ausgetreten, so daß jetzt nur noch 19 Klosterjungfrauen da waren; und diese samt ihrer Aebtissin wurden evangelisch, blieben aber im Kloster, bis sich der Konvent im Jahre 1545 auflöste[98].

      Drei Wochen nach der Flucht der neun Nimbscher Nonnen, am 28. April, wagten sechs Nonnen aus Sornzig die Flucht, trotzdem dies Kloster im Lande des Reformationsfeindes Herzogs Georg lag, und trotz des schrecklichen Schicksals, das um diese Zeit den Entführer einer Nonne betroffen hatte, der zu Dresden geköpft worden war. Und weitere acht flohen aus Peutwitz[99].

      Im selben Jahre der Flucht Katharinas traten noch 16 Nonnen in Widderstetten auf einmal aus. Zwei Jahre darauf wandten sich wieder andere „elende Kinder“ an Luther aus dem fürstlichen Kloster Freiberg im Gebiete seines grimmen Feindes, Herzogs Georg. Und wieder wandte sich Luther an den bewährten Nonnen-Entführer Leonhard Koppe, den er scherzweise „Würdiger Pater Prior“ anredet. Luther wußte, daß diese Zumutung fast zu viel und zu hoch sei — es konnte ja diesmal ernstlich das Leben kosten — und meinte, Koppe wisse vielleicht jemand anderes, der dazu helfen könnte. Aber der verwegene Mann ließ sich um ein solches wagehalsiges Stück schwerlich vergebens bitten und — zu Georgs allerhöchstem Verdruß — glückte das Wagestück, wie die Entführung aus Nimbschen[100].

      4. Kapitel

      Eingewöhnung ins weltliche Leben.

      Nachdem die Befreiung Katharinas und ihrer Mitschwestern so gut gelungen war, fragte es sich nun, was sollte mit ihnen werden?

      Die Sorge blieb an Luther hängen. Nochmals wandte er sich an die Angehörigen der Entflohenen und wird ihnen die Gewissen genugsam geweckt und ihre Pflicht eingeschärft haben, sich ihrer erbarmungswerten Töchter, Schwestern und Basen anzunehmen; das geht aus dem offenen Brief an Koppe und einem anderen an Spalatin hervor, worin es heißt: „O, der Tyrannen und grausamen Eltern in Deutschland!“[101]

      Zugleich aber hatte er den Fall vorgesehen, daß die Verwandten, wenigstens zum Teil, ablehnten, für die Nonnen zu sorgen. Daher überdachte er, wie er sie unterbringen könnte. Aber von seinen „Kapernaiten“ (den Wittenbergern) konnte und wollte er keine Geldunterstützung oder Anleihe erhalten; dagegen erhielt er von mehreren Seiten Versprechungen, den Geflüchteten eine Unterkunft zu bieten. Etliche wollte er auch, wenn er könne, verheiraten. Amsdorf schrieb scherzend an Spalatin: „Sie sind schön und fein, und alle von Adel, und keine fünfzigjährige darunter. Die älteste unter ihnen, meines gnädigen Herrn und Oheims Dr. Staupitz Schwester, hab ich Dir, mein lieber Bruder, zugerechnet zu einem ehelichen Gemahl, damit Du Dich mögest eines solchen Schwagers rühmen. Willst Du aber eine jüngere, so sollst Du die Wahl unter den Schönsten haben“[102].

      Bis dahin bat Luther und ebenso Amsdorf den Hofkaplan und Geheimschreiber des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, „dieser ehrbaren Meidlein Vorbitter am Hofe zu sein und ein Werk der Liebe zu thun, und bei den reichen Hofleuten und vielleicht dem Kurfürsten etwas Geld zu betteln, auch wohl selbst etwas zu geben, damit die Geflüchteten einstweilen genährt und auf acht bis vierzehn Tage, auch mit Kleidung versehen werden könnten, denn sie hatten weder Schuhe noch Kleider.“ Luther ging es nämlich damals so schlecht, daß er selbst kaum etwas zu essen hatte und sein Mitbruder, der Prior Brisger, einen Sack Malz schuldig bleiben mußte: so sehr blieben die Klostereinkünfte aus, auf die Luther und der letzte mit ihm lebende Mönch angewiesen war. Er scherzt mit Beziehung auf seinen Bettelorden: „Der Bettelsack hat ein Loch, das ist groß“. Freilich der Hof des vorsichtigen Kurfürsten wollte nicht recht, wenigstens nicht offen mit Unterstützungen herausrücken, weshalb Luther seinen Freund nochmals mahnen mußte: „Vergeßt auch meiner Kollekte nicht und ermahnt den Fürsten um meinetwillen auch etwas beizusteuern. O, ich will's fein heimlich halten und niemanden sagen, daß er etwas für die abtrünnigen Jungfrauen gegeben — die doch wider Willen geweihet und nun gerettet sind“[103].

      Luthers Appell an die Verwandten verfing nicht. Er mußte klagen: „Sie sind arm und elend und von ihrer Freundschaft verlassen.“ Luther mußte also trotz seiner großen Armut die Nonnen mit großem Aufwand unterstützen. Sonst erfuhr er, „was sie draußen von ihren Verwandten und Brüdern leiden müßten“ — wenn etwa eine nach Hause käme. Sie wollten meist auch nicht zu ihrer „Freundschaft“, weil sie in Herzog Jörgs Land des göttlichen Wortes Mangel haben müßten[104].

      Magdalena Staupitz wurde mit der Zeit als „Schulmeisterin“ der Mägdlein in Grimma gesetzt, und ihr ein Häuslein vom Mönchskloster gegeben. Die Elsa von Kanitz fand bei einer Verwandten Aufenthalt; Luther wollte sie 1527 als Schulmeisterin der Mägdlein nach Wittenberg berufen. Die Ave von Schönfeld verheiratete er mit dem Medikus Dr. Basilius Axt[105].

      Katharinas Verwandte konnten sich ihrer offenbar nicht annehmen. Die

       Eltern waren tot, Bruder Hans mußte selber Dienste suchen im fernen

       Preußen, dann Verwalterstellen in Sachsen. Der älteste Bruder war arm

       verheiratet, hatte wohl keinen Platz für die Schwester; vom jüngsten,

       Clemens, war vollends nichts zu erwarten.

      So wurde denn das Fräulein Katharina von Bora nach der Ueberlieferung im Hause eines Wittenberger Bürgers untergebracht, der in der Bürgermeistergasse wohnte. Es war der

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