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Peking-Paris im Automobil. Luigi Barzini
Читать онлайн.Название Peking-Paris im Automobil
Год выпуска 0
isbn 4064066114398
Автор произведения Luigi Barzini
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Einzug der „Itala“ in Hsin-wa-fu.
Der Lien-ya-miao steht abgesondert von den übrigen Bergen und ist höher als sie, so daß es den Anschein hat, als führe er den Oberbefehl über sie. Im Süden wird er vom Hun bespült und beherrscht eine Strecke lang den Lauf des Flusses von der Höhe ungeheuerer, senkrecht ansteigender Felsen herab. Die Straße nach Kalgan zieht sich in der Nähe des Hun-ho hin, bald an dem Ufer des Flusses, bald an dem Absturz des Berges, hier durch Sand, dort über steile Felsen; sie klimmt empor und steigt nieder, bis sie dort, wo sich die Berge im Kreise umherstellen, den Fluß verläßt und sich über sanft ansteigende Hügel der Hochebene von Hsin-wa-fu nähert, auf deren Grenze Kalgan am Fuße anderer Berge liegt.
Am Fuße des Lien-ya-miao liegt die Stadt Ki-mi-ni; an den Ecken ihrer Mauern stehen zierliche Pagoden, und über die Zinnen erhebt sich ein Tempeldach mit aufgebogenen Ecken, überragt von Majolikadrachen und mit Glöckchen behängt. Von Ki-mi-ni sieht man nichts anderes. Der Ort ist ganz von hohen, ein Quadrat bildenden Mauern umschlossen wie so viele chinesische Städte. Es sind seltsame Städte, in deren unmittelbarer Nähe wir vorüberziehen, ohne etwas von ihrem Umriß zu entdecken, geheimnisvolle Städte, die sich vor der Neugier wie vor einem Feinde schützen. Während wir außen um ihre Bastionen in schweigender Einsamkeit unseren Weg fortsetzen, erscheint es uns fast unmöglich, daß auf der andern Seite dieser großen düsteren, gleichmäßigen Mauern eine Bevölkerung lebt, daß es dort Straßen, Häuser, Märkte, Freude und Leid gibt. In China ist alles von Mauern umgeben: das Reich, die Städte, die Tempel, die Häuser. Das Ideal des chinesischen Lebens ist die Stille des Gefängnisses.
In den Felsen des Lien-ya-miao-Gebirges.
Als wir um Ki-mi-ni herumgezogen waren, befanden wir uns unvermutet am Ufer des Hun-ho, im Schatten des Lien-ya-miao, dessen Felswände über uns emporragten. Auf dem Gipfel des Berges bemerkten wir einen Tempel. Wie hat man es angefangen, ihn dort oben zu erbauen? fragten wir uns verwundert. Pietro beeilte sich, uns eine Aufklärung zu geben. Dieser Tempel wurde nicht von Menschenhänden errichtet. Kein Mensch wäre dazu imstande gewesen. Er ist von Buddha selbst erbaut worden. Dieser stieg vor vielen Jahrtausenden in Gestalt einer alten Frau vom Himmel herab und errichtete das Heiligtum in einer einzigen Nacht. Und in derselben Nacht erbaute er, nachdem er sich in die Gestalt eines alten Mannes verwandelt hatte, eine Brücke über den Hun, von der noch Trümmer vorhanden sind. Und Pietro zeigte uns in der Tat die Überreste eines steinernen, von Gestrüpp umwachsenen Brückenkopfes. Es ist seltsam, wie weitverbreitet unter den Völkern Ostasiens die Legende von einem Gotte ist, der auf Erden unter der Gestalt eines alten Mannes und einer alten Frau erscheint, um dringende Arbeiten auszuführen. Der Tempel und die Brücke erinnern mich daran, daß in Japan die Göttin Kwannon ebenfalls in einer einzigen Nacht und unter der doppelten Gestalt eines alten Mannes und einer alten Frau ihr eigenes Bild in doppelter Ausführung in zwei riesige Baumstümpfe geschnitten hat; eins von diesen Selbstporträts wird noch heute in Kamakura verehrt, wo auch ich es gesehen habe. Gottheit und Alter verschmelzen oft in den asiatischen Legenden miteinander, vielleicht weil die Gottheit und das Alter Gegenstand gleicher Verehrung sind.
Der Fluß war infolge der Regengüsse angeschwollen; breit und trüb strömte er in unregelmäßigem Laufe in seinem mächtigen sandigen Bette hin. An einer Stelle senkte der Berg seine Felsenwand jäh bis zum Wasserspiegel hinab. In den Zeiten der Trockenheit durchwaten die Karawanen den Hun und setzen ihren Weg auf dem andern Ufer fort. Bei dem hohen Wasserstande wagten wir dies nicht und entschlossen uns, den Weg über den Berg zu wählen, der sich steil vor uns in plötzlichem Aufstiege erhob und zwischen den Felsen verlor.
Wir begannen hinaufzuklimmen.
Ankunft der französischen und des holländischen Automobils in Kalgan.
