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ist nicht wie sein Vater«, meinte Dr. Metzler. »Der alte Bergmann hat damals den Tod meines Vaters einfach so weggesteckt. Es war für ihn nichts weiter als ein Unglück, obwohl seine mangelnden Sicherheitsvorkehrungen diesen Unfall verursacht hatten. Rainer jedoch wird Gerold Brücks Tod nur schwer verwinden, obgleich ihn an dem schrecklichen Unglück keine Schuld trifft. Die CHEMCO ist sicher – soweit man das von einem Chemiewerk überhaupt sagen kann. Was in Brücks Labor passiert ist, war ein tragischer Unfall. Trotzdem finanziert Rainer den Bau der Waldsee-Klinik, weil er sich schuldig fühlt und diese Schuld irgendwie gutmachen möchte.«

      Dr. Daniel sah den jungen Arzt neben sich an. »Das klingt, als würdest du oft mit ihm sprechen.«

      Dr. Metzler nickte. »Rainer ist mein Freund, und ich versuche, ihm zu helfen, soweit es in meiner Macht steht. Ich will nicht, daß er an Gerold Brücks Tod zugrunde geht.«

      »Das wird nicht ganz einfach sein«, befürchtete Dr. Daniel, »vor allem, weil Gerold nicht hätte sterben müssen, wenn der Krankenwagen von der Kreisklinik früher eingetroffen wäre.«

      Dr. Metzler winkte ab. »Das haben wir doch alles schon hundertmal durchgekaut. Und das ist ja auch der Grund, weshalb nun endlich diese Klinik hier entsteht.«

      Dr. Daniel lächelte. »Damit erfüllt sich endlich dein langgehegter Traum.«

      »Deiner aber auch«, entgegnete Dr. Metzler schmunzelnd. »Immerhin wirst du jetzt endlich Belegbetten bekommen.« Daß er mit Dr. Daniel noch ganz andere Pläne vorhatte, verschwieg er vorsichtshalber.

      Der Arzt lächelte. »Ja, Wolfgang, darauf freue ich mich schon. Jetzt kann ich meine Patientinnen endlich auch nach Operationen oder Geburten betreuen. Das habe ich mir schon immer gewünscht.« Sinnend betrachtete er den zweistöckigen Bau, vor dem sie jetzt standen. »Wer hätte gedacht, daß Steinhausen einmal eine Klinik bekommen würde?«

      »Ich«, antwortete Dr. Metzler mit Überzeugung. Er blickte an der Ziegelfassade empor. »Seit Beginn meines Studiums habe ich darauf hingearbeitet, und nur aus diesem Grund bin ich nach Amerika, Japan und China gegangen. Ich wußte, daß ich irgendwann eine eigene Klinik haben würde, und ich wußte auch, daß diese Klinik in Steinhausen stehen würde.« Er lächelte. »Allerdings hätte ich nicht gedacht, daß sie von einem der Bergmanns finanziert werden würde.«

      Dr. Daniel lachte. »Das glaube ich dir gern.« Er legte Dr. Metzler eine Hand auf die Schulter. »Kommst du noch mit auf eine Tasse Kaffee?«

      Dr. Metzler warf einen letzten Blick auf die entstehende Klinik, dann nickte er. »Gern, Robert.«

      Zusammen gingen sie den Weg zu Dr. Daniels Villa zurück. Sie hatten sie noch nicht ganz erreicht, als die Tür aufging und ein fünfzehnjähriges Mädchen herauslief. Es war Carmen Brück, die Tochter des Chemikers, der vor wenigen Monaten in der CHEMCO ums Leben gekommen war.

      »Onkel Robert!« rief sie schon von weitem. »Beeil dich! Tante Irene ist bitterböse, weil du einfach weggegangen bist, ohne etwas zu sagen.«

      Das schlechte Gewissen rührte sich in Dr. Daniel. Normalerweise verließ er das Haus nicht, ohne seiner Schwester kurz Bescheid zu sagen.

      »Lauf zu ihr und sag ihr, daß ich einen Gast mitbringe, der ihr köstliches Abendessen bestimmt nicht verschmähen wird«, meinte Dr. Daniel. »Dann ist sie bestimmt gleich wieder versöhnt.«

      Carmen nickte eifrig und kehrte ins Haus zurück.

      »Die Kleine scheint sich bei euch recht wohl zu fühlen«, stellte Dr. Metzler erfreut fest.

      »Ja, und ich bin froh, daß ich das Sorgerecht für sie bekommen habe, obwohl wir ja nicht mit ihr verwandt sind«, meinte Dr. Daniel, dann lächelte er. »Es rührt mich immer wieder, wenn sie so selbstverständlich Onkel Robert und Tante Irene sagt.« Er schwieg kurz. »In Irene ist sie sowieso ganz verliebt.«

      Dr. Metzler lächelte. »Deine Schwester ist auch eine sehr liebenswerte Person.«

      »Ich doch hoffentlich auch«, entgegnete Dr. Daniel mit gespielter Entrüstung.

