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nicht gesehen, wie der Unfall passiert ist.« Er betrachtete sie forschend. »War es denn ein Selbstmordversuch?«

      Saskia schüttelte den Kopf. »Nein. Ich wollte nur in Ruhe gelassen werden.« Sie senkte den Blick. »Wissen Sie, eine Frau hat mich angesprochen. Sie war besorgt, aber…« Ein wenig hilflos zuckte sie die Schultern.

      Der Arzt zögerte einen Moment, dann fragte er: »Sind Sie allein hier in Köln?«

      Saskia nickte. »Seit einem Jahr. Vorher…« Sie beendete den Satz nicht, und der Arzt drängte sie auch nicht zum Weitersprechen.

      »Und wo sind Sie zu Hause?« wollte er wissen.

      »Nirgends.«

      Mit einem gütigen Lächeln sah Dr. Schuhmacher sie an. »Das gibt es doch gar nicht. Jeder Mensch hat eine Heimat.«

      »Eine Heimat«, wiederholte Saskia leise. »Ja, eine Heimat habe ich schon. Aber was soll ich da noch? Wahrscheinlich gibt es niemanden mehr, der sich an mich erinnert. Ich bin vor fast sieben Jahren weggegangen. Damals war ich achtzehn. Jetzt bin ich bald fünfundzwanzig.« Sie schüttelte den Kopf. »Was soll ich also dort?«

      »Leben Ihre Eltern noch?«

      Saskia schüttelte den Kopf. »Sie starben, als ich noch ein Kind war. Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen, aber die lebt inzwischen auch nicht mehr.«

      Grenzenloses Mitleid erfaßte Dr. Schuhmacher. Dieses Mädchen war so alt sie seine eigene Tochter. Wenn er sich Kirsten in einer solchen Situation vorstellte…

      »Vielleicht sollten Sie trotzdem in Ihre Heimat zurückkehren«, meinte er. »Ich bin sicher, daß es dort jemanden gibt, der sich an Sie erinnern wird. Schulfreunde vielleicht.«

      Saskia senkte den Kopf.

      »Stefan«, murmelte sie, dann sah sie Dr. Schuhmacher an und brachte plötzlich sogar ein Lächeln zustande. »Vielleicht haben Sie recht, Herr Doktor. Ich werde es versuchen.« Sie zuckte die Schultern. »Hier in Köln hält mich ohnehin nichts mehr. Ich bin seit heute arbeitslos, und das winzige Zimmer, in dem ich bisher gewohnt habe, wird mir bestimmt nicht fehlen.«

      *

      »Ricky?«

      Noch im Halbschlaf tastete Marina Schermann mit einer Hand zu dem Bett ihres Mannes hinüber, dann wälzte sie sich mit einem mühsamen Ächzen auf die andere Seite. Der dicke Bauch war wirklich überall im Weg, undMarina sehnte den Geburtstermin herbei – auch wenn sie gleichzeitig ein bißchen Angst davor hatte.

      »Ricky?« wiederholte sie ein wenig lauter.

      »Bin im Bad!« kam die Antwort ein wenig undeutlich. Richard Schermann, der allgemein nur Ricky genannt wurde, schien sich gerade die Zähne zu putzen.

      Marina richtete sich auf, schlug die Decke zurück und kam mit einiger Mühe und ein wenig schwerfällig aus dem Bett.

      Jetzt trat Ricky herein und lächelte seine Frau liebevoll an. Dabei konnte er sein Glück noch immer kaum fassen.

      Nach der schweren Enttäuschung, die er mit seiner ehemaligen Verlobten Livia Mangano erlebt hatte, hatte er eigentlich nicht mehr an ein solches Glück geglaubt, doch dann war er im Wartezimmer von Dr. Daniel der hübschen Marina begegnet und hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt.

      Auch Marina hatte zu diesem Zeitpunkt viele Enttäuschungen hinter sich gehabt, und so hatte es eine ganze Weile gedauert, bis sie sich ihrer Liebe zu Ricky bewußt geworden war. Jetzt konnte sie sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen, und wenn sie in Kürze ihr erstes Baby zur Welt bringen würde, dann würde ihrer beider Glück vollkommen sein.

      »Na, junge Mami, wie geht’s?« fragte Ricky jetzt, während er sich zu ihr hinunterbeugte und sie zärtlich küßte.

