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jetzt etwas tun, durfte keine Zeit mehr verlieren.

      Die Tierklinik!

      Das sie nicht gleich darauf gekommen war. Vor nicht allzu langer Zeit hatte eine Tierklinik in Bad Helmbach ihre Pforten eröffnet, um in erster Linie die neurotischen Tiere der Gäste zu behandeln. Bestimmt machten sie ein gutes Geschäft, denn schon Martin hatte sich immer furchtbar aufgeregt, wenn er in eines der Hotels gerufen worden war, um Tiere zu behandeln, die man am besten seinen Besitzern weggenommen hätte, weil sie nicht artgerecht behandelt wurden.

      Ein gutes Beispiel war doch Bondadosso, der auf dem Schlachthof gelandet wäre, nur weil seine Besitzerin, eine grottenschlechte Reiterin, mit ihm nicht umgehen konnte und sich des Spielzeugs, das nicht ihren Vorstellungen entsprach, kurzerhand entledigen wollte.

      Und welch prachtvolles Tier ihr geliebter Bondi war, den Martin ihr überlassen hatte. Ein wunderbares Pferd, das nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder Vertrauen zu den Menschen gefasst hatte.

      Bettina startete ihr Fahrzeug, wartete ab, bis es keinen Gegenverkehr mehr gab, dann drehte sie. Nach zwei Kilometern gab es einen Abzweig, nur Insidern bekannt, über den man schneller nach Bad Helmbach kommen konnte. Jetzt war Eile geboten, denn das Tierchen gab keinen einzigen Ton mehr von sich. Ob es überhaupt noch lebte, dachte Bettina beklommen.

      Die Tierklinik war am Rande von Bad Helmbach in einem hochmodernen Haus aus Stahl und Glas untergebracht. Sie konnte direkt vor dem Eingang parken und hob das Tier vorsichtig aus dem Auto.

      Du liebe Güte!, dachte sie, als sie den Empfang betrat, das wirkte nicht wie der Empfang einer Tierklinik, sondern der eines mindes­tens Fünf-Sterne-Hotels.

      Eine Blondine, die in Wirklichkeit vermutlich brünett war, lächelte sie an mit einem Lächeln, das sie gewiss stundenlang vor dem Spiegel trainiert hatte und das ihre perlweißen Zähne zur Geltung brachte, die es in Natura in einer solchen Perfektion auch nicht geben konnte.

      Um Himmels willen! Wohin war sie bloß geraten.

      Jetzt war es zu spät, um umzukehren, sie trat an den Counter heran.

      Die Blondine lächelte hinreißend.

      »Was kann ich für Sie tun?«

      »Ich brauche dringend einen Arzt«, sagte Bettina und deutete auf das Hündchen, das sie in ihrer Jacke trug, die längst blutverschmiert war und wahrscheinlich verdorben war. – Aber das war ihr jetzt wirklich gleichgültig.

      »Haben Sie einen Termin?«, flötete die Blonde.

      Bettina riss fast der Geduldsfaden. Man sagte ja immer blond gleich blöd, worüber sie sich immer ärgerte, weil sie selbst eine Blondine war, eine echte allerdings und nicht so eine Gewaltblonde. In diesem Fall traf es zu, dieses Wesen war blöd!

      »Meine Verehrteste, ich konnte nicht voraussehen, dass ein rücksichtsloser Autofahrer diesen Hund hier überfahren und verletzen würde. Also konnte ich auch prophylaktisch keinen Termin bei Ihnen machen, also«, sie bediente sich sonst nicht solch drastischer Worte, aber diese Frau nervte sie ungemein, und sie hatte aus Sorge um das Tier ihre Nerven ohnehin schon blank liegen, »bewegen Sie Ihren Hintern, holen Sie einen Arzt, anstatt blödsinnige Fragen zu stellen. Also, pronto …«

      Die Blonde schnappte nach Luft, aber sie kam wenigstens hinter ihrem Counter vor und stöckelte den gefliesten Gang entlang, auf dem ihre Absätze der hochhackigen Schuhe klapperten.

      Sie hatte Bettina keines Blickes mehr gewürdigt, aber damit konnte sie leben.

      Nach einer Weile kam die Blonde zurück.

      »Kommen Sie mit«, sagte sie, von ihrer anfänglichen aufgesetzten Höflichkeit war nichts mehr übrig geblieben.

      Bettina folgte ihr in einen total steril wirkenden Raum, in dem die Farben weiß und chrom dominierten.

