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Spritzen.«

      »Falsch, du hast Angst davor«, berichtigte ihn Dr. Sommer. »Aber das macht nichts. Den kleinen Pieks wirst du schon noch überleben.«

      Dr. Daniel seufzte ergeben. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, weiter zu widersprechen, und so fügte er sich. Er fühlte den feinen Stich und zuckte unwillkürlich zusammen. »Ist ja schon vorbei«, erklärte Dr. Sommer beruhigend, dann grinste er. »Du bist ein Angsthase, wenn es um Spritzen geht.«

      »Stimmt«, gab Dr. Daniel bereitwillig zu. »Normalerweise bin ich alles andere als ein Feigling, aber der Anblick einer Injektionsnadel treibt mir den Schweiß aus den Poren.«

      Er schlüpfte in den Schlafanzug und bemerkte dabei, daß er schon Schwierigkeiten hatte, seine Bewegungen richtig zu koordinieren.

      »Meine Güte, was war denn das für ein Zeug«, wollte er wissen.

      »Ein ganz leichtes Beruhigungsmittel«, antwortete Dr. Sommer. »Aber du bist solche Sachen nicht gewohnt. Und jetzt leg dich hin. Ich schätze, du wirst bald einschlafen.«

      Dr. Daniel fühlte, wie sich die Müdigkeit bleischwer in seine Glieder legte.

      »Ich muß pünktlich in der Praxis sein«, murmelte er noch, dann fielen ihm die Augen zu.

      »Keine Sorge, ich wecke dich schon rechtzeitig«, versprach Dr. Sommer, war aber nicht sicher, ob sein Freund es noch gehört hatte, dann verließ er leise den Raum und schloß die Tür hinter sich.

      Dank der Spritze, die er von Dr. Sommer bekommen hatte, verbrachte Dr. Daniel tatsächlich eine ruhige Nacht, und als sein Freund ihn am nächsten Morgen weckte, fühlte er sich frisch und ausgeruht.

      »Ich bringe dich persönlich nach Steinhausen zurück«, erklärte Dr. Sommer, als sie sich beim Frühstück gegenübersaßen. »Immerhin habe ich dich gestern ja mehr oder weniger genötigt hierherzukommen.« Er schmunzelte. »Und als Chefarzt kann ich es mir erlauben, ausnahmsweise einmal später als gewöhnlich in die Klinik zu kommen.«

      Eine halbe Stunde später machten sie sich auf den Weg und erreichten den kleinen Vorgebirgsort noch vor neun Uhr morgens.

      »Ich wußte gar nicht mehr, wie schön es hier draußen ist«, meinte Dr. Sommer, nachdem er ausgestiegen war und ganz tief die frische, würzige Luft eingeatmet hatte. »Meine Güte, welch ein Unterschied zu der stickigen Stadt.«

      »Ach komm, bei dir in Grünwald ist es doch herrlich«, entgegnete Dr. Daniel. »Außerdem bist du hier in Steinhausen jederzeit herzlich willkommen.«

      »Weiß ich, und ich werde diese Einladung demnächst auch annehmen«, erklärte Dr. Sommer, dann reichte er seinem Freund die Hand. »Mach’s gut, Robert, und – auch wenn es ein bißchen verspätet kommt – viel Glück für deinen neuen Anfang hier.«

      Dr. Daniel lächelte. »Danke, Schorsch – vor allem auch für das, was du gestern für mich getan hast. Mir ist, als wäre eine Zentnerlast von mir genommen worden.«

      Kameradschaftlich klopfte Dr. Sommer ihm auf die Schulter. »Das freut mich, Robert. Aber schließlich sind Freunde ja dazu da, einander zu helfen. Und wenn du mal wieder Probleme hast, dann findest du hoffentlich eher den Weg zu mir.«

      »Bestimmt, Schorsch«, versprach Dr. Daniel, dann sah er zu, wie sein Freund das Auto bestieg und die steile Auffahrt hinunterfuhr. Er winkte ihm noch einmal zu, bevor er sich umdrehte und die schneeweiße Villa mit einem langen Blick musterte. Ja, das Gespräch mit Dr. Sommer hatte ihm gutgetan. Plötzlich fiel es ihm gar nicht mehr so schwer, die Villa zu betreten.

      Immer zwei Stufen auf einmal nehmend lief er die Treppe hinauf und trat in die Wohnung.

      »Irene?« rief er fragend.

