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      BIRNAM. Sie erschrecken mich; ich kenne Sie nicht wieder. – Sie, der Mann mit dieser sanften Seele? dieser rüstige Schriftsteller! –

      MURNER. Schriftsteller; allerdings Schriftsteller. Aber, unterscheiden Sie wohl: – nicht Schulgelehrter, – was man Gelehrter nennt. – Diese verderblichen Geschöpfe werden auf den verwünschten Universitäten gebildet, die zu nichts dienen, als unsre Jugend zu verderben, Müssiggang oder Nachbeterei zu befördern. – Ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie wenig man dort lernt.

      BIRNAM. Ich traue Ihnen sehr viel Erfahrung zu.

      MURNER. Es gewöhnt den Geist an eine gewisse ängstliche Form, die aller eigentlichen Ausbildung schnurstracks im Wege steht. – Man lernt Worte ohne Sinn: der geistreiche Mensch muß sich befleißigen, Sinn ohne Worte zu haben. Ein starkes Gefühl in einer Wissenschaft ist mehr werth, als hundert auseinandergesetzte Gedanken.

      BIRNAM. Ich verstehe Sie nicht.

      MURNER. Ja, wenn sich nur diese Gefühle recht deutlich machen ließen! Sehn Sie, ich meine, so wie jemand Gehör für die Musik haben kann, ohne zu wissen, wie er dazu gekommen ist, oder ein richtiges Augenmaaß; – so kann man sich eben so bei jeder Wissenschaft eine gewisse Fertigkeit erwerben, die einem am Ende zur Natur wird, ohne sich über irgend etwas in tiefsinnige Spekulationen einzulassen.

      BIRNAM. Sind Sie auch bei der Philosophie der Meinung?

      MURNER. Die haß' ich eben auf den Tod: der grade Menschenverstand, den jeder mit auf die Welt bringt, das ist die wahre Philosophie. Meine zweite Einrichtung wäre eben die, daß ich es verbieten ließe, daß irgend jemand philosophirte, oder Systeme aufzustellen suchte; – das führt geradehin zum Ruin des menschlichen Verstandes.

      BIRNAM. Nun, das muß ich gestehn!

      MURNER. Mit den verdammten sogenannten Schlüssen! Da wird man ganz unvermerkt gezwungen, etwas zuzugeben, woran man zeitlebens nicht gedacht hat; die Philosophie geht recht darauf aus, die eigne freie Meinung aufzuheben.

      BIRNAM. Auf die Art ist sie nichts als eine einzige große Impertinenz gegen alle übrigen Menschen, die denn wahrhaftig ihre Köpfe auch nicht blos der Mode wegen haben.

      MURNER. Wer in meinem Lande philosophiren wollte, der würde über die Gränze gebracht. Der Kaiser Domitian war gewiß kein ganz dummer Mann, daß er die Philosophen verjagte.

      BIRNAM. Wenigstens gehörte er hoffentlich zu den Klugen, als sie fort waren.

      MURNER. Ich wollte meinen Staat bald von den unnützen Müßiggängern reinigen; so ließ ich zum Beispiel jedem, der Verse machte, den Staupbesen geben.

      BIRNAM. Recht so; – es ist in hundert Versen nicht ein einziges Wort wahr.

      MURNER. Dunst und Schatten; die Dichter rühmen sich sogar selbst und öffentlich ihrer Erfindungen; das führt zur Immoralität. –

      BIRNAM. Es hängt mit dem Betrügen und Stehlen zusammen: es ist der erste Schritt zur Verstellung.

      MURNER. Wer sich nun gar erfrechte, einen Roman oder eine Komödie zu schreiben, der würde ohne Barmherzigkeit aufgehängt.

      BIRNAM. Es wäre freilich des Beispiels wegen nothwendig.

      MURNER. Denn, zeigen Sie mir nur eine einzige Elle Leinwand, oder auch selbst nur – einen Pfannkuchen, den je Dichter und Romanschreiber durch ihre Arbeit zusammengebracht hätten.

      BIRNAM. Im Gegentheil, die schönen Lumpen, die das wegnimmt –

      MURNER. Da haben Sie Recht. – All' das Zeug befördert die Ausschweifung, und kann nur die Menschheit im Kinderalter amüsiren.

      BIRNAM. Ich bin neugierig, was Sie wohl mit den Theatern anfingen.

