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ist schön, dass Sie eine Entscheidung getroffen haben, Herr Möbius«, sagte Bettina, die ihn im Stillen dafür bewunderte, dass er wusste, was er wollte. »Hoffentlich geht alles gut für Sie aus.«

      »Ich denke schon, wenngleich ich natürlich nicht weiß, wie Tim sich entscheiden wird. Marion wird mir auf jeden Fall keine Schwierigkeiten machen.«

      »Das ist ja wunderbar, dass Ihre Frau zur Einsicht gekommen ist, denn zunächst wollte Sie Ihnen Ihren …, äh, Tim ja vorenthalten.«

      »Zur Einsicht gekommen?« Bitterkeit klang aus seiner Stimme, aber auch Resignation. »Nein, das ist sie nicht. Sie hat einfach gepokert, und ich bin auf ihre Forderungen eingegangen. Sie hat Tim als Waffe benutzt und ihn mir gewissermaßen … verkauft.«

      »Wie bitte?«

      »Ja, Sie haben schon recht gehört, gegen eine große Summe hat sie mir ein Besuchsrecht zugestanden. Aber das Geld bedeutet mir nichts, ich hoffe nur, dass Tim mich weiterhin als Vater betrachtet oder zumindest aber als einen guten Freund … Ich liebe Tim und möchte ihn nicht verlieren, wenngleich das vielleicht auch nur eine Illusion ist. Nichts wird mehr so sein wie früher, und was auch immer geschieht, ich werde es akzeptieren müssen. Aber von vornherein werfe ich die Flinte nicht ins Korn.«

      »Ich wünsche Ihnen alles Glück der Welt, Herr Möbius, Ihnen und Tim.«

      Er ergriff ihre Hand. Sein Händedruck war zupackend und kraftvoll.

      »Danke für alles«, sagte er, »Sie und die wunderbare Frau Dunkel haben mir sehr geholfen, aus dieser Krise herauszufinden. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen, allein oder aber, was ich sehr hoffe, mit Tim.«

      »Das würde mich sehr freuen, Herr Möbius«, sagte Bettina, und das meinte sie auch.

      Sie wechselten noch ein paar Worte miteinander, dann verabschiedeten sie sich voneinander.

      Bettina sah ihm einen Augenblick nach, wie er schnellen, energischen Schrittes über den Hof lief, voller Erwartung, seinen Sohn, der eigentlich nicht sein Sohn war, weil seine Frau ihm den Jungen einfach untergeschoben hatte, wiederzusehen.

      Trotz allem liebte er Tim, wollte ihn nicht verlieren. Wie viel einfacher wäre es für alle Beteiligten gewesen, wenn seine Frau ihm die Wahrheit gesagt hätte, dann wäre es nicht zu diesem Trümmerhaufen gekommen, aus dem sie alle herausfinden mussten. Wie so oft im Leben war der Hauptleidtragende Tim, ein Kind, das sich nicht wehren konnte, das viel zu jung war, um alles in der ganzen Tragweite ermessen zu können.

      Bettina hoffte aus tiefstem Herzen, dass es für Tim eine Lösung geben würde, bei der seine Kinderseele keinen zu großen Schaden nehmen würde.

      Sie lief hinauf in die Destillerie, wo sie bereits erwartet wurde.

      Toni wollte mit ihr Bestellungen durchgehen, Inge Koch hatte ein paar Buchhaltungsprobleme, bei denen sie allein nicht weiterkam, weil Bettina als Chefin entscheiden musste, ob und was von den uneinbringlichen Forderungen ausgebucht werden sollte, und das Telefon klingelte in einer Tour.

      Rolf Möbius und seine Probleme schwanden dahin wie ein Morgennebel, und das war auch gut so.

      *

      Bettina befand sich auf der Rückfahrt von Steinfeld nach Fahrenbach. Sie war guter Dinge, denn ihrem Steuerberater war es gelungen, für den Verkauf ihrer uralten Anteile an einer Brauerei einen noch besseren Preis auszuhandeln. Das Geld, das sie ursprünglich ja sogar ihrem Bruder Frieder hatte geben wollen, würde sie finanziell unabhängiger von den Banken machen. Die Einführung des Kräutergoldes auf dem Markt war doch teurer gewesen, als ursprünglich geplant, und es waren ja auch erhebliche Ausgaben für die zusätzlichen Gehälter hinzugekommen, die erst mal erwirtschaftet werden mussten, hinzu kamen die Kosten für die Flaschen, Etiketten, Kartonagen, nicht zu vergessen all die Werbekampagnen, die erst einmal kosteten, ehe sie etwas brachten.

