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die kreative Klasse, Aufwertung, Verdrängung, Reiche, Baby-Yoga, Starbucks, Autos abfackeln, Galerien, Latte Macchiato, steigende Mieten, Investoren, Fickt euch ins Knie. Und natürlich noch viele mehr.

      Aber auch Profis befassen sich mit dem Thema1, nicht alle kommen über diese Allgemeinplätze hinaus, aber drei kluge Professoren haben es in einem schmucken Suhrkamp-Bändchen zur »Stadtpolitik« kurz und bündig so zusammengefasst: »Mit Gentrification wird die bauliche Aufwertung eines Quartiers mit nachfolgenden sozialen Veränderungen bezeichnet, die in der Verdrängung einer statusniedrigen sozialen Schicht durch eine höhere resultieren.«2

      In der in Deutschland noch jungen Gentrifizierungsforschung werden verschiedene Gentrification-Zyklen unterschieden, die wir alle aus unserer Großstadt kennen (falls wir denn in einer wohnen, aber auch kleinere Städte kennen inzwischen diese Phänomene). Die Pionierphase ist eigentlich noch schön: In einem meist ziemlich heruntergekommenen Stadtviertel entstehen plötzlich neue Cafés und illegale Clubs, kleine Galerien und Ateliers, es gibt die eine oder andere Hausbesetzung. »Eine räumliche Konzentration von Menschen […], die als konkrete Personen in hohem Maß mit kulturellem Kapital ausgestattet sind«. So nennt es Andrej Holm in seinem interessanten Büchlein »Wir bleiben alle!«.3 Nach seiner Untersuchung skizziere ich hier auch die verschiedenen Gentrifizierungsphasen. Wie es weitergeht, ist klar: Das Image des Quartiers ändert sich, plötzlich ist es kein Arbeiterkiez mehr, sondern ein Szenebezirk. Stadtmagazine rufen das nächste große Ding aus, alle wollen dorthin ziehen und – wie Holm ironisch anmerkt – Autoren verlegen ihre Romane und Erzählungen in diese Gebiete. »Das individuelle, personengebundene, kulturelle Kapital hat sich in ortsgebundenes Kapital verwandelt.«4

      Wenn das hier ein Hollywood-Gangster-Film wäre, dann würden jetzt langsam die Bösewichte aus dem Schatten treten. In der zweiten Phase der Gentrifizierung schleichen sich Investoren und Immobilienhaie in die neuen Szeneviertel und kaufen alles, was sie so bekommen können. Mieten steigen, denn die Bösewichte wollen natürlich Geld verdienen – vor allem, weil sie die Häuser oft nur auf Pump gekauft haben, und das muss erst einmal refinanziert werden. Dabei wird kräftig saniert, da ist ja auch viel zu machen, schließlich sind die Mieten jahrelang nicht umsonst so niedrig gewesen, denn um dieses Viertel hatte sich ja früher niemand geschert. Anders als in Hollywood gibt es kein Happy End: Die früheren, sozial schwächeren Bewohner müssen in der dritten Phase wegen der höheren Mieten wegziehen, und natürlich auch die Künstler und Hipster (die meisten Künstler sind ja nicht gerade reich, fragt da nur mal die Künstlersozialkasse oder die Autorinnen und Autoren dieses Buches), und in die schmucken Eigentumswohnungen ziehen Wohlbetuchtere ein, die so mit ihrem »ökonomischen Kapital« einen »symbolischen Wert« erwerben – eben die coole Wohnung im hippen Bezirk.

      Holms Fazit ist ernüchternd: »Die Kreativität der Pionierphase wandelt sich so im Laufe eines Aufwertungsprozesses in einen käuflichen symbolischen Mehrwert. Gentrification stellt sich aus dieser Perspektive als immobilienwirtschaftlich vermittelte Enteignung des kulturellen Kapitals von (ökonomisch mittellosen) Künstler/innen durch später zuziehende Reiche dar.«5

      Das hört sich natürlich hart an (also inhaltlich jetzt, sprachlich natürlich auch, aber das meine ich nicht), aber gerade in Berlin lassen sich solche Prozesse doch immer wieder beobachten. »Mediaspree« – also die geplante Bebauung des Spreeufers in Friedrichshain und Kreuzberg mit Bürogebäuden der sog. Kreativindustrie – ist ein gutes Beispiel. Bevor nicht irgendwelche verrückten Hippies und Künstler sich für den heruntergekommenen Uferbereich interessiert und Strandbars gegründet haben, hat sich auch die Stadt und das Kapital nicht dafür interessiert. Meine Lesebühne fand übrigens in einer dieser Strandbars, dem Kiki Blofeld, ihr erstes Zuhause. Mittlerweile gibt es das Kiki nicht mehr.

      Ich kann mich noch an einen Beitrag im rbb erinnern, als ein Mediaspree-Vertreter (glaub ich jedenfalls, ist aber auch nicht so wichtig) im Kiki Blofeld interviewt wurde. Er stand mit grimmigem Gesichtsausdruck und dunklem Anzug im Sand, die Sonne schien, Kinder tollten um ihn herum, aber er breitete die Arme aus und rief so etwas wie: »Damit verdient Berlin keinen Cent.«

      Die Stadt Berlin vielleicht wirklich nicht so viel. Zahlt ja keiner Steuern von diesen bärtigen Hippietypen. Aber ich habe zum Beispiel ein paar Cent verdient. Nicht so viel, denn damals verlangten wir für unsere Lesebühne noch keinen Eintritt und hin und wieder lag im Hut, den wir im Publikum rumgehen ließen, zwischen den 50-Cent-Münzen auch mal etwas würzig riechendes Gras – aber immerhin. Und irgendwie sind wir ja auch Berlin. Mehr als dieser Typ jedenfalls, seinetwegen kommen nämlich keine tollen Medienunternehmen ans Spreeufer. Die wollen sich ja schließlich auf unser kreatives Potenzial draufsetzen.

