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nötig. Ich… ich fühlte mich gut und…« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.

      »Das ist unverantwortlich, Frau Hartwig«, erklärte Dr. Daniel ernst, dann stand er auf. »Bitte, kommen Sie mit mir ins Untersuchungszimmer.«

      Susanne folgte ihm, dann trat sie auf seine Aufforderung hin unter den dezent gemusterten Wandschirm und machte sich frei.

      »Legen Sie sich bitte auf die Untersuchungsliege«, bat Dr. Daniel. »Ich will mir das Ganze erst einmal als Ultraschall anschauen. Vielleicht entdecken wir dann auch gleich den Grund für Ihre Blutungen.« Er schwieg kurz. »Wie war die Farbe des Blutes, das Sie verloren haben? Hellrot oder dunkelrot?«

      »Dunkel«, antwortete Susanne, ohne lang zu überlegen. »Es war dunkelrot.« Sie zögerte einen Moment. »Haben Sie einen Verdacht, Herr Doktor?«

      Dr. Daniel nickte. »Ja, Frau Hartwig, ich vermute, daß sich Ihre Plazenta vorzeitig gelöst hat.«

      Susanne erschrak. »Ist das schlimm?«

      »Wenn sich mein Verdacht bestätigt, dann ist das sogar sehr schlimm«, entgegnete Dr. Daniel ernst. »Es bedeutet nämlich, daß Ihr Baby in Gefahr ist. Wenn sich die Plazenta vorzeitig löst, kann das Kind nicht mehr ausreichend versorgt werden.«

      »O mein Gott«, stöhnte Susanne leise auf. »Heißt das…, es wird…, sterben?«

      »Nein, Frau Hartwig, so schwarz müssen Sie nun auch nicht gleich sehen«, versuchte Dr. Daniel sie zu beruhigen. »Erst mal müssen wir ja die Ursache für Ihre Blutungen herausfinden. Die vorzeitige Lösung der Plazenta ist nur eine von etlichen Möglichkeiten.«

      Susanne nickte, doch die Angst um ihr Kind war ihr deutlich anzusehen, und sie verfluchte ihre Sorglosigkeit, mit der sie in diese Schwangerschaft gegangen war.

      Ein wenig mühsam, weil ihre Knie so entsetzlich zitterten, kletterte Susanne auf die Untersuchungsliege.

      »Sie müssen keine Angst haben«, erklärte Dr. Daniel. »Die Ultraschalluntersuchung ist nicht schmerzhaft. Nur das Gel, das ich auf Ihrem Bauch verteilen muß, ist ein wenig kalt. Erschrecken Sie also bitte nicht.«

      Die Ultraschallaufnahme bestätigte Dr. Daniels Verdacht. Die Planzenta hatte sich tatsächlich schon teilweise gelöst, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Susannes Baby in Lebensgefahr geraten würde.

      »Sie müssen umgehend ins Krankenhaus«, meinte Dr. Daniel. »Ich werde in der Klinik von Dr. Sommer in München anrufen und gleich einen Krankenwagen kommen lassen. Sie können sich in der Zwischenzeit wieder ankleiden, Frau Hartwig.« Er zögerte einen Moment. »Sind Sie in Begleitung hier?«

      Susanne nickte. »Meine Schwester sitzt im Wartezimmer.«

      »Gut. Schicken Sie sie nach Hause. Sie soll einen kleinen Koffer für Sie packen und dann gleich wieder herkommen. Der Krankenwagen wird in ungefähr einer halben Stunde hier sein.«

      Dr. Daniel wartete, bis Susanne das Untersuchungszimmer verlassen hatte, dann schüttelte er völlig fassungslos den Kopf. Da hatte er geglaubt, Susanne Hartwig sei eine kluge, vernünftige Frau, und dann mußte er erfahren, daß sie bei ihrer ersten Schwangerschaft so leichtsinnig war und keine der wichtigen Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen hatte. Es war wirklich unbegreiflich.

      Mit einem tiefen Seufzer ging Dr. Daniel in sein Sprechzimmer und nahm den Telefonhörer ab. Wenig später war er mit der Klinik seines besten Freundes in München verbunden.

      »Grüß dich, Schorsch«, begrüßte er den Chefarzt, Dr. Georg Sommer.

      »Robert!« Man hörte an Dr. Sommers Stimme, daß er sich freute. »Nett, daß du mal etwas von dir hören läßt.«

      »Leider rufe ich nicht zu meinem Vergnügen an, Schorsch«, erklärte Dr. Daniel. »Ich habe hier eine schwangere junge Frau – vermutlich achter Monat. Die Plazenta hat sich teilweise gelöst.«

      »Ich schicke dir sofort einen Wagen«, versprach Dr. Sommer.

