Скачать книгу

Daniel nickte. »Natürlich, Saskia.« Er griff nach einem Notizzettel und kritzelte ein paar Worte darauf. »Abends ist er meistens zu Hause.« Dr. Daniel lächelte. »Er lernt sehr viel, wenn man meiner Tochter glauben darf. Ich selbst habe da gelegentlich so meine Zweifel, vor allem, wenn er sich wochenlang nicht zu Hause sehen läßt, aber Karina beteuert immer wieder, wie fleißig Stefan ist.«

      »Er war in der Schule schon immer der Klassenbeste«, meinte Saskia leise, dann stand sie auf. »Ich halte Sie jetzt nicht mehr länger auf, Herr Dr. Daniel. Danke, daß Sie für mich Zeit hatten und daß Sie mir Stefans Adresse gegeben haben.«

      »Das war doch selbstverständlich«, erklärte Dr. Daniel, dann nahm er voller Herzlichkeit Saskias Hand. »Und wenn ich irgend etwas für dich tun kann, dann scheue dich bitte nicht, zu mir zu kommen, ja?«

      Saskia nickte, bedankte sich noch einmal und verließ schließlich die Praxis. Sinnend blickte Dr. Daniel auf die geschlossene Tür. Vor etlichen Jahren hatte er gedacht, Saskia Felber würde einmal seine Schwiegertochter sein. Doch dann hatte sie Steinhausen plötzlich verlassen, und niemand hatte mehr etwas von ihr gehört. Daß Sie jetzt zurückgekehrt war und so dringend nach Stefan verlangte… bedeutete das, daß sie ihn doch noch liebte?

      *

      Eine Woche nach ihrem Termin bei Dr. Daniel spürte Marina Schermann plötzlich ein eigenartiges Ziehen im Bauch, das ihr völlig fremd war. An die lebhaften Bewegungen ihres Babys hatte sie sich ja längst gewöhnt, und die kannte sie auch. Aber was sie jetzt fühlte, war etwas völlig anderes. Einen Tag lang zögerte sie noch, dann suchte sie Dr. Daniel auf.

      »Ich kann es nicht richtig beschreiben«, erklärte sie, als sie in seinem Sprechzimmer saß. »Es tut nicht weh, aber es ist irgendwie komisch. Der Bauch wird immer so hart.«

      In diesem Moment schrillte in Dr. Daniels Kopf eine Alarmglocke. Besorgt runzelte er die Stirn, was von Marina ängstlich registriert wurde.

      »Herr Doktor, bitte, sagen Sie jetzt nicht, daß mein Baby in Gefahr ist«, flehte sie leise. »Die Eileiterschwangerschaft, die ich damals hatte, war schlimm genug. Wenn bei der jetzigen Schwangerschaft wieder etwas nicht in Ordnung ist, dann…«

      »Nein, Frau Schermann, so schlimm ist es nicht«, versuchte Dr. Daniel sie zu beruhigen. »Allerdings müssen wir jetzt sehr vorsichtig sein. Ich befürchte nämlich, daß Sie vorzeitige Wehen haben, aber das werden wir gleich feststellen.« Er stand auf. »Kommen Sie bitte mit.«

      Marina folgte ihm in ein kleines Zimmer am Ende des Flurs.

      »Legen Sie sich auf die Untersuchungsliege, Frau Schermann«, bat Dr. Daniel, dann lächelte er sie beruhigend an. »Keine Angst, ich tue Ihnen nicht weh. Ich werde Sie jetzt nur an den Wehenschreiber anschließen. Die ganze Geschichte dauert etwa eine halbe Stunde, und dann sehen wir weiter. Wenn Sie irgendwelche Probleme haben oder Ihnen in der Rückenlage vielleicht übel wird, dann rufen Sie nach Frau Kaufmann. Sie wird sich immer hier in der Nähe aufhalten.«

      Mit Mühe brachte Marina ein Lächeln zustande. Dr. Daniels Fürsorge tat ihr gut, doch die Angst, die sie jetzt in sich trug, konnte sie nichtunterdrücken. Ein wenig ängstlich betrachtete sie das leise summende Gerät, das irgendwelche Linien aufzeichnete.

      »Alles in Ordnung, Frau Schermann?«

      Die Stimme der Sprechstundenhilfe riß Marina aus ihrer Betrachtung.

      »Ja, Frau Kaufmann, danke«, flüsterte sie nur.

      Lena Kaufmann zögerte einen Moment, dann trat sie ein und setzte sich neben Marina.

      »Sie haben Angst, nicht wahr?« fragte sie behutsam.

      Marina nickte. »Ricky und ich freuen uns so sehr auf dieses Baby. Wenn etwas passiert…«

      Lena Kaufmann griff nach ihrer Hand und tätschelte sie beruhigend.

