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läßt. Schließlich möchte ich jetzt endlich Enkelkinder haben. Seit fünf Jahren warte ich schon darauf.« Sie lehnte sich zurück und seufzte schwärmerisch. »Ach, so einem kleinen Babylein wieder mal die Flasche zu geben oder die Windeln zu wechseln.« Dann sah sie Martha und Pfarrer Wenninger an. »Und glaubt ja nicht, ich hätte das verlernt! Ganz genau weiß ich noch, wie man das alles macht. Schließlich war mein Horst ja auch mal klein.« Noch einmal seufzte sie. »Mit so einem Baby hätte ich dann endlich wieder eine richtige Aufgabe.«

      *

      Am Freitagmorgen machte sich Birgit Hertle auf den Weg zu Dr. Daniels Praxis. Das Herz schlug ihr dabei bis zum Hals, und bei jedem Schritt überlegte sie schon, ob sie nicht einfach wieder umkehren und den Termin sausen lassen sollte.

      Dann erreichte sie die weiße Villa, die ein wenig außerhalb des Ortes am Hang stand, und betrachtete das große Messingschild.

      Dr. Robert Daniel, Arzt für Gynäkologie, las sie leise, und wieder hatte sie das Bedürfnis zu flüchten. Doch dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und drückte auf den Klingelknopf neben dem Schildchen Praxis.

      Mit einem dezenten Summen sprang die schwere Eichentür auf, und Birgit gelangte in ein sehr modern eingerichtetes Vorzimmer. Die junge Empfangsdame sah ihr mit einem unverbindlichen Lächeln entgegen.

      »Guten Morgen«, grüßte Birgit ein wenig schüchtern. »Ich habe einen Termin. Hertle ist mein Name.«

      »Guten Tag, Frau Hertle«, grüßte die Empfangsdame freundlich, dann nahm sie die Versicherungskarte entgegen, um die Daten im Computer zu speichern, bevor sie sich der Patientin wieder zuwandte. »Nehmen Sie bitte noch einen Augenblick im Wartezimmer Platz. Frau Kaufmann wird Sie rufen, sobald der Herr Doktor für Sie Zeit hat.«

      Birgit nickte mechanisch, dann betrat sie das recht wohnlich eingerichtete Wartezimmer und nahm auf einem der bequemen Sessel Platz. Sie griff nach einer der ausgelegten Zeitschriften und blätterte sie gedankenlos durch, ohne etwas von dem Geschriebenen aufzunehmen.

      »Frau Hertle, bitte.«

      Die Stimme der Sprechstundenhilfe ließ Birgit erschreckt zusammenzucken. Hastig stand sie auf und folgte der vollschlanken Frau nach draußen und zum nächsten Zimmer. Die Sprechstundenhilfe ließ Birgit vorangehen und schloß die Tür, nachdem die Patientin eingetreten war. Im selben Moment erhob sich Dr. Daniel hinter seinem Schreibtisch und kam auf die junge Frau zu, um ihr zur Begrüßung die Hand zu reichen.

      »Bitte, nehmen Sie Platz«, bot er an, dann setzte auch er sich wieder und betrachtete seine Patientin mit einem – prüfenden Blick. Es war unschwer festzustellen, wie nervös Birgit war. »Nun, Frau Hertle, was kann ich für Sie tun?«

      Die warme, tiefe Stimme des Arztes erfüllte wieder einmal ihren Zweck. Birgit wurde merklich ruhiger und fühlte, wie sie Vertrauen zu Dr. Daniel faßte, obwohl sie sich aufgrund der Attraktivität des Arztes erst recht gehemmt fühlte, über ihr intimes Problem zu sprechen.

      »Ich… ich habe Schmerzen«, brachte Birgit ein wenig mühsam hervor. »Und… ich blute.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Haben Sie ständig Schmerzen?«

      Birgit schüttelte den Kopf. »Nein, nur wenn ich… wenn ich mit meinem Mann…« Sie errötete und schaffte es nicht, den Satz zu beenden.

      Doch Dr. Daniel begriff auch so. Und er bemerkte auch, wie sehr Birgit Hertle sich genierte, ihm gegenüber diese Dinge zu erwähnen. Impulsiv griff er über den Schreibtisch hinweg nach Birgits Hand.

      »Ich bin Gynäkologe, Frau Hertle«, erklärte er ruhig. »Und ich habe täglich mit den intimsten Problemen meiner Patientinnen zu tun. Das alles ist für mich so normal, als wenn Sie mit Ihrem Hausarzt über Schnupfen oder hohen Blutdruck sprechen.« Sein Lächeln erreichte auch seine gütigen blauen Augen. »Versuchen Sie also, mich nicht so sehr als Mann, sondern eher als Arzt zu sehen, ja?«

      Auch Birgit konnte jetzt lächeln. »Ja, Herr Doktor, ich werde mich bemühen. Allerdings… es fällt mir allgemein schwer, über diese Dinge zu sprechen. Ich hatte sogar Mühe, mich meiner Schwester anzuvertrauen.«

      Dr. Daniel vermutete, daß die junge Frau schon in ihrer Kindheit so erzogen worden war, daß man über diese Dinge nicht sprach. Und so sollte sie auch jetzt nicht gezwungen werden, weiter über ihr Problem zu sprechen.