      »Ja, aber nach Steinhausen.«

      »Wie bitte?« fragte Dr. Sommer überrascht. »Seit wann bist du wieder in Steinhausen?«

      »Seit Samstag«, antwortete Dr. Daniel, dann gestand er: »Es ist verdammt schwer, aber ich werde durchhalten.« Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Irene ist aus Kiel gekommen und wird bei mir bleiben.«

      »Das ist gut«, meinte Dr. Sommer. »Ich hätte dich ungern ganz allein in der Villa gewußt. Bleib einen Augenblick am Apparat, Robert. Wir können uns gleich weiter unterhalten.« Es knackte in der Leitung, doch nach ein paar Sekunden meldete sich Dr. Sommer wieder. »Also, der Krankenwagen ist unterwegs zu dir, und im OP wird alles vorbereitet. Ich habe seit kurzem übrigens einen erstklassigen Chirurgen. Vierzig Jahre alt und ein absolutes As auf seinem Gebiet. Deine Patientin ist also in den besten Händen.«

      »Weiß ich, Schorsch. Du hattest schon immer ein erstklassiges Team.«

      »Danke für die Blumen.« An seiner Stimme hörte Dr. Daniel, daß er lächelte, dann wurde er wieder ernst. »Also, Robert, heraus mit der Sprache, warum bist du jetzt schon nach Steinhausen zurückgegangen?«

      »Jetzt schon?« wiederholte Dr. Daniel leise. »Dasselbe hat Kurt auch gesagt. Kurt Gebhardt«, fügte er erklärend hinzu.

      »Ich nehme an, du erinnerst dich noch an ihn.«

      Dr. Sommer lachte kurz auf. »Der Primus unserer Studienklasse. Wie könnte ich den jemals vergessen?« Er schwieg kurz. »Aber es war ein feiner Zug von ihm, daß er dich damals anstandslos in seiner Praxis aufgenommen hat.«

      Dr. Daniel nickte, als könnte sein Freund das sehen. »Ich wußte damals nicht, wohin, und Kurt hat sich in den vergangenen Jahren als ein echter Freund erwiesen.«

      »Das glaube ich gern«, meinte Dr. Sommer. »Aber warum bist du damals eigentlich nicht zu mir gekommen? In meiner Klinik wärst du auch herzlich willkommen gewesen, und du warst schon immer mein bester Freund. Ich will ehrlich sein – ich war ein bißchen gekränkt, als ich von deiner Flucht aus Steinhausen hörte und feststellen mußte, daß du Kurt Gebhardt mir vorgezogen hast.«

      »Kannst du dir den Grund dafür wirklich nicht denken?« fragte Dr. Daniel zurück. »Sei mir nicht böse, Schorsch, aber wenn ich zu dir gegangen wäre, dann hätte ich ebensogut in Steinhausen bleiben können. In deiner Klinik kamen Stefan und Karina zur Welt. Damals war dein Vater noch Chefarzt.«

      Einen Augenblick herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann meinte Dr. Sommer: »Natürlich. Daran hätte ich denken müssen.« Wieder machte er eine kleine Pause. »Robert, hast du heute abend schon etwas vor?«

      »Ja, eigentlich schon«, antwortete Dr. Daniel ein wenig zögernd. »Ich sollte mit den Großeltern einer Patientin ein ernstes Gespräch führen.«

      »Wie dringend ist das?« bohrte Dr. Sommer weiter.

      »Wenn ich ehrlich bin – sehr dringend. Warum?« Dabei konnte er sich die Antwort des Freundes bereits denken.

      »Ich möchte, daß du zu mir nach München kommst«, erklärte Dr. Sommer auch schon. »Verlege dieses Gespräch auf morgen und fahre im Krankenwagen mit.«

      Dr. Daniel kämpfte mit sich. Er wußte genau, wie dringend er mit den Stöbers sprechen sollte, andererseits war die Aussicht auf einen Abend mit seinem besten Freund zu verlockend, als daß er leichten Herzens hätte ablehnen können.

      »Schorsch, ich glaube… ich glaube, ich sollte…«

      »Ich glaube, du solltest schnellstens zu mir kommen«, vollendete Dr. Sommer.

      »Das wollte ich eigentlich nicht sagen«, entgegnete Dr. Daniel.

      »Ich weiß. Trotzdem möchte ich, daß du im Krankenwagen bist, wenn er hier in der Klinik wieder eintrifft. Robert, ich kenne dich seit so vielen Jahren, und deshalb spüre ich sogar auf diese Entfernung und durchs Telefon, welch eine schwere Last du trägst. Du mußt dir endlich einmal alles von der Seele reden. Also, ich erwarte

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