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fragen sich die Verantwortlichen bräsig an der Platte kratzend. »Öhm, wir dachten, die woll’n Arbeitsplätze!«

      Dann reden die Verantwortlichen den Widerstand klein, vorneweg die Politiker, die wollen in solch Bauprojekten Visionen, Missionen und Investitionen in die Zukunft erkennen, argumentieren ahnungslos mit angeblicher Aufwertung und Arbeitsplatzschaffung, bis die Köpfe der Zuhörer und der Presse hospitalistisch nicken, »ja – ja – hm – hm–ja–hm–ja, is’ recht, hm-hm, nehm ich, kauf ich, wähl ich, will ich!«

      Und wenn alles in trockenen Tüchern ist und die letzten angeketteten, von Bullen weich geklopften Protestler abgesägt und vertrieben sind, wenn die letzten Backsteinbrachen zerbröselt und der einsame Lampion einer ehemaligen Strandbar traurig in Pfützen noch dümpelt, dann prahlen und protzen sie in der Presse und polieren sich auf Empfängen die Eier wund, die Investoren, freuen sich, mit was für sterilen Prestigegebäuden man wieder renommieren kann, mit Centern und Lichttürmen und Arcaden und Arenen und ach, guckemalda, wurde dort sogar extra was Altes an Bausubstanz belassen, es ist ein Stück Kopfsteinpflaster, aus dem Steinewerfer einst ihre Munition brachen, integriert wurde es als Reminiszenz, quasi historische Kultstätte, und es liegt nun völlig verloren neben einem Parkplatz mit Rampen aus Sichtbeton und diesen kleinen illuminierenden Nachtlichtern, falls es mal spät wird in der Werbeagentur, weil es immer spät wird in der Werbeagentur, weil O2 angerufen hat. »Ach, das Telekommunikationsunternehmen?« – »Nee, das Element, du Arsch! Alles Luft, heiße Luft, aus dem Arsch in den Mund in das Ohr ins Gehirn!«

      Apropos später. Wird man einst, wenn man das Wasser nur noch von den Brücken aus sieht, sagen: »Guck mal, früher saßen wir da am Ufer …«?

      »Jetzt ist da ein Metallzaun mit Pausenpark nur für Mitarbeiter.«

      »Früher stand da die Mauer!«

      »Na ja, die war wenigstens niedriger!«

      »Und bunter!«

      »Ja, ja!«

      Ja, ja … »Ja, ja« heißt: leckt mich am Arsch, ihr Investoren, die ihr nur lechzend auf die Möglichkeiten wartet, eure Penis-kompensationen allerorten als Prestigekonstruktionen in Stahl und Glas gießen lassen zu können. Ihr trampelt durch Städte, redet heiße Luft, engagiert die fantasielosesten Architekten und wedelt mit schönfrisierten Analysen, welche stets von handzahm gefütterten Firmen stammen. Nachnutzung sei zu teuer, Sanierung auch. Zu teuer. Sagt ihr. Sobald euer Gelumpe irgendwelche Auflagen kriegt, haltet ihr die Hand auf wie beleidigte Künstler. Ach was, Architektur sei Kunst. All der geile Glanz, all die geckenhafte Gelecktheit. Zeitgemäßes Bauen, klare Linie und so … seit den Fünfzigern nichts gelernt? Steht ihr auf das, was ihr da baut? Wer erfreut sich denn bitte an dieser kühnen, unterkühlten Glasästhetik? Steht ihr so auf euer Badezimmer, dass ihr es überall hinmauern lasst? Das sieht doch alles aus wie nach außen gekrempelte Duschbadausstellungen! Und jetzt sagt nicht: »Na, der junge Mann hat doch keine Ahnung von Architektur!« Habe ich auch nicht. ABER ICH HAB AUGEN! Und ich komme aus Hannover, da weiß ich, wo das hinführt! Seid froh, dass Glas nicht brennt!

      In Hamburg nehmt ihr mit St. Pauli das größte zusammenhängende urbane Feuchtbiotop auseinander. Legt es trocken mit Gebäuden, die aussehen wie Spielzeugverpackungen, sofern sie irgendwelche Shows beherbergen, oder mit Wolkenkratzern, die eurer Auffassung nach »tanzen« sollen, aber eher in bester deutscher Hüftsteifigkeit unschlüssig dastehen, was einer architektonischen Querschnittslähmung gleichkommt. Die Hafenkrone ist nicht mehr das einstige Backsteindiadem, sondern eine unansehnliche Mischung aus Aquarium und Schießscharte.

      In Berlin setzt ihr den partyverwöhnten Stadtteilen eine Hospitalismussymptome auslösende Spaßbremse in Gebäudeform vor, an denen jede Art von Kreativität verpufft wie Wassertropfen in heißen Teflonpfannen, mit Fassaden, die man auf jedes Gewerbegebiet hätte kleben können, ohne dass es irgendjemandem aufgefallen wäre und nennt es in täuschender Absicht »Mediaspree«, um mit dem ersten Namensteil die Hauptarbeitgebersparte Berlins und mit dem zweiten lokale Identifikation vorzutäuschen.

