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und…«

      »Kommt gar nicht in Frage«, wehrte Dr. Sommer entschieden ab. »Wir haben genügend Schwestern, die das machen können. Du, mein Junge, gehörst nach Hause und ins Bett, und ich werde dafür sorgen, daß du endlich dorthin kommst.«

      Stefan sah ein, daß jeder weitere Widerspruch zwecklos war, und so verfolgte er mit brennenden Augen, wie Pascal mit einer Schwester wegging.

      »Jetzt nimmt er sie mir zum zweiten Male«, murmelte er.

      Dr. Sommer, der wußte, wie sehr Stefan in den vergangenen Wochen gelitten hatte, fühlte grenzenloses Mitleid mit ihm. Fürsorglich legte er einen Arm um seine Schultern und führte ihn aus der Klinik.

      »Ich bringe dich heim, Stefan«, erklärte er. »Du brauchst jetzt viel Schlaf und noch mehr Fürsorge. Und beides wirst du bei deinem Vater finden.«

      *

      Währenddessen hatte Pascal das Zimmer betreten, in dem Saskia noch immer im Koma lag. Mit Tränen in den Augen betrachtete Pascal das Mädchen, das er mehr als alles andere auf der Welt liebte, und wie schon so oft verfluchte er sich, weil er sie damals, als sie ihn am dringendsten gebraucht hätte, verlassen hatte. Und nicht einmal ein Jahr nach diesem schrecklichen Unfall hatte er begriffen, daß seine Liebe zu Saskia viel mehr wog als die Tatsache, daß sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Das hatte er erst viel später gemerkt – zu spät, denn zu jenem Zeitpunkt hatte Saskia Köln schon längst verlassen gehabt.

      Pascal seufzte tief auf, dann kniete er neben ihrem Bett nieder und ergriff ihre Hand.

      »Saskia, Liebes«, flüsterte er, und plötzlich ließen sich die Tränen nicht mehr zurückhalten.

      »Ich war so dumm«, schluchzte er. »Meine Güte, wenn ich geahnt hätte… und ich habe dich die ganze Zeit über so schrecklich vermißt, aber ich konnte dich nicht mehr finden. Ich war noch mal in Köln, aber du… du warst plötzlich weg und…«

      »Bitte… nicht… weinen.«

      Wie elektrisiert blickte Pascal auf. Saskias Gesicht war so unbewegt wie bei seinem Eintreten, doch plötzlich bemerkte er das kaum sichtbare Flattern ihrer Lider.

      »O mein Gott«, stöhnte er auf.

      »Nicht mehr… weinen, Pascal… bitte… nicht mehr…«

      Die Worte kamen leise – wie ein Hauch, aber dennoch deutlich genug, um sie zu verstehen.

      »Saskia, Liebling, kannst du mich hören?« Pascals Stimme überschlug sich fast. »Du mußt nicht sprechen, drück nur meine Hand.«

      Mit sanftem Druck umschlossen ihre Finger seine Hand, und Pascal konnte nicht verhindern, daß erneut Tränen über seine Wangen liefen. Er beugte sich über sie, und jetzt hatte sie auch die Augen offen – diese samtgleichen dunklen Augen, aus denen ihm so viel Liebe entgegenstrahlte.

      »Saskia… mein Liebling«, stammelte er.

      Sie bemühte sich um weitere Worte. »Pascal… du bist hier…«

      Er lachte und weinte zugleich. »Ja, mein Liebes, Stefan hat mich geholt. Und ich verspreche dir, daß ich dich nie wieder verlassen werde. Nie wieder. Wir werden heiraten, Saskia. Sobald du gesund bist. Und es ist mir völlig egal, ob du jemals wieder ein Baby bekommen kannst.«

      Und da brachte sie sogar ein Lächeln zustande, das auch noch auf ihrem Gesicht blieb, als sie die Augen wieder schloß und einschlief. Doch diesmal war es ein Schlaf, aus dem sie bald wieder erwachen würde.

      *

      Als Saskia am nächsten Tag die Augen aufschlug, saß Pascal an ihrem Bett. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

      »Es war kein Traum«, flüsterte sie. »Du bist hier.«

      Zärtlich streichelte Pascal durch ihr dunkles Haar. »Ja, Liebes, ich bin hier, und ich werde dich nie mehr verlassen.«

      Eine dumpfe Erinnerung stieg in Saskia auf. »Das hast du gestern schon gesagt.« Dannlächelte sie wieder. »Ich habe dich gesucht, Pascal. Ich bekomme ein Baby.«

      Doch Pascal wußte von Dr. Sommer, daß er und Dr. Daniel bei der zweiten Operation vergeblich versucht hatten, dieses neue Leben, das in Saskia gewachsen war, zu retten. Doch das durfte er ihr jetzt noch nicht sagen.

