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war ein strahlend schöner Tag Ende Mai, an dem der kleine Robert Schermann getauft werden sollte. Vor der Steinhausener Pfarrkirche St. Benedikt hatten sich außer den glücklichen Eltern auch die stolze Oma und die beiden nicht weniger stolzen Opas eingefunden. Als Ricky beobachtete, wie sie sich alle um Marina drängten, die ihren kleinen Sohn im Arm hielt, wünschte er, daß auch seine Mutter diesen Tag hätte erleben dürfen.

      »Bin ich zu spät?«

      Dr. Daniels hastige Worte rissen Ricky aus seinen Gedanken. Lächelnd wandte er sich dem Arzt zu.

      »Keineswegs, Herr Doktor. Der Herr Pfarrer läßt auch auf sich warten. Hoffentlich hat er uns nicht völlig vergessen.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Hochwürden Wenninger vergißt höchstens unangenehme Aufgaben – eine Taufe mit Sicherheit nicht.«

      Als hätte er seinen Namen gehört, kam in diesem Moment Pfarrer Wenninger mit langen Schritten auf die Kirche zugeeilt.

      »Ihr müßt entschuldigen«, brachte er schweratmend hervor. »Ich wäre bestimmt pünktlich gewesen, aber meine gute Gerdi hat ja immer etwas an mir herumzuzupfen.« Er warf einen Blick in die Runde. »Ich nehme an, wir sind vollzählig.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, betrat er die Kirche.

      Erst hier nahm er den neuen Erdenbürger in Augenschein, was ein gütiges Lächeln auf sein Gesicht zauberte.

      »Ein goldiges Bürschchen«, erklärte er. »Könnte glatt von mir sein.«

      Alle mußten lachen, und erst als wieder Ruhe eingekehrt war, begann Hochwürden Wenninger mit der feierlichen Taufzeremonie, die der kleine Robert fast verschlief. Erst als der Pfarrer sein Köpfchen mit Weihwasser beträufelte, wurde er aus seinem seligen Schlummer gerissen.

      »Und so taufe ich dich auf den Namen Robert Schermann«, erklärte Hochwürden Wenninger in getragenem Ton, was der kleine Täufling allerdings keineswegs würdigte. Er protestierte dermaßen lautstark gegen die feuchte Prozedur, durch die er so unsanft geweckt worden war, daß der gute Pfarrer Mühe hatte, sich stimmlich gegen den kleinen Mann durchzusetzen, und als die kleine Gemeinschaft dann dem Ausgang zustrebte, kostete es Marina nicht viel Mühe, ihren kleinen Sohn wieder zu beruhigen.

      »Sie sehen sehr glücklich aus«, stellte Dr. Daniel fest, als Marina ihr Baby liebevoll im Arm hielt.

      Sie strahlte ihn an. »Das bin ich auch, Herr Doktor.« Sie sah auf ihr Kind hinunter, dann fügte sie lächelnd hinzu: »Und ich glaube, ein Geschwisterchen für unseren Robert wird nicht lange auf sich warten lassen.«

      *

      Drei Wochen lang rang Stefan mit sich, dann fuhr er zur Klinik von Dr. Sommer und suchte Saskias Zimmer auf. Und dabei hoffte er inständig, daß Pascal nicht gerade dort sein würde. Es kostete ihn Mut zu klopfen und einzutreten, dann atmete er auf. Saskia war allein.

      Als sich die Tür öffnete, wandte sie den Kopf, dann glitt ein Lächeln über ihr Gesicht.

      »Stefan. Schön, daß du doch noch kommst. Ich dachte schon…« Sie beendete den Satz nicht.

      Ein wenig zögernd trat Stefan näher. Saskia sah gut aus, und als sie sich jetzt ein wenig aufrichtete, erkannte er, wie kräftig sie in den vergangenen Wochen geworden war.

      »Du wirst wieder ganz gesund, nicht wahr?« fragte er, obwohl sein Vater ihm ja schon gesagt hatte, daß Saskia ihr Leben ohne irgendwelche Beeinträchtigungen würde fortführen können.

      Saskia nickte. »Dr. Sommer und dein Vater haben an mir ein kleines Wunder vollbracht. Nur…« Sie senkte den Kopf. »Mein Baby konnten sie leider nicht retten.« Dann sah sie Stefan wieder an. »Der erneute Verlust schmerzt mich zwar, aber es ist kein solches Problem mehr wie damals. Pascal steht jetzt felsenfest zu mir – gleichgültig, ob ich jemals wieder ein Baby bekommen kann oder nicht.«

      Die Worte taten Stefan fast körperlich weh. »Es freut mich, daß zwischen euch wieder alles in Ordnung ist«, sagte er etwas matt.