      In München zieht ihr entlang der Bahntrasse die grausligsten Kulissen von Eintönigkeit hoch, die sich wie Zeichentrickfilm-Hintergründe rhythmisch zu wiederholen scheinen und in einer sonst recht prunkvollen Stadt so befremdlich wirken – als hätte man das Lächeln der Mona Lisa durch das Emoticon :/ ersetzt.

      In Stuttgart baut ihr nicht nur einen Cyber-Bahnhof, den manche nur deshalb wollten, weil er in Science-Fiction-Werbefilmchen wie eine Raumschiffandockstation daherkam, sondern pflastert den frei werdenden Stadtteil darüber mit purer Langeweile aus leeren Plätzen ohne Nutzen, deren Anrainer – hauptsächlich irgendwelche Banken – die noch so kleinsten Moosknospen aus den Ritzen kratzen lassen, damit nirgendwo auch nur ein Hauch von Leben entsteht, aber noch drei drehbare Holzbänke an den Rand stellen, falls irgendwann, irgendwo, irgendwie eine Person vielleicht mal sitzen und sich die optische Ödnis antun möchte.

      Apropos Verbleib: Wer zieht bloß an solchen Orten in die Wohnungen ein? Maine-Coone-Züchter, die ihre sonst tüchtig bräsigen Schnurrhaarträger auf die Loggia entlassen, wenn die Katzenmutanten in einem Anfall von Wildnisrudimenz mal wieder die Vorhänge zu Autositzfüllungen zerfetzen? Oder Zahnärzte, die schon mit der abstrus hässlichen Kunst in ihren Praxen die Öffentlichkeit ihrem Privatgeschmack aussetzen? Zeigefreudige Großstadtperverse, die Glasscheiben bis zum Boden für den letzten Schrei halten und sich vor allem derart mit Katalogbildern identifizieren, dass sie ihr hippes Quartier als Terrarium den Blicken der Nachbarschaft zur Verfügung stellen, um selbst zu einer Art lebendiger Katalogbevölkerung zu werden? Menschen, die vermeintlich aussagekräftige Brillengestelle tragen, aber aussehen, als hätte ihnen ein verrückter Wissenschaftler eine Kirmes für Frettchen auf die Nase gelötet? Menschen eben, die mit Kubismus nichts gemein haben, aber deren Augen quadratisch und deren Köpfe eckig sind, und die deshalb Gebäude, die aussehen wie derangierte Rubikwürfel, total geil finden.

      Ihr teilt etwas: eure Unfähigkeit, euch in gewachsene Strukturen einzufügen. Na gut, »wohlfühlen« muss man sich hier nur bedingt. Nur die Karre parken und arbeiten. Arbeiten am Wasser. Warum nicht gleich unter Wasser? Mediaspree und HafenCity versenken! Ihr, mit euren Lofts und Loggias und Autofahrstühlen samt Parkplatz neben dem Weinregal, wollt Stadtteilflair? Gut, ich reibe euch scheiß Schnöselnasen jeden Tag drei Kilo Hundekot in den Wohnzimmerteppich! Ihr mit eurer klinisch saubergekärcherten Welt, die ihr den Großstadtdreck am liebsten im Museum betrachten würdet: »O, guck mal, so haben die hier mal gewohnt! So mit Scherben und Kotze und allem!«

      »Ja, voll eklig, guck mal, da ist Urin! Ui, wie primitiv!«

      Was heißt hier »primitiv«? Ihr, die ganze Städte zu Flughäfen runtersterilisieren wollt. Wie viele Möbel habt ihr zu Hause? Drei? Und wie viele sind davon aus Plastik? Vier? Ihr Kopfspastis! Durch euch werden Städte gesichtslos und austauschbar! Lieber arm dran als Gesicht wech! Wenn ich einen von euch in die Finger kriege, will ich ihn packen und schütteln und anschreien: »NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN! Aus! Pfui! Sitz! Das dürfen nicht mal Hunde, die Stadt so vollklötzern!!« Baut euch doch eure eigene Stadt. Ich hab gehört, in der Wüste soll noch was frei sein. Ihr baut doch eh auf Sand. Passt bloß auf. Ich sag nur: Augen auf beim Stadtteilkauf. Glas brennt nicht. Aber es kann schmelzen.

      Gleich neben der U6 nach Tegel west Georg Wilhelm Friedrich Hegel

      Oder: Die Schwaben und ihre Berliner

      Bov Bjerg

      Nach dem arabischen Frühling in Tunesien und Ägypten fanden Ende März 2011 auch in Baden-Württemberg freie Wahlen statt. Das Ergebnis: Diktator Mappus gestürzt! Ganz Berlin freute sich mit den Exilschwaben: Können sie bald in ihre Heimat zurück?

      Doch die Sympathie verflog bald wieder. Kurz darauf legte ein junger Mann aus Neukölln Feuer in Wohnhäusern in Prenzlauer Berg. Sein Motiv: »Hass auf Schwaben«.

      Die Schwaben in Prenzlauer Berg waren entsetzt. In Neukölln, da gab’s doch auch Schwaben! Hätte der junge Mann sich das Fahrgeld nicht sparen können?

      Die Kritik an der Wohnungspolitik des Berliner Senats, an der Privatisierung von landeseigenen Wohnungen, an der völligen Abschaffung des Sozialen Wohnungsbaus, die Kritik

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