      »Der Wehenschreiber wird aufzeigen, ob Sie vorzeitige Wehen haben«, erklärte sie. »Und wenn das so sein sollte, dann überweist Dr. Daniel Sie mit Sicherheit in die Klinik von Dr. Sommer.« Sie lächelte. »Den kennen Sie ja bereits.«

      »Ja«, antwortete Marina leise und war dabei nicht sicher, ob sie Dr. Sommer in guter oder eher schlechter Erinnerung haben sollte. Damals, als sich das befruchtete Ei im Eileiter anstatt in der Gebärmutter eingenistet hatte und die Schwangerschaft in der Klinik von Dr. Sommer langsam verkümmert war, hatte sie gedacht, nie wieder einen Fuß in diese Klinik zu setzen, doch schon wenig später war sie wieder dort gewesen – um sich sterilisieren zu lassen.

      Andererseits hatte Dr. Sommer in einer zweiten Operation die Sterilisation wieder rückgängig gemacht, nachdem sie Ricky kennengelernt und sich von ihm ein Baby gewünscht hatte. Mit dieser Operation hatte ihr Dr. Sommer das schönste Geschenk gemacht. Eigentlich sollte sie also doch gern an ihn zurückdenken.

      »So, Frau Schermann, jetzt schauen wir uns mal an, was der Wehenschreiber aufgezeichnet hat«, erklärte Dr. Daniel und riß sie damit aus ihren Gedanken. Dann lächelte er. »Wie ich sehe, hat Ihnen Frau Kaufmann ein wenig Gesellschaft geleistet.«

      »Sie war sehr nett zu mir«, meinte Marina, dann stand sie mit Dr. Daniels Hilfe wieder auf. Sie spürte, wie sie am ganzen Körper zitterte.

      Dr. Daniel riß das Blatt mit den Aufzeichnungen ab und ging Marina voran in sein Sprechzimmer zurück. Erst dort betrachtete er die Linien sehr aufmerksam, dann nickte er.

      »Mein Verdacht hat sich leider bestätigt, Frau Schermann«, erklärte er mit ernster Miene. »Sie haben tatsächlich vorzeitige Wehen. Theoretisch könnte Ihr Baby durchaus überleben, selbst wenn es jetzt schon geboren würde, aber besser ist es natürlich, wenn es so lange wie möglich im Mutterleib bleibt.« Er lächelte. »Da gehört es um diese Zeit schließlich noch hin, nicht wahr?«

      Mit weit aufgerissenen Augen starrte Marina den Arzt an. Sie war zu keinem Wort fähig.

      »Also, Frau Schermann, wir werden jetzt folgendes tun«, fuhr Dr. Daniel in seiner ruhigen Art fort. »Ich werde Sie in die Klinik von Dr. Sommer überweisen. Er ist für solche Fälle bestens ausgerüstet – auch für den Fall, daß das Baby tatsächlich zu früh kommen sollte.« Er zögerte einen Moment und sah Marina aufmerksam an. »Möchten Sie, daß ich Sie nach München begleite?«

      Marina senkte den Kopf. »Das kann ich doch nicht von Ihnen verlangen, Herr Doktor.«

      Dr. Daniel lächelte. »Natürlich können Sie das, Frau Schermann.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich schätze, es wird noch eine gute Stunde dauern, bis ich hier fertig bin. Setzen Sie sich einstweilen noch ins Wartezimmer. Unmittelbar nach der Sprechstunde fahren wir nach München, ja?«

      Marina errötete ein wenig, dann brachte sie ein Lächeln zustande. »Danke, Herr Doktor.« Sie zögerte, ehe sie hinzufügte. »Ich bin so froh, daß es Sie gibt.«

      *

      Dr. Georg Sommer kam gerade vom Mittagessen aus der Kantine, als Dr. Daniel mit Marina Schermann die Klinik betrat.

      »Robert, ich ahne Schreckliches!« erklärte er. »Wenn du meine Klinik betrittst, dann hat das nur selten etwas Gutes zu bedeuten.« Erst jetzt entdeckte er Marina. »Fräulein Kampe… nein, soweit ich mich erinnere, haben Sie ja geheiratet, oder?«

      Marina nickte. »Ja, Herr Doktor, ich heiße jetzt Schermann.«

      Der Name war Dr. Sommer natürlich ein Begriff, auch wenn er sich nichts anmerken ließ. Wer in München kannte die Schermann-Werke schließlich nicht?

      »Frau Schermann hat vorzeitige Wehen«, schwenkte Dr. Daniel jetzt auf den Grund seines Hierseins über.

      Besorgt runzelte Dr. Sommer die Stirn. »Welche Schwangerschaftswoche?«

      »Achtundzwanzigste«, antwortete Dr. Daniel.

      Dr. Sommer nickte, dann lächelte er Marina an. »Keine Angst, kleine Frau, das kriegen wir schon hin.« Fürsorglich legte er einen Arm um Marinas Schultern. »Ich bringe Sie jetzt gleich auf die Station. Und da halten Sie vorerst strikte Bettruhe. Wenn

Скачать книгу