Скачать книгу

dir schon nichts tun. Hunde, die bellen, beißen nicht.«

      »Er hat nicht gebellt«, erinnerte Bettina ihn, »sondern ganz schön bedrohlich geknurrt.«

      Arno winkte ab.

      »Das musst du nicht so ernst nehmen, er wollte wahrscheinlich nur demonstrieren, wer der Herr hier im Hause ist, aber nun lass uns mal rasch ins Haus gehen, Leni platzt bestimmt schon vor lauter Neugier.«

      Er setzte Goldie vorsichtig auf den Boden.

      »Herzlich willkommen auf dem Fahren-Hof, kleine Dame«, sagte er.

      Zunächst einmal blieb Goldie zitternd stehen, dann aber bewegte sie sich zuerst ganz vorsichtig, dann immer flotter.

      Und als irgendein einsames Blatt von einem der Bäume fiel, begann sie zu jagen.

      Das war ein gutes Zeichen! Goldie begann den Fahren-Hof zu erobern.

      *

      Dadurch, dass Goldie auf diese höchst ungewöhnliche Weise in ihr Leben gekommen war, hatte Bettina ihre ganze Aufmerksamkeit nur auf den kleinen Hund fokussiert.

      Aber jetzt war Goldie da, hatte auf Anhieb die Herzen aller erobert, und auch Max stellte keine Bedrohung dar. Er hatte einfach beschlossen, Goldie zu ignorieren, aber er würde sein Verhalten auch schon noch ändern und sich damit abfinden müssen, nicht mehr der King zu sein.

      Nun war es an der Zeit, sich wieder voll und ganz der Arbeit zu widmen, und das beinhaltete auch, dass sie wegen einer dringenden Angelegenheit eigentlich Marcel anrufen müsste. Aber das traute sie sich nicht, weil sie sofort Fragen nach ihrem Kommen befürchtete, und das klappte ja nun nicht, weil Jan die Reise verschoben hatte.

      Sie konnte aber nicht bis zu dessen nächster Rückkehr untertauchen, und wer sagte ihr denn, dass es dann klappen würde und nicht wieder etwas Wichtiges dazwischenkam?

      Sie hatte bislang alles allein geregelt und geschafft, es war doch wirklich töricht, jetzt zögerlich zu sein. Es wäre zwar schön, Jan an ihrer Seite zu haben, wenn sie das »arme Dier« bekam, aber, und das hatte er ihr ja auch deutlich klargemacht, ihre Entscheidungen musste sie allein treffen. Da konnte ihr niemand helfen.

      Warum also fuhr sie nicht allein nach Frankreich?

      Ja, genau das würde sie tun.

      Und wenn sie dann den dringenden Anruf tätigte, konnte sie Marcel auch gleich ihre Ankunftszeit mitteilen.

      Um nicht wieder wankelmütig zu werden, würde sie sofort ihr Reisebüro anrufen und den Flug buchen.

      Aber zuvor würde sie auf ihren Terminkalender schauen, um zu sehen, ob etwas Wichtiges anlag. Und wenn sie ihren Flug so legte, dass auch ein Wochenende dazwischenlag, verlor sie nicht viel Zeit, länger als eine Woche würde sie ohnehin nicht bleiben.

      Sie schaute nach, wunderbar, es lag nichts an, was nicht Aufschub duldete. Also würde sie am Samstag fliegen und am Samstag der darauffolgenden Woche zurückkommen, dann blieb ihr noch der Sonntag, um sich auszuruhen und auf die Arbeit in der Destille einzustimmen.

      Bettina wollte gerade zum Telefon greifen, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, als es klingelte. Das konnte nur ein wichtiger oder ein privater Anruf sein, denn alle anderen Anrufe kamen längst nicht mehr bei ihr, sondern bei Inge an.

      Sie meldete sich, es war Doris, ihre Schwägerin, die sie da fröhlich begrüßte, und Bettina schoss blitzartig ein Gedanke durch den Kopf.

      War es nicht merkwürdig, dass Doris ausgerechnet in diesem Augenblick anrief? Das war doch ein Zeichen! Aber über so etwas durfte sie mit niemandem reden.

      »Doris, kannst du kurzfristig eine Woche Urlaub bekommen?«, erkundigte sie sich vorsichtig. »Genau gesagt die ganze nächste Woche.«

      »Das ist kein Problem, aber warum?«

      Bettina atmete tief durch.

