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klang wie eine Entschuldigung.

      Stefan betrachtete die tiefen Schatten unter den Augen seines Vaters und das dichte blonde Haar, das jetzt ein wenig durcheinandergeraten war.

      »Komm, Papa, leg dich hin«, erklärte er. »Ich glaube, du hast jetzt auch ein paar Stunden Schlaf bitter nötig.« Er brachte ein Lächeln zustande. »Du schaust ganz entsetzlich aus, wenn ich das in aller Deutlichkeit so sagen darf.«

      Dr. Daniel nickte. »Das Kompliment kann ich dir in vollem Umfang zurückgeben.« Mühsam erhob er sich von dem Stuhl, auf dem er gesessen hatte, und ließ sich in das Bett fallen, in dem bis vor kurzem noch Stefan geschlafen hatte. »Weck mich, wenn du mich brauchst.«

      »Ist in Ordnung«, entgegnete Stefan, doch das hörte Dr. Daniel schon nicht mehr.

      Die Nacht wurde lang für Stefan. In regelmäßigen Abständen kam eine Schwester herein, um nach Saskia zu sehen. Sie wußte, daß es nicht nötig gewesen wäre, da außer dem jungen Mann auch noch ein Arzt im Zimmer war. Stefan war allerdings froh, daß die Schwester ihren Dienst so gewissenhaft versah, denn sein Vater schlief fest, und er selbst fühlte sich trotz des langen Schlafs immer noch müde und abgespannt.

      Und als hätte die Schwester das gespürt, brachte sie Stefan unaufgefordert einen Becher Kaffee. Das heiße Getränk tat ihm gut; es regte nicht nur seinen Kreislauf an, sondern wärmte ihn auch. Hier auf der Intensivstation war es zwar alles andere als kalt, trotzdem aber fröstelte Stefan ein wenig.

      Gegen Morgen sah Dr. Sommer herein.

      »Immer noch unverändert«, erklärte Stefan.

      Der Chefarzt nickte, dann lächelte er den Sohn seines Freundes an. »Sie ist kräftig, Stefan, kräftiger, als ich gedacht hatte. Und ich glaube, sie hat eine reelle Chance, diesen entsetzlichen Unfall doch noch zu überleben.« Er wurde wieder ernst. »Aber du gefällst mir überhaupt nicht, mein Junge. Du solltest nach Hause fahren und versuchen, ein wenig zur Ruhe zu kommen.«

      »Ich habe gestern fast den ganzen Tag geschlafen«, entgegnete Stefan. »Und Ruhe kann ich überhaupt nicht finden, solange es Saskia nicht besser geht.«

      Dr. Sommer seufzte. »Dir ist wirklich nicht zu helfen.« Er kontrollierte noch einmal Saskias Werte, dann verließ er die Intensivstation, während sich Stefan über den mittlerweile achten Becher Kaffee hermachte.

      »Dein Magen läßt schön grüßen«, ließ sich Dr. Daniel vom Bett her vernehmen.

      Stefan wandte sich halb um. »Gut geschlafen, Papa?«

      Dr. Daniel erhob sich. »Ausgezeichnet.« Er schwieg einen Augenblick. »Aber ich meinte das eben ganz ernst. Auf nüchternen Magen solltest du wirklich nicht soviel Kaffee trinken.«

      Stefan seufzte. »Bitte, Papa, hör auf. Ich bin erwachsen und weiß selbst, was gut oder schlecht für mich ist.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich.« Dann betrachtete er die Monitoren. »Noch immer keine Veränderung?«

      Stefan schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Aber immerhin ist keine Verschlechterung eingetreten.«

      Sehr ernst sah Dr. Daniel ihn an. »Eine Verschlechterung würde den Tod bedeuten, das ist dir doch klar.«

      Stefan erwiderte seinen Blick. »Ich bin zwar noch kein Arzt, aber immerhin studiere ich Medizin, falls es dir entfallen sein sollte. Und ich bin nicht mal schlecht dabei.«

      Dr. Daniel legte seinen Arm um Stefans Schultern und drückte ihn für einen Augenblick an sich. »Das weiß ich doch, Stefan.«

      »Obwohl ich nie mit dir über mein Studium gesprochen habe?«

      Dr. Daniel nickte. »Erstens kenne ich meinen Sohn, und zweitens hat mich Karina immer auf dem Laufenden gehalten.« Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muß allmählich los. Noch einen Tag kann ich meine Praxis nicht allein lassen.« Er sah Stefan an. »Kommst du mit?«

      Doch sein Sohn schüttelte den Kopf. »Ich muß bei Saskia bleiben.«

      »Dafür habe ich Verständnis«, erklärte Dr. Daniel, dann stand er auf, aber an der Tür drehte er sich noch einmal um. »Stefan, ich verlasse mich darauf, daß du vernünftig bist – auch wenn ich nicht hier bin. Du mußt essen, und du mußt schlafen. Es nützt Saskia nichts, wenn du dich hier kaputt machst.«

      Stefan lächelte. »Keine Sorge, Papa, so schnell bin ich nicht unterzukriegen.«

      Diese Antwort befriedigte Dr. Daniel zwar überhaupt nicht, doch er hatte jetzt keine Zeit mehr für eine große Diskussion. Und so konnte er nur hoffen, daß Dr. Sommer ein bißchen auf Stefan achten würde.

