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Robert«, meinte Irene kopfschüttelnd. »Du arbeitest zuviel. Ich bin froh, wenn Stefan endlich sei nen Facharzt hat und dich ein bißchen entlasten kann.«

      Dr. Daniel winkte ab. »Bis dahin vergehen noch mindestens sieben Jahre.« Mehr wollte er zu diesem Thema nicht sagen. Die Diskussionen mit seinem Sohn reichten ihm schon seit langem voll und ganz.

      Doch auch als Dr. Daniel im Bett lag, ging ihm Leandra Schütz nicht aus dem Kopf. Ruhelos wälzte er sich hin und her und fragte sich, wie es ihr wohl gehen mochte. Irgendwann fiel er dann doch in einen unruhigen Schlaf, aus dem ihn erst das Klingeln des Weckers riß. Er fühlte sich wie gerädert, und die Aussicht auf einen stressigen Vormittag besserte seinen Zustand auch nicht gerade.

      Hastig duschte er und kleidete sich an, trank im Stehen noch eine Tasse Kaffee und brachte mit Mühe eine Scheibe Toast hinunter, bevor er in die Praxis eilte.

      »Guten Morgen, die Damen«, grüßte er seine beiden Mitarbeiterinnen, dann zog er sich sofort ins Sprechzimmer zurück.

      »Der sieht heute aber gar nicht gut aus«, stellte Gabi Meindl fest, dann grinste sie. »Ob er die Nacht durchzecht hat?«

      Die Sprechstundenhilfe bedachte sie mit einem mißbilligenden Blick. »Also bitte, Frau Meindl, ich glaube nicht, daß sich der Chef die Nächte um die Ohren schlägt.«

      »Meine Güte, es war ja nicht so gemeint, Frau Kaufmann«, entgegnete Gabi entschuldigend. »Ich wollte nur einen kleinen Scherz machen.«

      »Ein makabrer Scherz«, urteilte Lena Kaufmann, dann schlüpfte sie in ihren weißen Kittel und zog sich ins Labor zurück. Gabi schnitt ihr eine Grimasse hinterher, bevor sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrierte.

      In diesem Moment erschien die erste Patientin. Sie war der Empfangsdame bekannt, und daher wußte diese auch, daß die junge Frau für heute nicht angemeldet war.

      »Guten Morgen, Frau Burgner«, grüßte Gabi freundlich, doch die Frau war zu nervös, um diese Freundlichkeit zu erwidern.

      »Kann ich den Herrn Doktor sprechen?« platzte sie heraus. »Es wäre sehr dringend.«

      Gabi unterdrückte mit Mühe einen Seufzer. Der Terminkalender war wieder mal randvoll, aber sie konnte die Frau ja nicht gut wegschicken. Und so zwang sie sich zu einem Lächeln.

      »Natürlich, Frau Burgner. Nehmen Sie noch einen Moment im Wartezimmer Platz. Frau Kaufmann wird Sie dann holen.«

      Silvia Burgner bedankte sich mechanisch und eilte ins Wartezimmer. Es dauerte nicht lange, bis sie von Lena Kaufmann ins Sprechzimmer gebracht wurde. Mit einem freundlichen Lächeln kam Dr. Daniel ihr entgegen und reichte ihr die Hand.

      »Nun, Frau Burgner, was kann ich für Sie tun?« fragte er.

      »Herr Doktor, ich habe einen Knoten in der Brust«, platzte Silvia sofort heraus. »Ist das Krebs?«

      »Langsam, langsam, Frau Burgner«, versuchte Dr. Daniel sie zu beschwichtigen. »So schnell kann ich das nicht beurteilen. Da gehen wir gleich mal ins Untersuchungszimmer hinüber, dann schaue ich mir die Sache an.«

      Silvia stand so hastig auf, daß der Stuhl nach hinten kippte. Mit einer gestammelten Entschuldigung hob sie ihn wieder auf, dann folgte sie Dr. Daniel ins Untersuchungszimmer und schlüpfte ohne Aufforderung aus Bluse und Büstenhalter.

      »Die rechte ist es«, erklärte sie, doch Dr. Daniel tastete beide Brüste genau ab.