      Sie streckte den Kopf zur Küchentür heraus und lächelte. »Ach, da bist du ja wieder.«

      Erstaunt sah Dr. Daniel seine Schwester an. »Hast du dir denn keine Sorgen um mich gemacht?« Er wurde verlegen. »Ich weiß, ich hätte dir sagen sollen…«

      »Ich wußte ja, wo du bist«, fiel Irene ihm ins Wort. Da lächelte Dr. Daniel. »Schorsch. Er hat dich also angerufen.«

      Irene nickte. »Ja, gleich nachdem du mit dem Krankenwagen weggefahren warst. Ein netter Mann, dieser Dr. Sommer.«

      »Ja, und der beste Freund, den man sich wünschen kann.«

      *

      Dr. Bernd Kastner verstand sich selbst nicht mehr. Da hatte er nun bei Susanne Hartwig einen ganz normalen Kaiserschnitt gemacht – einen Eingriff, wie er ihn schon hundertmal durchgeführt hatte. Und doch… diesmal war es anders gewesen als sonst. Die junge Patientin ging ihm nämlich den ganzen Abend über nicht mehr aus dem Kopf. Dabei war Dr. Kastner alles andere als ein Casanova – ganz im Gegenteil. Es war das erste Mal, daß ihn eine Frau auf Anhieb so beeindruckt hatte, und er hätte nicht einmal einen Grund dafür angeben können.

      Seit er vom Dienst nach Hause gekommen war, saß er nun in seinem Wohnzimmer und starrte ins Leere, dabei sah er vor seinem geistigen Auge die feingemeißelten Gesichtszüge von Susanne Hartwig.

      Und plötzlich hielt es ihn nicht mehr in seiner Wohnung. Er trat aus dem Haus, schloß die Tür ab und bestieg sein Auto. Zuerst fuhr er einfach ziellos herum, doch dann schlug er – ohne es beabsichtigt zu haben – den Weg zur Klinik ein.

      Die Nachtschwester war überrascht, den Arzt zu so später Stunde und dann auch noch außerhalb seiner regulären Dienstzeit hier anzutreffen, doch sie enthielt sich jeglichen Kommentars. Dr. Kastner hatte ihre Anwesenheit auch gar nicht wahrgenommen, sondern steuerte ohne Zögern das Zimmer an, in dem er Susanne Hartwig wußte.

      Bei seinem Eintreten richtete sich Susanne auf und schaltete das Licht hinter ihrem Bett an.

      »Habe ich Sie geweckt?« fragte Dr. Kastner ein wenig verlegen. »Das wollte ich nicht.«

      »Nein, ich war noch wach«, entgegnete Susanne. »Bis vor ein paar Minuten habe ich noch gelesen.« Dann runzelte sie nachdenklich die Stirn. »Ich weiß, daß ich Sie schon einmal gesehen habe, aber…«

      Dr. Kastner lächelte. »In Zivil sehe ich wohl ein bißchen anders aus als in meinem weißen Kittel. Möglicherweise waren Sie auch von der Narkose noch benommen.«

      Und plötzlich erinnerte sich Susanne. »Sie sind der nette Arzt, der an meinem Bett saß, als ich aufgewacht bin.«

      Dr. Kastner errötete. »Danke für den netten Arzt.« Er zögerte einen Moment. »Ich saß aber nicht nur an Ihrem Bett, als Sie wach wurden…, ich habe Sie auch operiert. Kastner ist mein Name. Bernd Kastner.«

      Susanne streckte die rechte Hand aus. »Freut mich, Herr Dr. Kastner.« Sie sah ihn abwartend an, doch als er keine Anstalten machte, sie zu untersuchen oder auch nur etwas zu sagen, ergriff sie selbst das Wort. »Sind Sie gekommen, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen?«

      »Nein… das heißt, ja, natürlich«, verbesserte er sich rasch. Irgendwie mußte er sein Hiersein zu dieser späten Stunde ja erklären. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«

      Susanne lächelte. Der Arzt war ihr sehr sympathisch… Nein, sogar mehr als das. Sie fühlte sich auf seltsame Weise zu ihm hingezogen.

      »Das war unnötig«, meinte sie. »Ich fühle mich ausgezeichnet. Und meiner Kleinen geht’s auch gut.« Ein zärtliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Die Schwester hat sie mir vorhin gebracht, damit ich sie mir genau anschauen konnte. Gleich nach der Operation habe ich ja kaum etwas mitbekommen.«

      »Sie ist ein ganz süßes Baby«, urteilte Dr. Kastner.

      Leise Melancholie breitete sich auf Susannes Zügen aus. »Ich wünschte, ich könnte sie bei mir im Zimmer haben, so wie die anderen Mütter auch.«

      »Nur Geduld, Frau Hartwig«, meinte Dr. Kastner. »Das kommt noch. Aber im Augenblick muß Ihre kleine Stefanie rund um die Uhr versorgt werden. Allerdings sollten Sie sich so oft wie möglich bei ihr aufhalten. Gerade Frühgeborene brauchen eine Menge Streicheleinheiten.«

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