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ich bestehe darauf, daß du zu einem Arzt gehst – am besten gleich morgen«, erklärte sie mit Bestimmtheit. »Du mußt dich unbedingt untersuchen lassen. Damit bist du ohnehin schon reichlich spät dran.«

      »Ach, Marion, mach doch aus einer Mücke nicht gleich einen Elefanten«, wehrte Susanne gelassen ab. »Glaubst du, daß die schwangeren Frauen früher alle naselang zu einem Arzt gerannt sind? Dazu hätten die bei sechs oder sieben Kindern doch gar keine Zeit gehabt.«

      »Du scheinst ja bestens informiert zu sein«, entgegnete Marion mit einer Spur Sarkasmus. »Dann weißt du sicher auch, wie hoch die Säuglingssterblichkeit zu jener Zeit war und wie viele Frauen im Kindsbett gestorben sind.«

      »Meine Güte, Marion, du mußt doch nicht alles dramatisieren«, begehrte Susanne auf. »Unsere Großmutter hat zehn Kinder geboren, und kein einziges ist gestorben. Und sie selbst feiert in einem halben Jahr ihren achtzigsten Geburtstag. Da werde ich doch wohl ein Kind gesund zur Welt bringen können. Ich fühle mich ausgezeichnet, und mein Baby ist sehr lebhaft. Es strampelt so kräftig, daß es mir manchmal sogar ein bißchen weh tut. Also entwickelt es sich offenbar prächtig. Warum sollte ich da zum Arzt gehen? Außerdem müßte ich zu einer Ärztin in die Kreisstadt, und die hat nicht gerade den besten Ruf.«

      Marion runzelte die Stirn. »Vor sieben oder acht Jahren… als du nach Steinhausen gezogen bist, da hast du doch immer von einem Arzt geschwärmt, der hier praktizierte. Oder irre ich mich da?«

      Susanne lächelte. »Dein Gedächtnis ist ausgezeichnet, Schwesterherz. Das war Dr. Daniel, aber der lebt nicht mehr hier in Steinhausen. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau ist er weggezogen. Das war vor ungefähr fünf Jahren. Seitdem haben wir nur noch einen Allgemeinmediziner hier, aber der ist längst jenseits von Gut und Böse. Er muß weit über siebzig sein, und ich gehe höchstens zu ihm, wenn ich mal erkältet bin.«

      Marion seufzte, dann schüttelte sie den Kopf. »Das sind alles keine Argumente, Susi… Du mußt endlich zu einem Arzt gehen.«

      Doch Susanne winkte ab. »Ach was! In fünf Wochen werde ich ein gesundes Baby zur Welt bringen, und niemand wird je wieder danach fragen, ob ich während der Schwangerschaft bei einem Arzt war oder nicht.«

      *

      Am frühen Montagmorgen ging Dr. Daniel nach unten und schloß die Praxis auf, dann blieb er einen Moment im Vorraum stehen und sah sich um. Noch am Samstag war Christines alter Schreibtisch durch ein neues, supermodernes Gebilde aus blitzendem Chrom ersetzt worden, was dem Raum einen völlig anderen Charakter verlieh.

      »Guten Morgen, Herr Doktor.«

      Die Stimme seiner Sprechstundenhilfe riß Dr. Daniel aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und reichte Lena Kaufmann voller Herzlichkeit die Hand.

      »Guten Morgen, Frau Kaufmann. Ich freue mich ja so, daß Sie wieder bei mir arbeiten können«, betonte er noch einmal. »Damit hatte ich gar nicht gerechnet.«

      Lena Kaufmann erwiderte sein Lächeln. »Ich bin auch froh, Herr Doktor, daß es so gut gelaufen ist, aber…, ich hätte jede Arbeitsstelle gekündigt, um wieder hierherkommen zu können.«

      Dr. Daniel war sichtlich gerührt, versuchte diese Tatsache aber zu überspielen, indem er einen kleinen Scherz machte. »Dann scheine ich ja ein ganz passabler Chef gewesen zu sein.«

      »Der beste, den es je gegeben hat«, entgegnete Lena, dann wandte sie sich rasch ab, um die verräterische Röte, die bei diesen Worten aufgestiegen war, zu verbergen.

      Dr. Daniel tat dann auch so, als hätte er nichts gesehen. Und da in diesem Augenblick die junge Gabi Meindl in die Praxis trat, wurde die Unterhaltung ohnehin in andere Bahnen gelenkt.

      Sie begrüßte ihren Chef sehr höflich, musterte ihn dabei aber mit deutlich sichtbarem Interesse. Natürlich hatte sie ihn beim Vorstellungsgespräch vor gut vier Monaten schon kennengelernt, aber damals war sie zu nervös gewesen, um den Mann vor sich genauer zu betrachten. Immerhin war sie arbeitslos gewesen und hatte nur gehofft, daß der Arzt, für den ihre Kollegin Lena Kaufmann schon einmal gearbeitet hatte, ihr eine neue Stellung verschaffen würde.

