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du Stefan in dieser schwierigen Situation sich selbst überlassen hast, obwohl du wußtest, daß ich in Steinhausen bleiben mußte, werde ich dir nie verzeihen, Schorsch. Es war unverantwortlich von dir, den Jungen einfach allein zu lassen. Stefan ist im Augenblick nicht fähig zu überschauen, was er aushalten kann und was nicht…«

      »Das weiß ich«, fiel Dr. Sommer ihm ins Wort. Die Anschuldigungen seines Freundes trafen ihn hart, trotzdem versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. Deine Vorwürfe sind ungerechtfertigt, Robert. Ich habe in den vergangenen zwei Tagen alles versucht, um ihn zum Essen oder Schlafen zu bewegen – ohne Erfolg. Auch Karina war einige Male hier, aber nicht einmal sie konnte zu ihm durchdringen, denn es hat während deiner Abwesenheit einen Vorfall gegeben, von dem du noch nichts weißt. Fräulein Felber hatte einen Herzstillstand, und nur Stefans Anwesenheit war es zu verdanken, daß sie erfolgreich wiederbelebt werden konnte. Du kannst dir sicher vorstellen, daß Stefan nach dieser Geschichte nicht bereit war, seine Freundin auch nur eine Sekunde allein zu lassen.«

      Dr. Daniel senkte ein wenig verlegen den Kopf. »Ja… natürlich.« Dann sah er Dr. Sommer betroffen an. »Es tut mir leid, daß ich so heftig geworden bin, Schorsch.«

      Da stand Dr. Sommer auf, kam um seinen Schreibtisch herum und legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. »Mach dir darüber mal keine Gedanken, Robert. Ich glaube, daß jeder Vater so reagiert hätte wie du.«

      Mit Mühe brachte Dr. Daniel ein Lächeln zustande. »Danke, Schorsch.« Er schwieg einen Moment, dann erkundigte er sich: »Wie ist der Zustand von Saskia jetzt?«

      »Stabil«, antwortete Dr. Sommer. »Allerdings ist sie noch immer nicht außer Lebensgefahr.«

      Dr. Daniel nickte. »Ich werde Stefan trotzdem mitnehmen. Wenn irgend etwas sein sollte – du weißt ja, wo du ihn erreichen kannst.«

      »Natürlich, Robert«, stimmte Dr. Sommer zu. »Sobald sich etwas ändert – zum Guten oder auch zum Schlechten – rufe ich sofort bei dir an.«

      Dr. Daniel bedankte sich, dann kehrte er zur Intensivstation zurück, doch an dem Bild hatte sich nichts geändert. Stefan saß nach wie vor an Saskias Bett und beobachtete die Monitoren. Es schien, als könne er nie wieder etwas anderes tun.

      Sehr behutsam legte Dr. Daniel ihm eine Hand auf die Schulter. »Komm, Stefan. Du brauchst ein bißchen Ruhe.«

      Doch der schüttelte den Kopf. »Saskia wäre gestorben, wenn ich nicht hier gewesen wäre.«

      »Ich weiß, aber jetzt ist ihr Zustand stabil. Also, komm schon.«

      »Nein«, entgegnete Stefan hartnäckig. »Sie schwebt noch immer in Lebensgefahr.«

      »Das kann noch Tage dauern, und wenn du mit deinen Kräften weiterhin solchen Raubbau treibst, dann kannst du dich bald dazu legen. Also Stefan, du kommst jetzt mit. Und ein Nein akzeptiere ich diesmal nicht.«

      Damit nahm Dr. Daniel seinen Sohn einfach am Arm und zog ihn hoch. Stefan mußte wohl oder übel gehorchen, denn in seinem geschwächten Zustand war er zu einer Gegenwehr nicht mehr fähig.

      »Wenn Saskia etwas zustößt, dann wirst du deines Lebens nicht mehr froh werden, das schwöre ich dir«, drohte er, und Dr. Daniel spürte, daß Stefan ernst meinte, was er sagte. Trotzdem war ihm die Gesundheit seines Sohnes wichtiger. Ob Saskia Felber überlebte oder nicht, lag ohnehin in Gottes Hand, und irgendwann würde auch Stefan das begreifen müssen.

      Kaum in seiner Villa in Steinhausen angekommen, verfrachtete Dr. Daniel seinen Sohn ins Bett. Schlafen war für ihn jetzt wichtiger als essen. Widerstandslos ließ Stefan es geschehen, daß sein Vater ihm ein starkes Beruhigungsmittel spritzte, das ihm einen erholsamen Schlaf gewährleisten würde. Und während Dr. Daniel noch das Pflaster auf die Einstichstelle klebte, war Stefan schon fest eingeschlafen.

      »So, mein Junge, morgen um diese Zeit sehen wir uns wieder«, meinte Dr. Daniel, bevor er den Raum verließ.