      »Sehr viel mehr Erläuterungen sind auch gar nicht nötig, Frau Hertle«, erklärte Dr. Daniel aus diesen Gedanken heraus. »Ihre Andeutungen genügen schon, damit ich mir ein Bild machen kann. Es geht um das intime Zusammensein mit Ihrem Mann, und dabei haben Sie offensichtlich Schmerzen. Können Sie mir vielleicht noch sagen, wann diese Schmerzen auftreten? Und vielleicht gelingt es Ihnen auch, die Art der Schmerzen zu beschreiben – sind sie ziehend, stechend oder eher dumpf?«

      Birgit nickte. Was Dr. Daniel da verlangte, war für sie fast schon zuviel, aber sie sah natürlich ein, daß er diese Angaben brauchte, um sie behandeln zu können.

      »Es sind… bohrende Schmerzen, und sie treten immer… danach auf«, zwang sie sich zu sagen. »Nach ein bis zwei Stunden klingen sie wieder ab. Und wenn ich die Schmerzen habe, dann blutet es auch.«

      Dr. Daniel machte sich ein paar Notizen, während Birgit ihn ängstlich betrachtete.

      »Herr Doktor, seien Sie ehrlich, ist das… sehr schlimm?« fragte sie in banger Erwartung. »Ich meine… kann das… Krebs sein?«

      »Nein, Frau Hertle, das glaube ich nicht«, beruhigte Dr. Daniel sie sofort. »Zwischenblutungen könnten ein erstes Anzeichen für Krebs sein, aber Ihre Blutungen treten nur im Zusammenhang mit dem ehelichen Verkehr auf.« Er schwieg einen Moment. »Untersuchen muß ich Sie allerdings schon.«

      Birgit schluckte schwer. »Das habe ich mir schon gedacht.« Und dabei war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

      Forschend sah Dr. Daniel seine Patientin an. »Es scheint, als hätten Sie außerordentlich schlechte Erfahrungen mit Frauenärzten gemacht.«

      Birgit senkte den Kopf. »Vor einigen Jahren war ich bei einem Gynäkologen in München… wegen der Pille. Ich… ich hatte große Mühe, mich zu entspannen, und daraufhin hat er mich ziemlich dumm angeredet – so in der Art… wenn ich mit einem Mann zusammen sein kann, dann ist eine Untersuchung wohl auch kein Problem. Daraufhin konnte ich mich natürlich erst recht nicht mehr entspannen, und er war auch so entsetzlich grob. Es hat schrecklich weh getan.«

      Ärgerlich schüttelte Dr. Daniel den Kopf. Es war wirklich unfaßbar, was manche Gynäkologen mit ihrer mangelnden Sensibilität und ihrer Grobheit anrichteten.

      »Frau Hertle, Sie können versichert sein, daß Sie bei mir ein solches Verhalten nicht erleben werden«, erklärte Dr. Daniel ernst. Er stand auf. »Kommen Sie, Frau Hertle, wir wollen nach nebenan gehen.«

      Trotz der beruhigenden Worte des Arztes fühlte Birgit wieder, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug.

      »Nehmen Sie eigentlich die Pille?« wollte Dr. Daniel wissen, wäh­rend er ihr die Tür zum Untersuchungszimmer aufhielt.

      Birgit errötete.

      »Ja«, gestand sie leise.

      Dr. Daniel wußte sofort, was das bedeutete. »Ich fürchte, Sie haben sich dieses Medikament auf eine Art und Weise besorgt, die ich bestimmt nicht billigen würde.«

      Birgit konnte nur nicken.

      »Da werden wir auch Abhilfe schaffen«, meinte Dr. Daniel. »Ich werde Ihnen heute ein entsprechendes Rezept mitgeben, und für die Zukunft hoffe ich, daß Sie regelmäßig zu mir kommen werden.«

      Es widerstrebte Birgit, eine solche Zusage zu machen. Sicher, Dr. Daniel war sehr nett, aber noch wußte sie nicht, ob die körperliche Untersuchung bei ihm vielleicht ebenso schmerzhaft sein würde wie bei dem Gynäkologen, den sie vor etlichen Jahren einmal aufgesucht hatte.

      Dr. Daniel verstand ihr Zögern nur zu gut. Nach so schlechten Erfahrungen waren Frauen verständlicherweise sehr zurückhaltend, wenn es um regelmäßige Arztbesuche ging.

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