      »Gerade als du anriefst, wollte ich einen Flug nach Frankreich buchen.«

      »Ja, und was hab ich damit zu tun?«, erkundigte Doris sich ein wenig irritiert.

      Wie sollte sie es ihr bloß sagen ohne dass sie gleich auflegte?

      »Nun …, ich …, mir kam da blitzartig eine … eine Idee.« Bettina traute sich kaum es auszusprechen, war es vielleicht nicht doch zu verrückt?

      Doris nicht zuzumuten? Schließlich war sie von Jörg geschieden, hatte auf dem Chateau nicht gerade die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht, hatte dort sogar angefangen zu trinken und das nicht zu knapp.

      »Und welche Idee hattest du?«, wollte Doris wissen, der das Schweigen ihrer Schwägerin zu lange dauerte.

      »Ich … ich …«, Bettina holte tief Luft, ehe es aus ihr heraussprudelte, »hast du keine Lust, mit mir nach Frankreich zu fahren? Ich habe auf dem Chateau dringende Dinge zu regeln.«

      Schweigen.

      Hatte Doris aufgelegt?

      »Doris …«

      »Ja, ja, ich bin noch da, dein Vorschlag hat mir nur eben die Sprache verschlagen. Wie kommst du denn darauf? Das ist ja nun wirklich keine gute Idee. Vielleicht erinnerst du dich daran, dass ich bei Nacht und Nebel vom Chateau Dorleac abgehauen bin.«

      »Eben.«

      »Was heißt das … eben.«

      »Nun, Doris, du bist, wie du selbst sagst, abgehauen. Vielleicht wäre es ja gut für dich mitzukommen und dieses Kapitel deines Lebens abzuschließen. Der Gedanke ist mir gekommen, als du auf einmal in der Leitung warst, als ich gerade meinen Flug buchen wollte.«

      »Und mein Anruf war für dich so etwas wie eine Fügung des Schicksals, stimmt’s?«

      »Nun ja …, vielleicht«, gab Bettina zu.

      Wieder sagte Doris eine Weile nichts.

      »Natürlich bist du eingeladen«, rief Bettina, die wusste, dass ihre Schwägerin zwar recht ordentlich verdient, aber nicht so einfach mal zwischendurch nach Frankreich fliegen konnte.

      »Ach, Bettina, darum geht es doch nicht. Ich weiß nicht, ob ich mir das wirklich antun soll. Frankreich liegt in weiter Ferne.«

      »Du hast es aber nicht abgeschlossen, sondern bloß verdrängt. Ich denke, dass es für dich eine wichtige Erfahrung sein kann, nochmals dorthin zurückzukehren, Abschied zu nehmen und dann nicht bei Nacht und Nebel zu verschwinden, sondern offiziell zu gehen. Außerdem kannst du deine neu erworbenen Französischkenntnisse anwenden und…«, Bettina zögerte einen Moment, »für mich wäre es mit dir an meiner Seite auch einfacher … Ich habe einen Riesenbammel davor, auf’s Chateau zu kommen und zu wissen, dass ich nicht eine Besucherin sein werde, sondern Jörg’s Erbin.«

      »Das kann ich verstehen, Bettina, und ich helfe dir gern, schon allein, weil du so viel für mich getan hast und noch immer tust. Aber bitte versteh mich, ich kann das jetzt nicht entscheiden. Gib mir einen Tag zum überlegen, ja?«

      »Natürlich, entschuldige, dass ich dich damit so einfach überrumpelt habe.«

      »Ist schon okay … Ich ruf dich an, großes Ehrenwort, aber sei mir bitte nicht böse, wenn ich nein sage.«

      »Um Gottes willen, Doris, denk bitte nicht so etwas. Dann muss ich dich bitten, mir nicht böse zu sein, weil ich dir so etwas zumute.«

      Doris lachte.

      »Dann sind wir also quitt, aber Bettina, ich möchte das Gespräch jetzt beenden, eigentlich hatte ich bloß Lust, ein bisschen mit dir zu quatschen … Dein Wunsch ist mir schon ganz schön unter die Haut gegangen. Ich meld mich, ja?«

      Sie verabschiedeten sich voneinander, und Bettina fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, an Doris ein solches Ansinnen zu stellen. Für sie würde es auch nicht einfach sein, an diesen Ort zurückzukehren, nicht nur, weil sie auf dem Chateau so unglücklich gewesen war, sondern weil bei ihr auch Erinnerungen an Jörg hochkommen würden, den sie schließlich einmal geliebt

Скачать книгу