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sprach er sie an.

      »Marina, ich finde es idiotisch, wie ein hungriges Hündchen hinter Ihnen herzulaufen«, erklärte er.

      »Dieser Meinung bin ich auch«, entgegnete Marina. »Wie wäre es, wenn Sie mich einfach in Ruhe lassen würden?«

      Ricky machte ein zerknirschtes Gesicht. »Marina, was habe ich Ihnen denn getan, daß Sie sich so abweisend verhalten? Ich finde Sie sympathisch und möchte mich mit Ihnen unterhalten… Sie näher kennenlernen. Was ist denn daran so schlimm?«

      »Ich will mit Männern nichts mehr zu tun haben«, erklärte Marina rundheraus. »Genügt Ihnen diese Erklärung nicht?«

      Ricky senkte den Kopf. »Sie muß mir wohl genügen.« Dann sah er das junge Mädchen an. »Wer hat Ihnen nur so weh getan? Welcher Mistkerl hat Sie so hart werden lassen?«

      Marina wandte sich ab. »Das geht Sie nichts an. Lassen Sie mich endlich in Ruhe.«

      Damit setzte sie ihren Weg fort. Ricky blieb zurück, wie sie es von ihm verlangt hatte, doch er war nicht bereit, so rasch aufzugeben. Marina mußte eine herbe Enttäuschung erlebt haben, aber Ricky war entschlossen, ihr zu beweisen, daß es auch andere Männer gab – Männer, die nicht nur von Liebe sprachen, sondern auch zu ihrem Wort standen. Und dabei verstand er sich selbst noch immer nicht so recht. Wie hatte er sich nach dem Verrat durch Livia so rasch wieder in eine Frau verlieben können? Und nicht nur das. Obwohl er Marina praktisch gar nicht kannte, spürte er, daß das Gefühl zu ihr schon jetzt viel tiefer saß, als er es bei Livia jemals empfunden hatte.

      *

      Marina wollte es sich nicht eingestehen, aber der junge Mann, der sie damals vor der Steinhausener Kirche angesprochen hatte, war ihr sympathisch. Und sie hatte sich schon manchmal gefragt, warum sie jeden seiner Annäherungsversuche abgeblockt hatte. Vielleicht wollte er sich ja wirklich nur mit ihr unterhalten… sie ein wenig näher kennenlernen.

      Dabei fragte sie sich, wie er wohl ihren Namen herausgefunden hatte. Sie selbst wußte noch gar nichts über ihn – außer, daß er wirklich blendend aussah und darüber hinaus eine Ausstrahlung besaß, die ihn einfach sympathisch machte. Dazu seine smaragdgrünen Augen, die trotz ihrer eigenwilligen Farbe so viel Wärme ausstrahlten… sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß er in der Lage war, irgend jemanden weh zu tun.

      »Er ist genauso wie alle anderen«, versuchte sich Marina selbst zu überzeugen. »Gerd war auch so liebenswürdig, als wir uns kennenlernten, und dabei…« Sie wollte diesen Gedanken gar nicht erst zu Ende führen. Er tat nur weh.

      »Frau Kampe, wie kommen Sie denn hier herauf?« Dr. Daniel lächelte sie an. »Es scheint, als würden Sie den Weg zu mir jetzt immer öfter finden.«

      Marina errötete, denn Dr. Daniel hatte genau ins Schwarze getroffen. Sie war nicht zufällig den Kreuzbergweg heraufgegangen, sondern hatte gehofft, Dr. Daniel zu treffen, obwohl es ja Sonntag war und er sicher sein freies Wochenende genießen wollte.

      »Ich habe also recht«, meinte Dr. Daniel schmunzelnd. »Sie wollten mich treffen, stimmt’s?«

      Marina zögerte, dann nickte sie. »Ja, Herr Doktor, es stimmt. Wissen Sie, ich bin in letzter Zeit so unsicher. Ich… ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.« Sie errötete wieder. »Ach, vergessen Sie es einfach. Es ist Sonntag, da wollen Sie sich bestimmt nicht um die Probleme einer Patientin kümmern.«

      »Die Probleme einer Patientin nehme ich immer ernst«, entgegnete Dr. Daniel. »Und gerade am Wochenende habe ich dafür besonders viel Zeit. Wollen wir wieder einen kleinen Spaziergang machen?«

      »Ja, Herr Doktor, gern.«

      Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, dann ergriff Dr. Daniel erneut das Wort.

      »Nun, Frau Kampe? Was bereitet Ihnen solche Probleme? Haben Sie die Sterilisation doch noch nicht so ganz verarbeitet?« Und noch während er diese Frage stellte, nahm er sich fest vor, ihr heute zu sagen, daß sich dieser Eingriff jederzeit wieder rückgängig machen lassen würde.