      Im Grunde genommen konnte sie froh sein, dass Frieder erst mal abgelehnt hatte, ehe er dann gnädigerweise bereit gewesen wäre, das Geld wie ein Almosen anzunehmen.

      Bettina war jetzt noch stolz auf sich, dass sie danach hart geblieben und ihm das Geld verweigert hatte.

      Aber sie wollte jetzt nicht an ihren Bruder Frieder denken und sich ihre gute Laune verderben lassen.

      Sie hatte eine CD eingelegt und lauschte den sanften Tönen eines Oboenkonzerts von Giovanni Platti, gespielt von dem so begnadeten Albrecht Mayer, von dem sie wirklich alles auf CD besaß, was der je herausgebracht hatte.

      Sie war nicht in Eile und zockelte die Landstraße dahin, als sie zusammenzuckte.

      Ein schwarzer Sportwagen überholte sie mit überhöhter Geschwindigkeit trotz wegen einer scharfen Kurve angezeigter Geschwindigkeitsbegrenzung.

      War der Fahrer verrückt geworden, ein solches Risiko bei Gegenverkehr einzugehen?

      Der Sportwagenfahrer wich einem entgegenkommenden Fahrzeug aus, schnitt sie, dass ihr überhaupt nichts anderes übrig blieb, als scharf zu bremsen und gegenzulenken.

      Vor ihr flog etwas durch die Luft, was den Verursacher nicht kümmerte, er raste davon und war schon bald nicht mehr gesehen, weil eine weitere Kurve ihn verschluckt hatte.

      Das war gerade noch einmal gutgegangen!

      Bettina fuhr rechts an den Straßenrand, vergewisserte sich, dass sie niemanden behinderte und stieg aus.

      Sie musste nachsehen, was dieser rücksichtslose Mensch da überfahren hatte.

      Schon nach wenigen Metern entdeckte sie im Straßengraben das Opfer des Rasers.

      Es war ein Hund!

      Mit wenigen Schritten war Bettina bei dem Tier. Es blutete, aber das leise Wimmern verriet ihr, dass es lebte.

      Sie versuchte, den Hund vorsichtig hochzuheben, doch das klägliche Wimmern verstärkte sich sofort. Die leiseste Berührung musste dem Tier Schmerzen bereiten.

      Nein, so hatte es keinen Sinn. Kurzentschlossen zog Bettina ihre Jacke aus und bettete das Tier vorsichtig darauf, dann hob sie es hoch und trug es zu ihrem Auto.

      Der Vorfall war doch auch von anderen Autofahrern bemerkt worden, aber niemand hatte angehalten. Was war das denn bloß für eine Verrohung der Menschen, die an einem verletzten Tier einfach vorüberfuhren. Und der Sportwagenfahrer, der hatte – allein schon durch den dumpfen Knall – mitbekommen, was er angerichtet hatte und war ungerührt weitergefahren.

      Bettina öffnete die Beifahrertür, legte das wahrscheinlich inzwischen bewusstlose Tier auf den Sitz und drapierte die Teile der Jacke, auf denen es nicht lag, wie ein kleines Nest herum.

      Das war im Grunde genommen für nichts gut, bot aber vielleicht ein wenig Sicherheit, einen Schutz, denn ansonsten rührte sich das Tier nicht, nur ein leises Wimmern verriet ihr, dass es noch lebte.

      Was sollte sie jetzt tun?

      Ach, wäre Martin doch noch am Leben. Zu ihm wäre sie sofort gefahren, er hätte dem kleinen Hund auch geholfen. Er war ein begnadeter Tierarzt gewesen.

      Zu Dr. Mertzinger, dem Tierarzt fahren, der mit Martin eng zusammengearbeitet hatte? Den Martin auch vertreten hatte und für ihn auf diese verhängnisvolle Fahrt gegangen war, von der er niemals zurückgekehrt war.

      Es war nicht Dr. Mertzingers Schuld gewesen, aber dennoch hatten sie alle, ganz besonders Linde, die schließlich ihren Ehemann und Vater ihrer Kinder verloren hatte, ihm gegenüber Vorbehalte.

      Bettina hatte keine Probleme damit, ihn aufzusuchen. Schließlich konnte der arme Dr. Mertzinger nichts dafür, dass Martin von diesem Geisterfahrer mit in den Tod gerissen worden war. Martin war ganz einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, und es war sein Schicksal gewesen.

      Dr. Mertzinger war auch schon bei ihr auf dem Hof gewesen, um nach den Pferden zu sehen. Aber sie hatte jetzt seine Telefonnummer nicht dabei, und außerdem wusste sie nicht, ob er überhaupt in seiner Praxis war. Viele der Patienten eines Tierarztes auf dem Lande befanden sich in den Ställen der umliegenden Bauernhöfe.

      Bettina

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