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gibt es nicht Hunderte, sondern Tausende professionelle Bauchtänzerinnen in Kairo. Genau gesagt sind es stolze fünftausend.

      Unter dem Namen Bauchtanz wird alles Mögliche angeboten. Aufführungen bei schummrigem Licht, private Diners in abgetrennten Kabinen mit blutjungen Mädchen auf Plüschsofas. Der Markt ist ein Dschungel. Eine Bauchtänzerin ist insofern eine leichte Beute, als ihr Ruf nicht der beste ist.

      Tochter einer Bauchtänzerin, Ibna ar-raqasa, gilt bis heute als Beschimpfung in Kairo.

      Musiker, Tänzerinnen, Sängerinnen, die Shows musikalisch begleiten, soweit sie nicht den Kunden bis in die Morgenstunden bereitstehen müssen, teilen sich nach Dienstschluss die Einnahmen. Bezahlt wird, indem zufriedene Kunden den Frauen während des Tanzes Geldscheine in den Ausschnitt stecken. Eine Sitte, die heute noch üblich ist in den Lokalen der untersten Kategorien der Al-Haram-Straße. Undenkbar in Dinas A-Klasse-Gesellschaft, wo sich keiner ihr auch nur im Geringsten nähern darf, während sie tanzt.

      Bei Nachforschungen in Kairos bekanntesten Vierteln des Bauchtanzes, neben der Al-Haram-Straße die Mohammed-Ali-Straße, wo heute noch Musikgruppen wie eine Art Tagelöhner herumlungern, in der Hoffnung, dass jemand sie anheuern wird, finde ich eine Stimmung, die nur entfernt an die glorreichen Zeiten des Bauchtanzes erinnert. Arbeitslos hocken die Männer vor Geschäften mit Instrumenten. Einige Meter weiter wird Unterwäsche neben Möbeln angeboten. In Hinterzimmern schneidern Frauen Bauchtanzkleider. Schulen, um den Bauchtanz in jungen Jahren zu lernen, gibt es keine. In ganz Kairo nicht.

      Eine nette Serviererin, so um die zwanzig, in der Cafeteria eines Kairoer Hotels erzählt mir auf meine Frage, ob sie tanzen könne, sie habe als Mädchen davon geträumt, Bauchtänzerin zu werden, und sich die rudimentären Tanzschritte selbst beigebracht. Sie imitierte daheim im Wohnzimmer die Stars des Tanzes in den jeweiligen TV-Programmen. Allein in Ägypten gibt es mehrere Sender mit Tanzprogrammen in Schwarz-Weiß oder in Farbe rund um die Uhr. Jede, sagt sie, könne hier tanzen. Will eine ein Profi werden, wie Dina, muss sie mindestens achtzehn sein, bevor sie eine Tanzausbildung antreten kann, und selbst dann ist der Umweg über eine Volkstanz-Ausbildung notwendig. Bauchtanz als Berufsziel ist zu suspekt. Religiöse Ägypter in Elendsvierteln verweigern die im Islam üblichen Almosen von Bauchtänzerinnen, obwohl sie zugleich Tänzerinnen zu Hochzeiten einladen.

      Dina ist anders als unzählige Träumerinnen, Dilettantinnen, Halbprofis oder auch Supertalente, die aber trotzdem nie den Durchbruch schaffen wie sie. Sobald sie eine Tanzbühne betritt, zieht sie alle in ihren Bann. Mit ihrem Charisma fasziniert sie alle. Ich beobachte sie bei zahlreichen ihrer Vorführungen, ohne am Ende zu durchschauen, was sie anders macht als die Konkurrenz. Die Erklärung, die sie mir dafür gibt, ist, dass sie ständig ihre Schritte neu erfindet. Ihre Bewegungen sind ohnehin weniger schlangenhaft, sind zackiger. Die für Bauchtänzerinnen so typischen Schlangenbewegungen, mit den Armen über dem Kopf, lässt sie ganz weg. Dinas Tanz ist, abgesehen von den ruckartigen Hüftbewegungen, eine unzusammenhängende, aber wirkungsvolle Schrittfolge, bei der sie den Oberkörper weit nach hinten lehnt und mit den Hüften dem Publikum entgegenschreitet, bevor sie sich ruckartig wieder umdreht. Sie sieht dabei aus wie eine sich heranschleichende Katze. Dina sagt, Regeln sind für andere da. Sie tanzt, wie sie lacht, herausfordernd.

