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wird’s aber höchste Zeit«, urteilte Karina, während sie ihr Auto bestieg.

      Über eine Privatstraße erreichten sie den kleinen Ort Wallgau und gelangten über Garmisch-Partenkirchen ins Graswangtal.

      »Ich ahne, was jetzt kommt«, erklärte Markus grinsend. »Wir wandeln auf den Spuren von König Ludwig II. von Bayern, habe ich recht?«

      Karina nickte. »Ich bin hoffnungslos romantisch, weißt du. Und das Leben und Sterben des bayrischen Märchenkönigs hat mich schon als Kind immer fasziniert. Meine Mutter hat mir oft von ihm erzählt.« Sie sah Markus kurz an. »Kennst du die Königsschlösser?«

      Markus schüttelte den Kopf. »Ich will ehrlich sein, Karina, für eine Schloßbesichtigung hatte ich nie viel übrig, aber mit dir zusammen ist es anders. Da freue ich mich schon richtig darauf.«

      Karina lächelte ihn an, dann warf sie einen raschen Blick auf ihre Armbanduhr.

      »Ich würde vorschlagen, daß wir erst nach Oberammergau hineinfahren und zum Essen gehen.«

      »Ausgezeichnete Idee«, stimmte Markus sofort zu. »Ich sterbe schon gleich vor Hunger.«

      Als sie sich dann gestärkt hatten, steuerte Karina Schloß Linderhof an, und obwohl sich Markus für König Ludwig nie sonderlich interessiert hatte, zog ihn das herrlich gelegene weiße Schloß sofort in seinen Bann.

      »Seltsam«, meinte er. »Ich habe für Prunk nicht viel übrig, aber

      hier… ich glaube, hier könnte ich mich wohl fühlen.«

      Karina nickte. »So geht es mir auch. Ich kenne alle Schlösser von König Ludwig, aber Linderhof ist mit Abstand das schönste… das wohnlichste.« Dann wies sie zu dem Bassin mit der goldenen Floragruppe, aus der sich in diesem Augenblick die dreißig Meter hohe Fontäne erhob. »Sieh nur, wie schön sie ist.«

      Und während sie dieses imposante Schauspiel noch verfolgten, fanden sich wie zufällig ihre Hände. Karina und Markus tauschten einen Blick, doch bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, begann schon die Führung durch das Schloß. Und obwohl sie schon ein paarmal hier gewesen war, war Karina wieder voller Begeisterung bei der Sache. Markus beobachtete sie, sah ihre leuchtenden Augen und wußte in diesem Moment, daß er nie ein Mäd­chen so sehr geliebt hatte wie Karina. Unter all den vielen Menschen hier im Schloß sah er nur sie allein.

      Dann war die Führung durch Linderhof zu Ende. Die Gruppe sollte sich zur Venusgrotte hinaufbegeben.

      »Venusgrotte?« wiederholte Mar­kus fragend.

      Karina lächelte. »Das ist eine künstlich angelegte Tropfsteinhöhle. Du wirst begeistert sein, Markus.«

      Karina kannte sich hier schon bestens aus, und so spazierten sie wenig später nebeneinander durch das französische Gärtchen an der Ostseite des Schlosses.

      »Hübsch, nicht wahr?« meinte Karina, während sie die Gruppe Venus und Adonis im Mittelpunkt des Gärtchens betrachtete und ihren Blick dann über die Elemente gleiten ließ, die längs des Weges dargestellt waren, dann wies sie auf die vergoldete Springbrunnenfigur, die ihre Liebespfeile verschickte. »Diesen kleinen Amor finde ich besonders reizend.«

      Markus nickte. »Und es scheint, als hätte er mich voll getroffen.«

      Überrascht wandte Karina ihm ihr Gesicht zu. Was Markus eben gesagt hatte, war eine Liebeserklärung ganz besonderer Art.

      »Meinst du das… ehrlich?« fragte sie leise.

      Da hob er eine Hand und strich durch ihr langes goldblondes Haar.

      »Ja, Karina, noch nie war es mir mit etwas so ernst wie mit diesen Worten«, erklärte er, dann beugte er sich zu ihr hinunter und küßte sie sehr zart auf die Lippen.

      Und Karina wußte in diesem Augenblick überhaupt nicht, was sie denken sollte. Seit sie heute früh mit Markus losgefahren war, hatte sie sowohl den Kuß als auch

      die Liebeserklärung herbeigesehnt, doch jetzt, da es soweit war, war sie sich ihrer Gefühle wieder nicht mehr sicher.