      Jetzt war diese Last von ihr genommen und so brachte sie das nötige Interesse für ihren Chef auf. Was sie sah, erfreute sie außerordentlich. Dieser Dr. Daniel war ja noch ein verdammt attraktiver Mann, dem man seine fünf­zig Jahre überhaupt nicht ansah, und so konnte sich Gabi vorbehaltlos über ihre neue Stellung freuen.

      »Also, meine Damen«, schloß Dr. Daniel das kurze Gespräch ab, das er mit seinen beiden Angestellten noch geführt hatte. »Dann hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit.« Er lächelte. »Ich glaube nicht, daß ich allzu viele unangenehme Eigen­heiten habe, allerdings bin ich auch für Kritik durchaus zugänglich. Nur von einem Prinzip möchte ich keinesfalls abweichen. Das wird hauptsächlich Sie betreffen, Frau Meindl, denn ich möchte hinausgehende Post generell vor dem Mittagessen noch unterschreiben. Das wird für Sie gelegentlich ein wenig Streß bedeuten, aber ich hoffe sehr, daß wir uns da irgendwie zusammenraufen.«

      Er nickte den beiden Frauen zu, dann zog er sich in sein Sprechzimmer zurück.

      »Und? Hat er sonst noch irgendwelche Eigenheiten?« wollte Gabi von ihrer Kollegin wissen, nachdem Dr. Daniel gegangen war.

      Lena schüttelte den Kopf. »Er ist ein erstklassiger Chef, und ich bin froh, daß ich endlich wieder für ihn arbeiten kann.«

      *

      Pünktlich um neun Uhr morgens klingelte es zum ersten Mal an der wiedereröffneten Praxis von Dr. Daniel, und mit einem dezenten Summen sprang die schwere eichene Eingangstür auf.

      Gabi Meindl blickte der eintretenden Patientin mit einem freundlichen Lächeln entgegen.

      »Guten Morgen«, grüßte sie. »Sind Sie für heute angemeldet?«

      Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht… das heißt, eigentlich doch. Dr. Daniel hat mich gestern gebeten, heute zu ihm in die Praxis zu kommen. Kerstin Wenger ist mein Name.«

      Gabi warf einen kurzen Blick auf den aufgeschlagenen Terminkalender, doch Dr. Daniel hatte nichts notiert. Allerdings waren für heute ohnehin nur wenige Patientinnen angemeldet. Die Neueröffnung der Praxis würde sich wohl erst im Laufe der Zeit wieder herumsprechen.

      Gabi nahm die Versicherungskarte entgegen, um die Daten im Computer zu speichern, dann wandte sie sich der Patientin wieder zu.

      »Nehmen Sie bitte noch im Wartezimmer Platz, Frau Wenger«, bat sie höflich. »Die nächste Tür rechts.« Sie lächelte. »Der Herr Doktor wird gleich für Sie Zeit haben.«

      Es dauerte auch wirklich nicht lange, bis Kerstin von Lena Kaufmann ins Sprechzimmer gerufen wurde. Bei ihrem Eintreten stand Dr. Daniel auf und kam um seinen Schreibtisch herum, um seiner Patientin die Hand zu reichen, dann bot er ihr freundlich Platz an.

      »Haben Sie das Ergebnis schon bekommen?« platzte Kerstin heraus, noch ehe Dr. Daniel etwas hatte sagen können.

      Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Nein, Frau Wenger, leider nicht, aber es kann sicher nicht mehr lange dauern.« Er schwieg kurz. »Und ich glaube auch nicht, daß Sie so große Angst haben müssen.«

      Kerstin senkte den Kopf. »Was können Veränderungen am Abstrich schon anderes bedeuten als Krebs?«

      »So dürfen Sie das nicht sehen«, entgegnete Dr. Daniel ernst. »Der zweifelhafte Befund, den ich in München festgestellt habe, kann nämlich durchaus mit den versäumten Nachuntersuchungen nach dem Einlegen der Spirale zusammenhängen.«

      Kerstin schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen, Herr Doktor. Was soll denn das eine mit dem anderen zu tun haben?«

      Dr. Daniel lehnte sich zurück, um zu einer ausführlichen Erklärung anzusetzen.

      »Sehen Sie, Frau Wenger, meine langjährige Erfahrung hat gezeigt, daß sich die Scheidenschleimhaut bei Frauen, die eine Spirale tragen, verändert. Das liegt hauptsächlich an dem Kontrollfaden, mit dem Sie selbst den sicheren Sitz der Spirale kontrollieren können und mit dem die

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