      *

      Bevor Dr. Daniel die Klinik von Dr. Sommer verließ, lief er noch rasch auf die Station, um nach Marina Schermann zu sehen. Sie erschrak, als er ihr Zimmer betrat.

      »Meine Güte, Herr Doktor, wie sehen Sie denn aus?« fragte sie, und aus ihrer Stimme klang offene Besorgnis.

      Dr. Daniel brachte ein Lächeln zustande. »Ich muß gestehen, daß ich noch in keinen Spiegel geschaut habe, aber nach Ihrer Reaktion zu schließen, muß ich einem Gespenst ähneln.« Dann wurde er ernst. »Eine Freundin meines Sohnes, die ich ebenfalls sehr gut kenne, liegt hier auf der Intensivstation. Sie hatte einen schweren Unfall.« Er sah Marina an. »Aber eigentlich bin ich heraufgekommen, um mich nach Ihrem Zustand zu erkundigen.«

      Marina lächelte. »Mir geht’s gut. Die Wehen haben aufgehört, aber Dr. Sommer läßt mich trotzdem noch nicht weg.«

      Dr. Daniel nickte. »Das ist auch gut so. Mit vorzeitigen Wehen ist nicht zu spaßen. Und Sie haben hier ja alles, was Sie brauchen.«

      »Ja, Herr Doktor, ich fühle mich bestens versorgt«, stimmte Marina zu. »Und jetzt, nachdem meine Schwangerschaft anscheinend wieder einigermaßen normal verläuft, kann ich mich auch so richtig auf mein Baby freuen.«

      Dr. Daniel brachte ein Lächeln zustande. Bei der Angst und Sorge, die er um Saskia und auch um seinen Sohn ausstand, tat es ihm gut, daß wenigstens hier alles wieder in Ordnung war.

      »Wenn es meine Zeit zuläßt, dann werde ich kommen, wenn Ihr Baby geboren wird«, erklärte er.

      Da ging in Marinas Gesicht die Sonne auf. »Das wäre schön, Herr Doktor.« Dann wurde ihr Lächeln fast geheimnisvoll. »Eigentlich wollte ich es Ihnen jetzt noch nicht sagen, aber… Ricky und ich haben beschlossen… wenn es ein Junge wird, dann soll er Robert heißen.«

      Dr. Daniel lächelte. »Das ehrt mich, Frau Schermann.« Er zögerte. »Und wenn Sie einen Paten brauchen, dann würde ich mich in diesem Fall ganz besonders gern zur Verfügung stellen.«

      Marina strahlte. »Das Angebot nehmen wir natürlich mit Freuden an, Herr Doktor. Immerhin verdanken wir Ihnen eine ganze Menge. Ohne Sie hätten Ricky und ich uns wahrscheinlich niemals kennengelernt.«

      *

      Als Dr. Daniel am Samstag morgen die Intensivstation der Sommer-Klinik betrat, erschrak er zutiefst. Während der beiden Tage, die er nicht hiergewesen war, hatte sich Stefan offensichtlich keinen Meter von Saskias Bett entfernt. Er sah mittlerweile aus wie ein Gespenst. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und waren dunkel umschattet, und in seinem Gesicht wucherte ein wilder Stoppelbart. Es war klar, daß er in diesen Tagen weder aus seinen Kleidern gekommen war noch geschlafen hatte. und Dr. Daniel war sicher, daß er sich nur mit Unmengen von Kaffee hatte wachhalten können.

      »Das ist doch…«, knurrte er ärgerlich, doch Stefan schien ihn überhaupt nicht zu bemerken. Er mußte so vollkommen fertig sein, daß er sich nur noch auf Saskia konzentrieren konnte.

      Dr. Daniel machte auf dem Absatz kehrt und suchte seinen Freund auf.

      »Ich weiß, weshalb du kommst«, erklärte Dr. Sommer, nachdem Dr. Daniel ohne anzuklopfen in sein Büro gestürmt war. Jetzt stand er wie ein Racheengel vor seinem Freund, und Dr. Sommer wußte genau, daß er nicht so schnell wieder zu Wort kommen würde.

      »Ich

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