      MURNER. O sein Sie versichert, ich würde sie sehr gut anwenden. – Ich machte nämlich große Uebungsplätze daraus, eine Art von öffentlichen Volksredouten, wo alle Arten von Leibesübungen, Springen, Balgen, Laufen, getrieben würden. Jedem, der ein paar gute Fäuste, und einen mäßigen Rücken hätte, wäre die freie Entree vergönnt. Da würd' ich mir ein Volk erziehen! – Manche, die vielleicht blos der Motion wegen kommen wollten, und ihren Rücken nicht gern hingeben, aber doch die Uebungen mitgenießen, diese bezahlten am Eingange ein billiges Geld, und dürften nachher nicht geschlagen werden. – Das so eingekommene Geld aber würde auf die gewandt, die bei den Spielen etwa beschädigt würden. So erhielte sich das Institut immer durch sich selbst. – Dann könnte man erst von Nationaltheatern sprechen! – Von allen systematischen Büchern, von allen Griechischen, Lateinischen und Hebräischen, ließe ich die Bibliotheken säubern, dann würde es dem Menschen erst möglich gemacht, das wirklich Nutzbare und Praktische zu lesen.

      BIRNAM. Mir ist, als säh ich Sie mit der Zerstörermiene in den Bibliotheken herumwühlen.

      MURNER. Alle Kupferstiche und Gemäldesammlungen ließe ich verbrennen, daß kein Gebein übrig bliebe. – Man sehe die Bäume und Berge an, wie sie sind, und nicht, wie sie sein könnten; der Mensch muß nicht klüger sein wollen, als sein Schöpfer.

      BIRNAM. Es ist im Grunde dieselbe Naseweisheit, wegen der Nebukadnezar so hart gestraft ward.

      MURNER zieht mit einemmale sein Taschenbuch heraus und schreibt es nieder. Das war eine äußerst brave Anmerkung. – Statt Latein und Griechisch zu lernen, muß sich die Jugend auf Springen und Laufen legen; das giebt Kräfte und Munterkeit. Die Lehrer in den Schulen müßten nach der Höhe rangirt werden, in der sie springen könnten; statt daß oft manche von den berühmtesten unsrer jetzigen Gelehrten nicht auf einem Bein stehen können.

      BIRNAM. Das würde der ganzen Gelehrsamkeit wirklich einen rechten Schwung geben. Manche neue gute Gewohnheiten würden dadurch in Gang gebracht. Jetzt erkriecht man sich Aemter; dann würde man sie sich erspringen; die Fertigkeit ist wenigstens um ein großes Theil poßierlicher.

      MURNER. Wer mir nicht ein Handwerk gelernt hätte, er sei Graf oder Bettler, der käme als ein Landstreicher ins Arbeitshaus. Fabriken und Handwerker sollten floriren, daß es eine Freude wäre; – ich wollte Talente schätzen und belohnen; Millionen wollt' ich nicht achten, um eine neuerfundene Maschine aufzumuntern, wenn sie auch nur täglich einen Groschen ersparte.

      BIRNAM. Vortrefflich! Sie sind ganz begeistert!

      MURNER. Die Aufklärung sollte in meinem Staate Riesenschritte thun. Damit sich das Volk von der Schätzung der Nebensachen entwöhnte, müßten alle Prediger beständig in rothen Röcken gehn.

      BIRNAM. Natürlich.

      MURNER. Es wäre auch nicht nöthig, daß sie immer von der Kanzel herabpredigten; sondern sie könnten zuweilen mitten in der Kirche Reden halten. dadurch werden die gemeinen Leute unvermerkt mehr zur Schätzung der Hauptsache gelenkt. Oder, wenn es einem von den Zuhörern bequemer wäre, so müßte es ihm auch vergönnt sein, sich auf die Kanzel, neben dem Prediger zu stellen, – und so viele als dort Platz hätten.

      BIRNAM. Da würde oft nicht solch Gedränge in der Kirche sein, und diesen könnte der Volkslehrer dann seine Predigten recht besonders ans Herz legen. –

      MURNER. Wer sich schminkte, oder die Lippen und Augenbraunen färbte, würde gebrandmarkt.

      BIRNAM. So ein Brandmahl sieht im Grunde immer besser aus, als diese unnatürlichen Zierereien. –

      MURNER. Haben Sie das bekannte Salzmannische Elend nicht gelesen? –

       Inhaltsverzeichnis

      VORIGE. MADAME MURNER. FRIEDRICH.

      M. MURNER. Er ist gewiß nicht mehr hier; wo soll ich ihn nun finden?

      FRIEDRICH. Dort steht Herr Murner.

      M. MURNER. Wo?

      FRIEDRICH. Dort, mit dem jungen Herrn.

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