      »Ja, Liebes, wir werden viele Babys haben.«

      Zu einer Erwiderung kam Saskia nicht mehr, denn Dr. Sommer und Dr. Daniel betraten in diesem Augenblick das Zimmer.

      »Na, wie geht’s unserem Sorgenkind?« wollte Dr. Sommer wissen.

      »Ganz gut«, antwortete Saskia leise. »Nur ein bißchen Schmerzen habe ich. In den Beinen. Und mein Kopf tut weh.«

      »Das ist kein Wunder«, meinte Dr. Daniel, dann lächelte er das junge Mädchen an. »Du hast mit Dr. Sommer und mir Puzzle gespielt. Du warst das Puzzle, und wir sollten dich zusammensetzen.«

      »So schlimm war es?« brachte Saskia mühsam hervor.

      Dr. Sommer setzte der Infusion, die das Mädchen bekam, ein Schmerzmittel zu, während Dr. Daniel liebevoll Saskias Hand tätschelte.

      »Du hast uns allen eine Menge Kopfzerbrechen bereitet«, meinte er. »Aber jetzt wird alles wieder gut. Du mußt allerdings noch viel Geduld aufbringen, denn deine Verletzungen werden nicht über Nacht heilen.«

      »Ich weiß«, murmelte Saskia, dann sah sie Dr. Daniel an. »Wo ist Stefan?«

      »Zu Hause. Er schläft, und ich glaube, das wird er noch eine ganze Weile tun. Er hat in den vergangenen Wochen viel durchgemacht.«

      »Wenn es ihm bessergeht… glauben Sie, er wird mich besuchen?«

      Dr. Daniel nickte. »Da bin ich ganz sicher, Saskia.«

      *

      Als Stefan Daniel erwachte, schien die Sonne ins Zimmer. Ein wenig mühsam richtete er sich auf. Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte, aber es mußten etliche Stunden gewesen sein.

      In diesem Moment öffnete sich ganz leise die Zimmertür, und sein Vater schaute herein. Als er sah, daß Stefan wach war, glitt ein Lächeln über sein Gesicht.

      »Na endlich«, meinte er. »Ich dachte schon, du verschläfst den Rest deines Lebens.« Er setzte sich zu ihm aufs Bett und streichelte flüchtig durch seine dichten Locken. »Na, mein Junge, wie geht’s?«

      Stefan zuckte die Schultern. »Du wirst es nicht glauben, aber ich bin müde.«

      »Doch, das glaube ich dir gern. Du hast in den letzten Wochen Entsetzliches durchgemacht.« Dann lächelte er. »Aber ich habe gute Nachrichten für dich, Stefan. Saskia ist gestern aus dem Koma erwacht.«

      Stefan senkte den Kopf. »Gestern. Ich schätze, das war unmittelbar, nachdem Pascal zu ihr gekommen war.«

      Dr. Daniel nickte. »Der Reiz seiner Stimme hat sie praktisch sofort geweckt.« Er beobachtete seinen Sohn und erkannte, wie nah der den Tränen war. Impulsiv nahm er ihn in die Arme. »Es tut schrecklich weh, Stefan, ich weiß. Und ich wünschte, ich könnte dir helfen.«

      »Kannst du, Papa«, brachte Stefan mühsam hervor. »Sei einfach nur für mich da.« Er zögerte. »Ich glaube, ich habe dich noch nie so dringend gebraucht wie jetzt.«

      Dr. Daniel drückte ihn liebevoll an sich. »Du kannst dich auf mich verlassen, mein Junge. Ich werde für dich da sein – jederzeit.«

      Stefan löste sich von ihm, dann senkte er den Kopf. »Ich habe mich dir gegenüber nicht immer richtig verhalten, aber…«

      »Ich glaube nicht, daß jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um das zu erörtern, Stefan«, fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Unsere Diskussionen um die Praxis und um dein Studium haben nichts mit der jetzigen Situation zu tun. Ich bin dein Vater, und wenn du mich brauchst, dann bin ich für dich da – und zwar ohne jede Einschränkung. Und ich möchte auch nicht, daß du dich künftig aus Dankbarkeit anders verhältst. Sei einfach du selbst, ja?«

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