      Wenn sie Tanzgeheimnisse hat, verrät sie mir diese nicht. Offenbar fürchtet sie, die Konkurrenz könnte sogar von unserem Gespräch profitieren. Also wiederholt sie jedesmal, wenn ich sie darauf anspreche, wie eine Leier, Spontaneität sei wichtiger als alles andere. Wenn sie tanze, würde sie sich nicht an vorgegebene Normen halten. Sie würde sich bewegen, wie es ihr gerade in den Sinn komme. Jedesmal bin ich nicht viel klüger als davor.

      Unübersehbar ist bei Dina, neben ihrer eigenwilligen Persönlichkeit und ihrer rhythmischen Begabung, die Lust an der Provokation. Und darauf stolz zu sein. Es käme ihr nie in den Sinn, zu verheimlichen, dass sie die aufreizendsten Bauchtanzkostüme von allen Tänzerinnen trägt. Wie sie zieht sich keine in der ganzen Region an oder, besser gesagt, aus.

      Wenn ich sie auf ihre Kostüme anspreche, wird sie geradezu enthusiastisch. Sagt mir, das beste müsste ich unbedingt sehen, weil es nichts als eine Strickkombination aus Kupferdrähten sei. Mit ihren Händen presst Dina dabei ihre Brüste in Richtung Körpermitte. So hätte das ausgesehen. Die ganze Stadt hätte darüber geredet.

      Sie hat das Meisterstück wie alle anderen Kostüme, mit denen sie jemals getanzt hat, Tausende und Abertausende, noch in ihrer Wohnung in Doqqi aufbewahrt. Ich könne mir das Kostüm-Archiv gerne ansehen.

      Eines Abends fahre ich zu der angegebenen Adresse.

      Dinas Kostümträger Mohammed öffnet mir die Wohnung und das Hinterzimmer mit Kästen voller BHs mit steifen Körbchen und dazupassenden Hosen, die meisten rot, einige schwarz, andere grün, obwohl es die verbotene Farbe des Islams ist, der Rest verziert mit Strass oder vergoldet. Alles Handarbeit. Dazwischen Hunderte Schuhpaare, Sandalen, Perücken, Pelzmäntel und Handtaschen.

      Dina, verrät mir der Kostümträger, bereitet die neidische Konkurrenz unentwegt Kopfschmerzen. Man müsse alle drei Monate neue Kostüme entwerfen und schneidern lassen, weil andere Tänzerinnen Dinas Auftritte ausspionieren würden, um so schnell wie möglich dieselben Kleider zu produzieren. Damit seien sie natürlich out für Dina. Daher der ständige Druck, immer neue Kostüme haben zu müssen.

      Nicht schlimmer muss es sich früher in den Harems abgespielt haben, wo der jeweilige Inhaber seine Frauen erfolgreich gegeneinander ausspielte und alle mitmachten, weil sie keine andere Wahl hatten.

      Bei Dina kommt noch dazu, dass sie mit fast allen Traditionen des klassischen Bauchtanzes gebrochen hat. Sie bricht die alte, eiserne Regel, keine nackten Beine zu zeigen. Normalerweise müssen zumindest die Beine einer Bauchtänzerin, wenn sie nicht in Bewegung sind, sagt mir ihre Lehrerin Raqia Hassan, als ich sie in ihrer Tanzschule treffe, unter einem knöchellangen Überrock versteckt bleiben. Der Stoff kann durchsichtig sein. Schlitze entlang der Beine sind erlaubt. Kairos rund hundert Bauchtänzerinnen halten sich alle daran. Raqia Hassan erinnert sich an eine Dina, die anders ist als die restlichen hundert. Mehr will sie nicht verraten.

      Dass der aufsteigende Star bis an die Grenzen geht, wird auch so klar. Sie tanzt, höre ich, gerne mit nichts als Goldketten um die nackten Hüften. Als sie so bekleidet schon vor Jahren in einem Hotelsaal auftauchte, tobten die Gäste vor Entzücken. Danach geht sie noch weiter und erregt mit ihrem Lieblingskostüm, den geflochtenen Kupferdrähten um den Körper, Aufsehen. Und es ist nicht ihr letzter Coup. Jedes Mal, wenn Dina eine ihrer aufregenden Körperausstattungen zeigt, spricht halb Kairo davon.

      Es ist unvermeidbar, dass Rita das mitbekommt. Die in den Medien, je nach Linie, entweder entzückt besprochenen oder heftig kritisierten Kostüme sind eine permanente Quelle der Spannungen zwischen den Schwestern. Sie würde es vermeiden, Kleidung auch nur zu erwähnen, sagt mir die Salafistin mehrmals während unserer Treffen, ständig in ihrem schmucklosen Einheitskleid vor mir sitzend.

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