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du ihn fragen«, beharrte Anke. »Ich bin sicher, daß du mit ihm einen erstklassigen Arzt hättest.«

      Zwei Tage rang Rainer mit sich, dann suchte er die kleine Dachwohnung auf, die Wolfgang gemietet hatte.

      »Rainer, das ist aber eine Überraschung«, meinte Dr. Metzler, dann bat er ihn herein. »Wie geht’s der Familie?«

      »Ausgezeichnet, danke«, zwang sich Rainer zu antworten. Er war ein wenig befangen. Schließlich hatte er Wolfgang seit Ankes Entbindung nicht mehr gesehen. »Übrigens noch danke, daß du…«

      »Komm, hör auf«, fiel Dr. Metzler ihm ins Wort. »Es war selbstverständlich, daß ich deine Frau in die Klinik gebracht habe.« Aufmerksam sah er Rainer an. »Das ist auch sicher nicht der Grund für dein Hiersein, oder?«

      Rainer atmete tief durch. »Ich bin gekommen, um dir ein Angebot zu machen – vorausgesetzt, du bist noch arbeitslos.«

      Dr. Metzler lächelte. »So könnte man es ausdrücken. Dr. Gärtner hat mir zwar seine Praxis angeboten, aber…« Er zucke die Schultern. »Ich habe andere Pläne.«

      »Das heißt, daß ich umsonst gekommen bin«, entgegnete Rainer niedergeschlagen, dann winkte er ab. »Ich hätte es mir ja denken können. Um den Job reißt sich sowieso keiner.«

      Forschend sah Dr. Metzler ihn an.

      »Es geht also um die CHEMCO«, vermutete er. »Und da du zu mir kommst, nehme ich an, daß du einen Werksarzt brauchst.« Er lächelte. »Dein Vertrauen ehrt mich, aber…«

      »Aber du lehnst ab«, vollendete Rainer seinen angefangenen Satz.

      Dr. Metzler seufzte. »Schau mal, Rainer, es geht ja nicht gegen dich. Es ist vielmehr… du weißt, was mit meinem Vater geschehen ist, daß er nicht hätte sterben müssen, wenn eine Klinik in der Nähe gewesen wäre – und zwar eine Klinik, die auf Unfälle dieser Art eingerichtet ist. Eine solche Klinik möchte ich bauen – hier in Steinhausen.«

      Fassungslos starrte Rainer ihn an. »Du willst…« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Meine Güte, da hast du dir ja was vorgenommen. Woher willst du das Kapital für eine solche Klinik nehmen? Oder hast du einen reichen Gönner im Hinterhalt?«

      Dr. Metzler schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Und ich selbst verfüge auch nicht über genügend Kapital. Aber ich bin ehrgeizig und äußerst zielstrebig. Und diese Klinik ist seit Papas Tod mein großes Ziel. Nur deshalb bin ich Arzt geworden, und nur deshalb war ich im Ausland – an den besten Kliniken der Welt. Ich habe mich intensiv auf meine künftige Aufgabe vorbereitet, und irgendwann werde ich mein Ziel erreichen.«

      Rainer sah ihn mit einem Blick an, der etwas wie Bewunderung ausdrückte. »Ja, das wirst du sicherlich.« Dann stand er auf. »Ich wünsche dir viel Glück und… wenn du irgendwann doch einmal Arbeit brauchen solltest, dann findest du hoffentlich den Weg zu mir.«

      Dr. Metzler erhob sich ebenfalls und gab ihm die Hand. »Ganz bestimmt, Rainer.«

      *

      Das Gespräch mit Rainer ließ Dr. Metzler keine Ruhe. Sicher, er wollte seine eigene Klinik um jeden Preis, andererseits konnte er nicht einfach nichts tun und darauf warten, daß ihm das benötigte Kapital irgendwann zur Verfügung gestellt würde.

      »Werksarzt in der CHEMCO«, murmelte er vor sich hin, dann schüttelte er den Kopf. Es zog ihn halt so gar nicht in die Firma, in der sein Vater einst ums Leben gekommen war.

      Dann stand er plötzlich entschlossen auf und verließ seine Wohnung. Er würde noch einmal mit Rainer sprechen. Vielleicht würde er sich dann leichter entscheiden können.

      Doch noch auf dem Weg zu dem kleinen Haus, das Rainer jetzt bewohnte, änderte Dr. Metzler sein Vorhaben und fuhr statt dessen die steile Auffahrt zur Villa von Dr. Daniel hinauf.

      Die Sprechstunde war gerade zu Ende, als Dr. Metzler seinen Wagen auf dem Parkplatz abstellte. Er war gerade ausgestiegen, als Dr. Daniel heraustrat und mit einem herzlichen Lächeln auf ihn zukam.

      »Wolfgang, was führt dich zu mir?« fragte er.