      »Nein, das ist es nicht«, entgegnete Marina rasch, und in diesem Moment verwarf Dr. Daniel seinen Plan sofort wieder. »Ich bin nach wie vor überzeugt, das Richtige getan zu haben. Es ist vielmehr…, es geht um den jungen Mann, von dem ich Ihnen einmal erzählt habe. Er verfolgt mich immer noch…, das heißt, jetzt nicht mehr so direkt wie zuvor, aber ich bin sicher, daß er mich ständig beobachtet.«

      »Haben Sie Angst vor ihm?« wollte Dr. Daniel wissen. »Wenn es so wäre, dann sollten Sie zur Polizei gehen.«

      »Nein, ich habe keine Angst vor ihm«, wehrte Marina sofort ab. »Ich bin sicher, daß er mir nichts Böses will – ganz im Gegenteil. Angst habe ich vor meinen eigenen Gefühlen. Ich will keinem Mann mehr Vertrauen schenken, weil ich mich vor einem weiteren Verrat fürchte. Und doch merke ich, wie dieser Mann meinen festen Vorsatz ins Wanken bringt. Ich weiß nicht einmal seinen Namen, und trotzdem fühle ich etwas ganz Eigenartiges für ihn.«

      Dr. Daniel überlegte eine Weile.

      »Vielleicht sollten Sie in diesem Fall ihm und auch Ihnen die Möglichkeit geben, einander näher kennenzulernen«, meinte er schließlich.

      Marina senkte den Kopf. »Davor habe ich aber auch Angst, Herr Doktor.«

      *

      Obwohl Ricky Schermann kaum noch Hoffnung hatte, wenigstens Marinas Sympathie zu erringen, fand er doch immer wieder den Weg nach Steinhausen. Aber es schien wirklich aussichtslos zu sein. Marina würdigte ihn keines Blickes. Er war offensichtlich Luft für sie.

      Dann kündigte sich der Winter an, und die Fahrten nach Steinhausen wurden immer beschwerlicher. Trotzdem zog es Ricky mit aller Macht auch weiterhin dorthin. Er hatte sich selbst eine Grenze gesetzt. Wenn es ihm nicht gelingen würde, bis Silvester mit Marina zumindest ins Gespräch gekommen zu sein, dann würde er tatsächlich endgültig aufgeben.

      Nachdem er bei seinen letzten Fahrten nach Steinhausen Marina nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte, schien ihm heute das Glück wenigstens in dieser Beziehung hold zu sein. Er hatte seinen Wagen gerade angehalten und den Motor abgestellt, als das junge Mädchen auf die Straße trat. Und so, wie sie gekleidet war, schien sie einen längeren Spaziergang geplant zu haben.

      Spontan stieg Ricky aus dem Auto und folgte ihr. Dabei kämpfte er mit sich, ob er sie ansprechen sollte oder nicht. Immerhin hatte er es ja schon einige Male versucht und jedesmal eine eisige Abfuhr bekommen. Aber weshalb sonst rannte er dann hinter ihr her? Ricky fand keine Antwort auf diese Fragen. Vermutlich folgte er einfach seinem Herzen, und das zog ihn nun einmal mit aller Macht zu Marina.

      Das junge Mädchen hatte einen flotten Schritt angeschlagen, doch jetzt, da sie die Steigung des Kreuzberges erreichte, wurde sie langsamer. Der Schnee lag hier ziemlich hoch und machte den Spaziergang zunehmend beschwerlich, doch hier oben war sie mit ihren Gedanken und Gefühlen wenigstens allein. Und dabei merkte sie nicht, daß sie einen Schatten hatte.

      Marina hätte später nicht mehr sagen können, wie es passiert war. Sie hatte die ganze Zeit auf den schneebedeckten Weg geachtet und mußte dennoch etwas übersehen haben, denn plötzlich stolperte sie und stürzte schwer. Im selben Moment fühlte sie einen stechenden Schmerz in ihrem linken Fuß. Sie schrie auf, dabei wußte sie doch, daß niemand hier oben war. Sie war vollkommen allein – so dachte sie zumindest.

      Um so erstaunter war sie, als im nächsten Moment jemand neben ihr niederkniete. Sie sah auf und direkt in das Gesicht des Mannes, den sie schon so oft gesehen hatte und von dem sie noch immer nicht den Namen wußte.

      »Haben Sie sich verletzt?« fragte er besorgt.

      Marina nickte. »Ja, ich glaube schon. Mein linker Fuß tut so weh. Ich muß ihn mir verstaucht haben… vielleicht auch ausgerenkt. Jedenfalls kann ich ihn nicht bewegen.«

      »Kein Problem«, meinte der junge Mann, dann nahm er sie kurzerhand auf die Arme. »Ich bringe Sie in den Ort hinunter. Da steht mein Wagen.«

      »Aber Sie können mich doch nicht den weiten Weg tragen«, protestierte Marina.

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