      »Sie haben recht, Frau Burgner«, erklärte er dann. »Der Knoten in der rechten Brust ist eindeutig zu ertasten.« Er griff nach den zitternden Händen der jungen Frau und hielt sie einen Augenblick lang fest. »Beruhigen Sie sich doch, Frau Burgner. Ein solcher Knoten bedeutet nicht zwangsläufig Krebs. Es kann sich auch um eine ganz harmlose Mastopathie handeln – eine Schwellung oder eine Zyste. Ich werde Sie in die Thiersch-Klinik in München überweisen. Dort wird man eine Mammographie machen und Sie gegebenenfalls gleich dortbehalten, wenn eine Operation nötig sein sollte.«

      Hastig schüttelte Silvia den Kopf. »Aber… das geht nicht, Herr Doktor. Ich kann nicht ins Krankenhaus.«

      Erstaunt sah Dr. Daniel sie an. »Und warum nicht?«

      »Ich habe zwei kleine Kinder… Und mein Mann…, es…, es geht einfach nicht!«

      Nachdenklich fuhr sich Dr. Daniel mit einer Hand durch das dichte blonde Haar. »Tja, Frau Burgner, ich fürchte, um eine genaue Untersuchung kommen Sie nicht herum. Und ich habe hier in der Praxis nicht die Möglichkeiten, diese Untersuchung durchzuführen. Durch Abtasten allein kann ich aber nicht feststellen, ob es sich um eine harmlose Schwellung oder einen bösartigen Tumor handelt. Verstehen Sie doch, Frau Burgner, Sie könnten durchaus in Lebensgefahr geraten, wenn Sie diese Untersuchung im Krankenhaus ablehnen.«

      Heftig schüttelte Silvia den Kopf. »Ich lehne sie ja nicht ab, Herr Doktor. Ich weiß nur nicht, wie ich es machen soll. Ich habe zwei kleine Kinder, und mein Mann kann sich im Augenblick einfach nicht freinehmen. Und sonst habe ich niemanden.«

      »Wo sind die Kinder denn jetzt?« wollte Dr. Daniel wissen.

      »Bei meiner Nachbarin«, antwortete Silvia, »aber die ist schon über siebzig, und meine beiden können gelegentlich sehr anstrengend sein.«

      Dr. Daniel überlegte einen Moment, dann meinte er: »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Frau Burgner. Sie fahren mit der Überweisung, die ich Ihnen ausstelle, sofort nach München in die Thiersch-Klinik. Ich werde anrufen und Sie ankündigen, dann kann die Untersuchung gleich stattfinden. Und wenn sich kein negativer Befund ergibt…«

      »Und wenn doch?« warf Silvia angstvoll dazwischen.

      Dr. Daniel lächelte. »Daran wollen wir jetzt gar nicht denken. Das Ergebnis der Untersuchung werden Sie ohnehin erst in ein oder zwei Tagen bekommen. Bis dahin läßt sich vielleicht auch irgend etwas arrangieren.«

      Niedergeschlagen senkte Silvia den Kopf. »Ich glaube es kaum.« Dann sah sie den Arzt an. »Gut, ich fahre gleich nach München. Und vielleicht ist ja wirklich alles ganz harmlos.«

      *

      Der Vormittag hielt für Dr. Daniel noch eine weitere Überraschung bereit. Kaum hatte Silvia Burgner sein Sprechzimmer verlassen, da trat schon die nächste unangemeldete Patientin ein: Leandra Schütz.

      Dr. Daniel erschrak beim Anblick der jungen Frau. War sie bei ihrem letzten Besuch vor drei Monaten schon blaß gewesen, so schien ihre Haut jetzt fast durchsichtig zu sein, und sie mußte sich schwer auf ihren Mann stützen.

      Rasch kam Dr. Daniel um seinen Schreibtisch herum und griff helfend zu.

      »Herr Doktor, bitte, helfen Sie mir«, flüsterte Christian Schütz ihm nahezu unhörbar ins Ohr. »Sie stirbt jeden Tag ein bißchen mehr. Sie quält sich, sie leidet…, ich halte das nicht mehr aus.«

      Dr. Daniel nickte dem jungen Mann verständnisvoll zu, dann wandte er sich an Leandra.

      »Sie fühlen sich sehr schlecht?«

      Leandra nickte, dann brach sie in Tränen aus. »Ich werde nicht schwanger! Bitte, Herr Doktor, tun Sie doch etwas! Ich muß ein Baby bekommen…, ich muß einfach!«

      Bedauernd schüttelte Dr. Daniel den Kopf. »Da kann ich nichts tun, Frau Schütz. Sie haben keinen Eisprung, und vor allen Dingen sind Sie in Ihrem jetzigen Zustand viel zu geschwächt, um eine Schwangerschaft durchzustehen.«

      Mit brennenden Augen sah Leandra den Arzt an. »Heißt das…, ich muß sterben… ohne daß ich…« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.

      »Frau Schütz, hören Sie mir jetzt gut zu«, erklärte Dr. Daniel eindringlich. »Lassen Sie sich von Ihrem Mann in die Klinik bringen – und zwar auf dem schnellsten Weg.«

      Starrköpfig schüttelte Leandra den Kopf. »Nein! Wenn ich erst in der Klinik bin, werden sie mich zugrunde richten, und ich kann kein Baby mehr bekommen.«

      »Sie können auch außerhalb der Klinik kein Baby bekommen«, entgegnete Dr.

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