      »Ich liebe dich«, raunte Markus ihr ins Ohr, und anstatt sich über diese Worte zu freuen, erschreckten sie Karina.

      Liebe. Sie war nicht sicher, ob das, was sie für Markus empfand, wirklich Liebe war. Irgendwie hatte sie es sich anders vorgestellt – gewaltiger, aber auch mehr rosarot und himmelblau.

      »Ich liebe dich auch, Markus«, hörte sie sich sagen und wußte nicht, wie sie dazu kam, etwas auszusprechen, was sie vielleicht gar nicht wirklich empfand. Aber noch bevor sie sich weitere Gedanken machen konnte, hatte Markus sie schon in die Arme genommen, und Karina hoffte nur, daß sie jetzt keinen Fehler machte.

      *

      Es war ein kühler März-Abend, und Dr. Daniel hatte es sich gerade im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Irene trug ein Tablett mit Teegläsern und einer Kanne herein, dann wollte sie sich ebenfalls setzen, doch das Klingeln an der Tür hielt sie davon ab.

      »Das ist doch zum…« Irene verschluckte den Rest des Satzes, dann sah sie ihren Bruder fast vorwurfsvoll an. »Hat man denn nicht mal am Abend seine Ruhe?«

      »Ich kann doch auch nichts dafür«, meinte Dr. Daniel und machte Anstalten aufzustehen, aber Irene winkte ab.

      »Bleib nur, Robert. Du hast den ganzen Tag genug gearbeitet«, entgegnete sie, dann fügte sie drohend hinzu: »Und wer immer da draußen steht – ich werde ihn zum Teufel schicken. So wahr ich Irene Hansen heiße!«

      Irene machte ihre Drohung nicht wahr, denn schon wenig später betrat sie das Wohnzimmer in Begleitung des Pfarrers.

      Dr. Daniel stand auf und kam seinem späten Gast entgegen.

      »Hochwürden, das ist aber eine Überraschung«, meinte er.

      Pfarrer Wenninger trat mit langen Schritten zu ihm und schüttelte ihm kräftig die Hand. »Sie müssen entschuldigen, daß ich Sie so spät noch störe, aber es ist wirklich außerordentlich wichtig.«

      »Sie stören nie, Hochwürden«, entgegnete Dr. Daniel mit einem Seitenblick zu seiner Schwester. »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Möchten Sie auch eine Tasse Tee oder lieber etwas anderes?«

      »Nein, ein heißer Tee mit Rum wäre jetzt genau das Richtige für mich.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Ich hoffe, daß meine Schwester noch Rum im Haus hat.«

      Irene nickte. »Natürlich. Ein Schlückchen ist schon noch da.«

      Wenig später brachte sie das Gewünschte, und der Duft, der gleich darauf durch den Raum zog, bewies nur zu deutlich, daß es schon eher ein großer Schluck Rum gewesen sein mußte, den sie dem Pfarrer in den Tee gekippt hatte.

      Klaus Wenninger probierte und seufzte dann genüßlich auf. »Hervorragend, Frau Hansen, wirklich ganz hervorragend.«

      Dieses Kompliment versöhnte Irene wieder mit der späten Störung, die der Pfarrer mit sich gebracht hatte, und diskret zog sie sich zurück, damit sich die beiden Männer ganz ungestört unterhalten konnten. Sie ahnte schon, daß es ein längeres Gespräch werden würde. Hochwürden Wenninger suchte ihren Bruder zwar selten auf, aber wenn er es tat, dann dauerte dieser Besuch immer seine Zeit.

      Kaum hatte Irene das Zimmer verlassen, da wandte sich Klaus Wenninger auch schon Dr. Daniel zu.

      »Ich stehe vor einem Problem, Herr Doktor«, erklärte er ohne große Umschweife. »Vor ein paar Wochen ist eine alte Freundin von meiner Schwester Martha und mir hierher nach Steinhausen gezogen. Zufälligerweise… das heißt, vermutlich war es alles andere als ein Zufall, daß Martha mich gerade zu dieser Zeit mit ihrem Besuch beglückte. Und dieses Vergnügen werde ich offensichtlich noch eine ganze Weile genießen können.«

      Dr. Daniel konnte nur mit Mühe ein amüsiertes Lächeln unterdrücken, denn dem Ton nach zu schließen, in dem der Pfarrer gesprochen hatte, bereitete ihm der Besuch seiner Schwester alles andere als Vergnügen.

      »Aber das

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