      *

      Als Stefan erwachte, schien die Sonne ins Zimmer. Abrupt richtete er sich auf und wurde dabei von einem leichten Schwindel ergriffen. Doch seine Benommenheit konnte ihn nicht daran hindern aufzustehen. Noch ein wenig schwankend erreichte er die Tür.

      »Na, schon ausgeschlafen?« fragte Dr. Daniel, dann kam er zu ihm, um ihn zu stützten. »Drei Tage ohne Essen machen sich bemerkbar, nicht wahr?«

      »Ich glaube eher, daß sind die Nachwirkungen des Medikaments, das du mir gespritzt hast«, entgegnete Stefan.

      »Wie dem auch sei. Du wirst jetzt erst mal frühstücken, anschließend kannst du dann duschen oder auch baden, wenn es dir lieber ist.« Dr. Daniel lächelte. »Und wo mein Rasierapparat steht, weißt du auch. Dann kannst du nämlich endlich diesen entsetzlichen Wald aus deinem Gesicht entfernen. Man erkennt dich ja kaum wieder.«

      »Soviel Zeit habe ich nicht«, widersprach Stefan. »Ich muß sofort wieder nach München. Wie spät ist es überhaupt?«

      »Kurz nach zehn.«

      Stefan wurde stutzig. »Dann habe ich ja gar nicht so lange geschlafen, wie ich dachte. Es kann doch erst gegen acht gewesen sein, als du mich aus der Klinik geholt hast.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Dein Gedächtnis ist gut. Es war tatsächlich acht Uhr morgens. Allerdings gestern um acht.«

      Entsetzt starrte Stefan ihn an. »Wie bitte? Soll das heißen, ich habe vierundzwanzig Stunden geschlafen?«

      Sein Vater nickte. »Und du hattest es auch bitter nötig. So, Stefan, jetzt setz dich endlich. Ohne Frühstück lasse ich dich nämlich nicht weg – und wenn du dich auf den Kopf stellst.«

      »Papa…«

      »Da nützt dir auch dein bittendes ›Papa‹ nichts. Du bleibst hier und ißt etwas. Und damit eines gleich klar ist: Es wird ein kaffeeloses Frühstück. In den letzten Tagen hast du deinen Magen mit Coffein schon fast vergiftet. Also, mein Sohn, wird’s bald…«

      »Oho, da wird mein armes Brüderlein aber gnadenlos ausgeschimpft«, erklärte Karina, die unbemerkt das Haus betreten hatte und nun schmunzelnd in der Tür stand.

      Überrascht sah Dr. Daniel seine Tochter an. »Karina! Wie kommst du denn hierher? Solltest du nicht in der Uni sein?«

      Karina grinste. »Eigentlich schon, aber nachdem ihr beide offensichtlich das Telefon abgestellt habt…«

      »Haben wir nicht«, verwahrte sich Dr. Daniel energisch. »Schließlich hätte Schorsch hier anrufen können.« Er überlegte einen Moment. »Das heißt… so vor einer Stunde war ich rasch beim Bäcker.«

      »Um diese Zeit könnte es gewesen sein«, stimmte Karina zu, dann setzte sie sich ebenfalls an den Tisch und sah zu, wie Stefan zu frühstücken begann. Daß ihr Bruder dabei aussah wie ein Landstreicher, störte sie nicht. Schließlich wußte sie ja, was er hinter sich hatte. Um so mehr freute sie sich, ihm eine so freudige Nachricht überbringen zu können.

      »Nachdem Onkel Schorsch euch nicht erreicht hat, hat er mich angerufen.« Jetzt lächelte sie Stefan an. »Saskia ist außer Lebensgefahr.«

      Stefan sprang auf. »Ich muß sofort zu ihr!«

      »Du bleibst schön sitzen! Und zwar so lange, bis du aufgegessen hast«, erklärte Dr. Daniel streng, und man merkte ihm dabei kaum an, wie erleichtert er über die Neuigkeit war, die seine Tochter gerade überbracht hatte. »Ich nehme an, die junge Dame ist noch ohne Bewußtsein. Du hast also genügend Zeit. Außerdem kannst du Saskia unmöglich so gegenübertreten, wie du jetzt aussiehst.«

      »Da muß ich Papa recht geben«, stimmte Karina zu. »Die arme Saskia erschrickt ja zu Tode, wenn sie dich so sieht. Und du hast wirklich Zeit, Stefan. Onkel Schorsch hat gesagt, daß es sicher noch eine ganze Weile dauern wird, bis sie erwacht.«

      Erst jetzt zeigte auch Dr. Daniel seine Freude über die gute Nachricht. Aufatmend lehnte er sich zurück.

      »Meine Güte, bin ich froh, daß es so ausgegangen ist«, erklärte er lächelnd.

      »Wenn

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