      »Wenn es noch besser ginge, könnte ich es nicht mehr aushalten«, behauptete Marina, dann seufzte sie. »Also allmählich nervt mich dieser Bauch. Wenn Dr. Daniel nicht immer wieder Ultraschallaufnahmen gemacht hätte, dann würde ich denken, ich bekomme Zwillinge. Wie kann ein so winziges Baby nur so viel Platz einnehmen?«

      Ricky lachte. »Ach, Liebling, ich finde, du siehst süß aus mit deinem Bäuchlein.«

      »Bäuchlein!« wiederholte Marina entsetzt. »Mein lieber Ricky, im Untertreiben bist du einsame Spitze. Das ist kein Bäuchlein mehr, sondern ein waschechter Bauch.« Dann mußte sie ebenfalls lachen. »Aber schließlich wollte ich es ja nicht anders.«

      »Eben.« Wieder nahm Ricky seine junge Frau in die Arme und küßte sie nochmals. »Was wünschen Gnädigste zum Frühstück?«

      Marina überlegte, dann grinste sie. »Einen Riesenpfannkuchen mit Erdbeermarmelade.«

      »Na, wenigstens nicht mit Senf«, entgegnete Ricky trocken. »In den letzten sieben Monaten habe ich mit dir ja schon die tollsten Sachen erlebt. Mitten im Sommer hattest du Appetit auf Lebkuchen. Eines Nachts um eins wolltest du plötzlich eine Pizza. Und Nudeln mit Käse und Ketchup entwickelte sich eine Weile zu deinem Lieblingsgericht.« Er schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Hoffentlich behältst du diese Gewohnheiten nicht bei, wenn das Baby erst da ist.«

      Marina lachte. »Bestimmt nicht.« Dann schmiegte sie sich zärtlich an ihren Mann. »Was ist jetzt, Ricky? Machst du mir meinen Pfannkuchen, bis ich geduscht habe?«

      Er küßte sie auf die Nasenspitze. »Natürlich, Liebes.« Dann sah er sie prüfend an. »Also, Pfannkuchen mit Erdbeermarmelade. Und du überlegst es dir innerhalb der nächsten fünf Minuten ganz bestimmt nicht anders?«

      Marina schüttelte den Kopf. »Ehrenwort!«

      Eine knappe halbe Stunde später kam sie in die Küche, nahm an der gemütlichen Eckbank Platz und verzehrte ihren Pfannkuchen.

      »Das war fein«, urteilte sie. »Und wenn du jetzt noch eine Essiggurke für mich hast, bin ich wunschlos glücklich.«

      Ricky stöhnte auf und fuhr sich mit einer Hand durch das dichte,

      dunkle Haar, das an den Schläfen schongraumeliert war, obwohl er erst siebenundzwanzig Jahre alt war.

      »Hoffentlich kommt das Baby wirklich bald!« seufzte er, betrat die kleine Speisekammer und holte ein Glas Essiggurken.

      Während Marina eine Gurke nach der anderen verzehrte, räumte Ricky den Tisch ab. Es machte ihm Spaß, seine Frau am Wochenende ein bißchen zu verwöhnen.

      »Es hat wohl nicht viel Sinn, wenn ich dich frage, was du heute mittag essen möchtest?« meinte er.

      Marina grinste. »Ich glaube nicht.«

      »Dann sollten wir vielleicht in den Goldenen Löwenhinübergehen«, überlegte Ricky.

      Marina nickte. »Das ist eine ausgezeichnete Idee. Lange werden wir sowieso nicht mehr Gelegenheit haben, auswärts zu essen. Wenn der Geburtstermin erst näherrückt…«

      »Na, bis dahin haben wir noch ein paar Wochen Zeit«, meinte Ricky. »Wann mußt du wieder zu Dr. Daniel?«

      »Morgen«, antwortete Marina.

      Ricky runzelte die Stirn. »Warum hast du mir das denn nicht früher gesagt, dann wäre ich nicht ins Werk gefahren. Mein Vater hätte sicher einen Tag auf mich verzichten können.«

      Liebevoll streichelte Marina sein markantes Gesicht. »Das ist doch Unsinn, Liebling. Wenn ich zu Dr. Daniel gehe, dann ist das ein Spaziergang von höchstens einer Viertelstunde. Das schaffe ich in meinem derzeitigen Zustand auch allein.«

      »Erlaube bitte, daß ich mir Sorgen mache«, meinte Ricky. »Immerhin bekomme ich mein erstes Kind.«

      Marina lachte. »Ich wußte noch gar nicht, daß du auch schwanger bist.«

      Ricky stimmte mit ein, dann erklärte er: »Du hast eindeutig zu wenig über Schwangerschaften gelesen. Werdende Väter sind in gewisser Weise auch in anderen Umständen.«

      »Aber den Wehenschmerz müssen wir Frauen allein aushalten«, konterte Marina.

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