      Dr. Metzler seufzte. »Ich habe eine Entscheidung zu treffen und hoffe, daß du mir einen Rat geben kannst.«

      Dr. Daniel nickte. »Gehen wir ein Stück spazieren, dann können wir in Ruhe darüber sprechen.«

      »Rainer war bei mir«, begann Dr. Metzler ohne Umschweife. »Er braucht einen Werksarzt und hat mir den Posten angeboten.«

      Mit einer Hand fuhr sich Dr. Daniel durch das dichte blonde Haar. »Keine leichte Entscheidung. In der CHEMCO ist dein Vater ums Leben gekommen, andererseits könntest du als Werksarzt dafür sorgen, daß so etwas nicht wieder passiert.«

      »Das glaubst du doch selbst nicht«, widersprach Dr. Metzler. »Meinen Vater hätte nur die rechtzeitige Einlieferung in eine Klinik retten können. Erste Hilfe wurde schließlich geleistet – wenn auch nicht von einem Arzt.«

      Dr. Daniel wußte, daß Wolfgang recht hatte, trotzdem gab es einen Punkt, den er offensichtlich nicht bedacht hatte.

      »Es gibt auch Unfälle, die nicht unbedingt eine Einlieferung in ein Krankenhaus erfordern würden, aber dennoch tödlich verlaufen können, wenn kein qualifizierter Arzt zur Stelle ist«, erklärte er.

      Nachdenklich senkte Dr. Metzler den Kopf. »Das heißt, daß ich Rainers Angebot annehmen soll.«

      »Das kannst letzten Endes nur du allein entscheiden«, wich Dr. Daniel aus. »Ich will dich zu nichts überreden, sondern dir nur alle Möglichkeiten aufzeigen.« Er schwieg kurz. »Wie stehst du eigentlich zu einer eigenen Praxis? Ich bin sicher, daß du das Zeug dazu hättest.«

      »Dr. Gärtner hat mir seine Praxis angeboten, aber ich habe abgelehnt«, gestand Dr. Metzler. »Wenn ich mich als Landarzt erst einmal eingearbeitet habe, dann bin ich mit meinen Patienten so verwachsen, daß ich eine Klinik ein für allemal vergessen kann. Und das will ich nicht.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Wolfgang, dein Ehrgeiz in allen Ehren, aber… eine Klinik ist für dich unerschwinglich. Du verfügst nicht über das nötige Kapital, und so gern ich dir da helfen würde, das übersteigt auch meine Finanzkräfte.«

      Dr. Metzler seufzte. »Das weiß ich, Robert, aber… vielleicht könnte man andere… finanzkräftigere Leute dafür interessieren. Schließlich wäre eine Klinik in Steinhausen kein Luxus. Immerhin haben wir die CHEMCO, und auch du könntest Belegbetten sehr gut gebrauchen.«

      Dr. Daniel nicke. »Das mag alles stimmen, Wolfgang, trotzdem…»

      Abwehrend hob Dr. Metzler eine Hand. »Ich weiß schon, was du sagen willst, und für den Augenblick müssen wir dieses Thema auch nicht vertiefen. Nur eines noch, Robert, ich werde mein Ziel niemals aus den Augen verlieren.« Er lächelte. »Auch wenn ich vorerst als Werksarzt bei der CHEMCO arbeiten werde.«

      Lächelnd sah Dr. Daniel ihn an. »Damit tust du Rainer bestimmt einen großen Gefallen. Er sucht schon so lange nach einem guten Werksarzt – und mit dir wird er den besten bekommen.«

      Dr. Metzler errötete. »Sag so etwas nicht, Robert. Ich bin Arzt und werde in der CHEMCO meine Pflicht tun – bis ich meine eigene Klinik habe. Und spätestens dann wird es tödliche Unfälle bei der CHEMCO nicht mehr geben.«

      Dr. Daniel sah ihn an und spürte, wie ernst es ihm damit war. Und fast beneidete er ihn um diesen Ehrgeiz. Wenn er selbst so gewesen wäre wie Wolfgang… dann wäre er heute vielleicht Chefarzt einer Frauenklinik. Andererseits liebte er seine Praxis und konnte sich nur schwer vorstellen, daß er auf die kleinen und großen Nöte seiner Patientinnen verzichten könnte. Aber der Gedanke an eine Klinik in Steinhausen mit Wolfgang als Chefarzt und Belegbetten für ihn war sehr verlockend. Damit hätte er die Möglichkeit, seine Patientinnen auch dann zu betreuen, wenn sie seine Praxis verlassen mußten, um sich im Krankenhaus weiterbehandeln zu lassen.

      Ein Lächeln huschte über Dr. Daniels markantes Gesicht. Eine Klinik in Steinhausen. Ja, vielleicht sollte auch er das zu seinem großen Ziel machen.

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