3

      Aber sind die Künstler, die Hipster, die Alternativen, die plötzlich über einen Arbeiterkiez oder ein Migrantenviertel herfallen und dort rumkünstlern und rumhipstern nicht die Handlanger des bösen Investment-Gangsters? Verdrängen nicht schon die hippen Kreativen die frühere, ärmere Population des Quartiers? Schließlich fängt die Gentrifizierung ja oft genug mit ihnen an, wie wir oben gesehen haben.

      Der Hipster hat im Moment keinen besonders guten Ruf, dafür werden ihm jetzt schon ganze Bücher gewidmet. Anfang 2012 kam die deutsche Ausgabe eines Sammelbandes des amerikanischen Publizisten Mark Greif mit dem Titel »Hipster« heraus.6 Der urbane Trendsetter kommt darin nicht gerade gut weg. Anhand der Entwicklungen im New Yorker In-Bezirk Lower East Side wird er als der Gentrifizierer schlechthin beschrieben: Er vertreibt angestammte Läden, eröffnet dafür Sneaker-Shops und überteuerte Restaurants und sieht obendrein noch peinlich aus mit seiner Trucker-Mütze und der viel zu engen Röhrenjeans. Der Hipster sei auch per se kein Künstler, sondern immer nur Konsument, ist eine der Ansichten, die in dem Buch vertreten werden. Also nicht einmal mehr der Pionierphase der Gentrifizierung zuzurechnen.

      Der Hamburger Schriftsteller Thomas Meinecke sagt in seinem Beitrag, warum der Hipster so unbeliebt ist: »Ein Hipster sollte auch immer ein Schnösel sein«. Wie die Ur-Hipster in Warhols Factory ist er eben »arrogant, unverbindlich, glamourös«.7 Er muss immer einen Schritt voraus sein, modische und kulturelle Codes vor den »anderen« definieren – und das natürlich auch zur Schau stellen. Und so jemanden finden nicht alle sympathisch. Taugt er aber als Feindbild, als williger Adjutant der Geldgentrifizierer der dritten Phase?

      Holm würde »mutwillige Aufwertungsmotive der zuziehenden Künstlerinnen« ausschließen, nicht immer aber »Ahnungslosigkeit und Naivität«.8 Im Umkehrschluss hieße das: Als Kulturschaffender im alternativen Bereich oder Clubbetreiber sollte man sich immer bewusst machen: Ich kann mit meiner Kunst oder womit auch immer Aufwertungsprozesse in Gang setzen, die vielleicht in erster Linie nicht mir schaden, aber doch den Bewohnern des Quartiers, die sich nicht so leicht wehren können. Und hier kommt wieder das Stichwort der Verdrängung ins Spiel. Eine WG von hippen, zugezogenen Studenten hat zwar meistens mehr Finanzmittel zur Verfügung als beispielsweise eine alleinerziehende Mutter oder ein Arbeitsloser und kann so eine höhere Miete aufbringen, d.h. die Studenten sind natürlich im Wettbewerb um eine leere Wohnung im Vorteil. Aber sie verdrängen effektiv nicht die alteingesessenen Bewohner, allerdings bieten sie, wie oben schon ausgeführt, den Nährboden für eine höhere Mietstruktur, die Investoren anzieht. Außerdem verändern sie nachhaltig das Erscheinungsbild eines Stadtteils, was für viele Alteingesessene auch problematisch sein kann. Gentrifizierung des Lebensstils könnte man das nennen. Verdrängung im großen Stil findet aber erst dann statt, wenn die Investoren günstige Mietwohnungen sanieren und in hochpreisige Eigentumswohnungen umwandeln. Das vertreibt nicht nur sozial schwächere Anwohner, sondern auch die Studenten, Hipster und Künstler. Die Gentrifizierung frisst ihre Kinder.

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      So, jetzt wird es aber noch komplizierter, denn Gentrifizierungsprozesse laufen natürlich nicht immer nach diesem vereinfachten Schema ab. Ein großes Problem der Stadtentwicklung wurde bis jetzt noch gar nicht angesprochen: Die Privatisierung der Öffentlichkeit. Hierbei ist in Deutschland

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<p>1</p>

Der Begriff »Gentrification« kommt übrigens aus dem Englischen vom Wort »gentry«, deutsch: niedriger Landadel.

<p>2</p>

Hartmut Häußermann, Dieter Läpple, Walter Siebel: Stadtpolitik. Frankfurt: Suhrkamp 2008. S. 242.

<p>3</p>

Andrej Holm: Wir bleiben alle! Gentrifizierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung. Münster: Unrast Verlag 2010. S. 31.

<p>4</p>

ebd. S. 32.

<p>5</p>

alle Zitate: ebd. S. 33.

<p>6</p>

Mark Greif, Kathleen Ross, Dayna Tortorici, Heinrich Geiselberger: Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Frankfurt: Suhrkamp 2012.

<p>7</p>

Beide Zitate: ebd. S. 174.

<p>8</p>

Beide Zitate: Wir bleiben alle!. S. 30.