      »Nein, Stefan, es freut dich nicht«, widersprach Saskia ernst. »Und das ist auch ganz natürlich. Du liebst mich, und ich… bitte, sei mir nicht böse, aber… ich liebe Pascal. Ich liebe ihn mehr als alles andere, und das beruht auf Gegenseitigkeit.« Sie schwieg einen Moment. »Und ich glaube nicht, daß ich dir irgendwelche falschen Hoffnungen gemacht habe.«

      Stefan wandte sich halb ab. »Das stimmt zwar, aber… ich selbst habe mir Hoffnungen gemacht. In den vielen Tagen und Nächten, die ich an deinem Bett verbracht habe…« Er stockte. So viel hatte er gar nicht sagen wollen.

      »Ich weiß, was du für mich getan hast, Stefan«, erklärte Saskia leise.

      Er sah sie an. »Von Dr. Sommer?«

      Sie schüttelte den Kopf, und da begriff er.

      »Du hast also die ganze Zeit über alles gehört.«

      »Ja, Stefan, jedes Wort.« Mit Mühe gelang es ihr, mit ihrem Gipsarm Stefans Hand zu erreichen. »Ich habe dich auch weinen gehört. Es war schlimm, Stefan. Ich hätte dir so gern geholfen und konnte es doch nicht. Ich wollte die Augen öffnen… etwas sagen… doch es ging einfach nicht.«

      »Erst als Pascal hier war«, erklärte Stefan, und in seiner Stimme schwang unüberhörbare Bitterkeit mit.

      »Ach, Stefan, mach es mir doch nicht so schwer«, bat Saskia. »Ich bin einfach aufgewacht, und ich habe das bestimmt nicht gemacht, um dich zu verletzen.«

      Stefan seufzte. »Ja, Saskia, ich weiß, aber versetz dich doch mal in meine Lage. Ich habe wochenlang an deinem Bett gesessen, und er brauchte nur hereinzukommen…« Dann winkte er ab. »Vergiß es. Irgendwie werde ich schon darüber hinwegkommen.«

      Wieder berührte Saskia seine Hand. »Ich weiß, es klingt furchtbar banal, aber… du wirst einmal ein Mädchen kennenlernen, das deine Liebe erwidert. Und das verdienst du auch, Stefan. Wenn ich bei dir bliebe, dann geschähe das aus Dankbarkeit und Mitleid. Ich bin sicher, daß du das auch nicht möchtest.«

      Stefan zuckte die Schultern. Im Augenblick wäre ihm wohl alles recht gewesen, wenn er Saskia nur für sich hätte gewinnen können.

      In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Pascal trat herein.

      »Hallo, Liebes, wie fühlst du dich?« fragte er, und Stefan zuckte unter diesen Worten förmlich zusammen. Erst in diesem Augenblick bemerkte Pascal ihn.

      Mit einem fast herzlichen Lächeln trat er zu ihm. »Stefan, ich hatte noch gar keine Gelegenheit, mich bei dir zu bedanken. Ohne dich hätten Saskia und ich vielleicht nie mehr zusammengefunden.«

      Stefan senkte den Kopf. »Das ist schon in Ordnung. Ich mußte irgend etwas tun, um sie aus dem Koma zu holen, und du warst offensichtlich die beste Therapie für sie.«

      Pascal mußte lachen. »Das hast du gut ausgedrückt.« Dann setzte er sich an Saskias Bett und streichelte ihre Hand, die aus dem Gipsverband herausschaute. »Sobald Saskia wieder gesund ist, werden wir nach Freiburg zurückkehren und heiraten. Vielleicht besuchst du uns mal.«

      »Das halte ich für sehr unwahrscheinlich«, entgegnete Stefan. Er betrachtete Saskia und sah das glückliche Leuchten auf ihrem Gesicht. Im selben Moment fühlte er, wie sein Schmerz nachließ. Er liebte Saskia, aber bedeutete das nicht auch, daß ihm ihr Glück wichtiger sein mußte als sein eigenes? Lieben heißt geben. Das hatte er mal irgendwo gelesen. Und er hatte gegeben – er hatte ihr Pascal zurückgegeben und sie damit glücklich gemacht. Jetzt hatte er hier nichts mehr verloren.

      Mit einer sanften Geste berührte er Saskias Gesicht, dann reichte er Pascal die Hand.

      »Ich wünsche euch von Herzen alles Gute«, erklärte Stefan, und beide spürten, daß er diese Worte ehrlich meinte. Dann verließ er das Zimmer und schließlich auch die Klinik.

      »Stefan.«

      Die Stimme seines Vaters ließ ihn herumfahren, dann lächelte er.

      »Papa, was tust du denn hier?«

      Aufmerksam

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