      Da mußte Dr. Metzler lachen. »Natürlich, Robert. Du bist überhaupt der liebenswerteste Mensch, den ich kenne.«

      Auch Dr. Daniel lachte. »Übernimm dich nur nicht, Wolfgang. So, und jetzt beeilen wir uns wohl besser, bevor die liebenswerte Irene uns das Abendessen nachwirft.«

      *

      Patricia Gerhardts Worte gingen Dr. Scheibler nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte das Bedürfnis, ihr in irgendeiner Weise zu helfen, doch das war nicht das einzige, was ihn in diesen Tagen bewegte. Wenn Patricia recht haben sollte und Dr. Heller tatsächlich einen Fehler gemacht hätte – das würde ihm Professor

      Thiersch niemals verzeihen. Und vermutlich wäre Dr. Heller dann die längste Zeit Oberarzt gewesen.

      Das hieße für mich, daß die Stelle als Oberarzt frei wäre, führte Dr. Scheibler den Gedankengang weiter. Und als dienstältester Stationsarzt hier an der Klinik würde ich die Stelle höchstwahrscheinlich bekommen – auch wenn ich selbst erst sieben-unddreißig bin…

      Dr. Scheibler stand auf und holte sich Patricias Krankenakte. Bereits beim ersten Durchblättern fiel ihm auf, daß der Operationsbericht noch nicht enthalten war. Bedeutete das vielleicht, daß Dr. Heller tatsächlich ein Fehler unterlaufen war? Normalerweise lag der OP-Bericht nämlich schon am nächsten Tag in den Akten – darauf legte Professor Thiersch den allergrößten Wert. Er wollte über die Patienten in seiner Klinik immer bestens informiert sein.

      Gewissenhaft blätterte Dr. Scheibler die Akte nun zum zweiten Mal durch. Sie enthielt nicht sehr viel, aber immerhin einen Bericht von Dr. Daniel, der besagte, daß bei Patricia Gerhardt aller Wahrscheinlichkeit nach eine Eileiterschwangerschaft vorlag. Auch von beginnenden ziehenden Schmerzen, die sich bereits bis zur Schulter hinaufzogen, war die Rede. Doch mit keinem Wort war erwähnt, daß das befruchtete Ei den Eileiter gesprengt haben könnte. Und das bedeutete, daß Dr. Heller den Eileiter unnötigerweise entfernt hatte. Deshalb hielt er wahrscheinlich auch den Operationsbericht zurück.

      Es drängte Dr. Scheibler, den Chefarzt sofort aufzusuchen, doch dann überlegte er es sich anders. Er würde Dr. Heller noch bis morgen Zeit geben. Falls der OP-Bericht dann immer noch fehlte, würde er Professor Thiersch informieren. Alles weitere ging dann sicher seinen geregelten Weg.

      Und in spätestens einem Monat werde ich Oberarzt sein, dachte Dr. Scheibler zufrieden. Das war schließlich schon immer sein großes Ziel gewesen, und dafür hatte er auch so manche Grobheit von Professor Thiersch eingesteckt.

      *

      Zur selben Zeit saß Dr. Rolf Heller vor dem Operationsbericht, den er über den Eingriff bei Patricia Gerhardt verfaßt hatte. Die Verzweiflung der jungen Frau hatte ihn so sehr angerührt, daß er plötzlich an sich zu zweifeln begonnen hatte. War es denn wirklich unbedingt nötig gewesen, den Eileiter zu entfernen?

      In Gedanken ging er die Operation Schritt für Schritt noch einmal durch. Jeden Handgriff erlebte er wieder aufs Neue. Die extrem starken Blutungen… dann hatte er abgeklemmt, aber es hatte trotzdem weitergeblutet. Nein, es hatte keine andere Möglichkeit für ihn gegeben. Wenn er den Eileiter nicht entfernt hätte, wäre Patricia Gerhardt unweigerlich verblutet.

      Dr. Heller griff nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer.

      »Praxis Dr. Daniel!« meldete sich eine sympathische Frauenstimme.

      »Thiersch-Klinik, Dr. Heller«, erklärte er knapp. »Kann ich Dr. Daniel bitte sprechen?«

      »Einen Augenblick«, bat die Dame am Telefon, dann knackte es in der Leitung, und wenig später meldete sich Dr. Daniel mit seiner tiefen, warmen Stimme.

      »Hier Heller«, gab der Oberarzt sich zu erkennen. »Es geht um Frau Gerhardt.«

      »Ist etwas passiert?« fragte Dr. Daniel erschrocken.

      »Nein… das heißt, ja, eigentlich doch, aber… Herr Kollege, ich… ich bin plötzlich unsicher geworden«, gestand Dr. Heller. »Frau Gerhardt war bewußtlos,

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