      Eine Frau im weißen Kittel wandte sich ihr zu. Auch sie wirkte makellos wie alles hier und wirkte auf Bettina wie so etwas, was man sich als Tierärztin in einer Fernsehserie vorstellte.

      »Was kann ich für Sie tun?«, wollte sie wissen.

      Rasch erzählte Bettina ihr, was sich ereignet hatte.

      »Legen Sie den Hund hier bitte auf den Tisch«, sagte die Ärztin und deutete auf einen Untersuchungs­tisch.

      Als Bettina das Tierchen hinlegte, begann es wieder zu wimmern, und insgeheim atmete Bettina erleichtert auf. Es tat ihr zwar leid, dass der Hund ganz offensichtlich starke Schmerzen hatte, aber das Wimmern zeigte auch, dass er noch am Leben war.

      Die Ärztin zog Bettinas Jacke weg, dann begann sie das Tier zu untersuchen.

      »Äußerlich kann ich auf den ers­ten Blick nur Prellungen und keine Brüche feststellen, Platzwunden, aber ich vermute starke innere Verletzungen, am besten ist es, das Tier einzuschläfern.«

      Das konnte nicht wahr sein!

      »Einfach so? Ohne weitere Untersuchungen?«, erboste Bettina sich.

      Die Tierärztin drehte sich um.

      »Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie den Hund verletzt geborgen und hergebracht. Er hat kein Halsband, keine Tätowierung, anhand der man den Besitzer feststellen kann, das hier ist eine … Promenadenmischung mit einem Großanteil von einem Terrier … Weitere Untersuchungen, für die teure Geräte eingesetzt werden müssen, kosten sehr viel Geld, eine vermutlich erforderliche Operation ist auch nicht umsonst. Da kommen locker zweitausend Euro zusammen, wenn nicht mehr.«

      Bettina musste schlucken. Das war so ungeheuerlich, diese Frau dachte nur an Geld, wenn sie sich daran erinnerte, dass Martin sich darum zunächst einmal überhaupt keine Gedanken gemacht hatte, sondern dass es ihm in erster Linie darauf angekommen war, das Leben eines Tieres zu retten, dann wurde ihr bewusst, dass Tierarzt nicht gleich Tierarzt war. Der eine, dazu gehörte Martin, übte seinen Beruf mit Leib und Seele aus, der andere, und dazu gehörte diese Frau, dachte zuerst an Profit und wollte ihr Honorar sichergestellt haben, ehe sie einen Finger krümmte.

      »Wenn Ihr Honorar sichergestellt ist, machen Sie sich daran, das Tier gründlicher zu untersuchen und können es durchaus auch retten, habe ich das richtig verstanden?«

      Die Frau nickte.

      »Durchaus«, gab sie zu und schämte sich nicht einmal.

      Bettina atmete tief durch.

      »Dann fangen Sie endlich an«, sagte sie, »und verlieren keine weitere Zeit. Ich werde die Kosten übernehmen.«

      Ungläubig blickte die Tierärztin sie an.

      »Aber … der Hund gehört Ihnen doch nicht einmal, er gehört vermutlich überhaupt niemandem, sondern wurde einfach ausgesetzt.«

      »Und deswegen hat er nicht das Recht zu leben?«, rief Bettina entrüstet. »Ist es nicht Ihr Beruf, das Leben von Tieren zu retten?«

      »Ganz recht, aber wir sind auch kein Wohlfahrtsinstitut, wir haben Kosten, und die müssen gesichert sein, vorher.«

      Bettina fand eine solche Einstellung geradezu unerträglich. Warum hatte der liebe Gott einen Menschen wie Martin zu sich genommen, der seinem Berufsstand alle Ehre gemacht hatte?

      »Damit Sie auch wirklich beginnen, leiste ich zu Ihrer Beruhigung eine größere Anzahlung«, sagte Bettina, um die Frau zu beschämen. Deren Antwort allerdings zog ihr fast die Schuhe aus.

      »Ja, das ist wunderbar, eine Akontozahlung von … tausend Euro ist angemessen, Sie können draußen alle Formalitäten erledigen, und dann können Sie auch nach Hause fahren. Es kann Stunden dauern, ehe wir Ihnen genaue Angaben machen können, wir rufen Sie an.«

      Bettina konnte nichts sagen, beinahe fluchtartig verließ sie den Raum, in der Hand die blutverschmierte Jacke.

      Es war unglaublich, es war so ausgesprochen unglaublich. Wenn das Tier nicht so sehr verletzt wäre, hätte sie es am liebsten sofort wieder mitgenommen und anderswohin gebracht.

      Eines war sicher, man würde ihr viel

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