Der Pfad war in den Fels gehauen und folgte allen Abschüssigkeiten des Berges. Er machte so scharfe Schlangenwindungen, daß wir zuweilen auf zehn Schritte Entfernung noch keine Fortsetzung erblickten und den Eindruck hatten, als münde er in den Abgrund. Nie ließ er uns seine Krümmungen erraten; wir erfuhren beständig Überraschungen. Zu unserer Rechten erhob sich die Felswand, zur Linken hatten wir den Abgrund. In dessen Tiefe schäumte der Fluß. Jenseits des Flusses entdeckten wir beim Weitersteigen einen Horizont, der sich in unermeßliche Fernen ausdehnte, das Tal des Sang-kan-ho, die blaßblauen Berge des Huang-hua-schan, in unbestimmten Umrissen, unkörperlich, leicht wie Gespenster von Bergen; sie eröffneten den Blick ins Herz der Provinz Schansi. Stellenweise verengerte sich der Pfad, zuweilen war er kaum breit genug für die Räder; es waren angstvolle Augenblicke. Auf dem Straßenrande waren stellenweise Mauervorsprünge zum Ausweichen angebracht, die entweder einzustürzen drohten oder schon eingefallen waren, und wenn wir in die Tiefe sahen, hatten wir den Eindruck, als schwebten wir in der Luft. Längs des Hun sahen wir Karawanen von Kamelen ziehen, die von hier aus Insektenschwärmen glichen. Bisweilen ragten Felsblöcke über unseren Köpfen in den Weg hinein, so daß wir fast instinktiv unseren Schritt beschleunigten und dadurch auch die andern zur Eile veranlaßten.
Ettore im Hofe einer chinesischen Karawanserei.
Die Beförderung des Automobils war mühselig und schwierig. Wir arbeiteten gemeinsam mit den Chinesen, bald an den Rädern, indem wir die Speichen mit den Schultern schoben, bald, indem wir an den Seilen ziehen halfen und die Arbeitskräfte leiteten. Die Kulis waren bewundernswert. Etwas von unserer Beklemmung und von unserer Begeisterung war auf sie übergegangen. Achtsam und willig boten sie ihre gesamte Kraft und ihre gesamte Intelligenz auf. Sie setzten ihren Ehrgeiz in die harte Arbeit. Sie hatten Mittel gefunden, gewisse Hindernisse zu überwältigen, und wandten sie an, ohne den Befehl dazu abzuwarten. Sie studierten unsere Gebärden, sie suchten unsere Absichten zu erraten. Sie hatten den Mechanismus des Wagens auf das beste begriffen, und wenn sie sahen, daß die Vorderräder so in Spalten oder zwischen Steinen eingeklemmt waren, daß es unmöglich war, sie zu bewegen, so liefen sie herbei, um sie freizumachen, schoben sie so, daß sie sich nach der günstigsten Seite drehen mußten, und unterstützten die Absicht Ettores, der das Steuerrad lenkte. Die Bedeutung einiger Worte unserer Sprache war kein Geheimnis mehr für sie: „Kräftig los, vorwärts, halt, langsam, aufgepaßt!“ waren ihren Ohren Laute geworden, die eine beredte Sprache führten. Zu alledem kam eine unverwüstlich gute Laune, ein Streben, um jeden Preis zufrieden zu sein. Bei jeder überwundenen schwierigen Stelle gab es einen Heiterkeitsausbruch. Nach der heftigen Aufregung einer starken Kraftanspannung hatten sie noch Lust, mit matter Stimme zu singen. Sie feierten ihre kleinen Siege. Sie fanden tausenderlei Stoff zu Gesprächen und zu Gelächter, bis der Ruf: „Achtung!“ sie verstummen ließ und sie von neuem unter das gespannte Seil beugte. Der Umstand, daß auch wir bereit waren, uns an die Seile zu spannen, in Hemdärmeln, mit nackten Armen, und daß wir im Notfalle unsere Anstrengungen mit den ihrigen vereinten, spornte sie an. Vielleicht machte sie dies auch stolz.
Wir wußten nicht, wie spät es war, weil wir es nicht wissen wollten. Auf manchen Reisen müßte man die Uhr stets zu Hause lassen; sie ist eine schlechte Begleiterin, die entmutigt, indem sie zeigt, wie langsam die Zeit verrinnt. Wir lebten außerhalb der Zeit. Wir hatten den Eindruck, als seien wir seit unvordenklicher Zeit auf dem Marsche durch die Berge; dies lehrt Resignation. Der Tag wollte kein Ende nehmen. Vom wolkenlosen Himmel strahlte die Sonne herab und erhitzte die Felsen; sie verwandelte sie in eine glühende Masse. Wenn wir die Steine berührten, zogen wir die Hände mit einer Empfindung zurück, als hätten wir uns verbrannt. Die Luft war unbeweglich und infolge der zurückprallenden Sonnenstrahlen unerträglich heiß; es schien, als hauche das Gebirge wie ein schlafender Riese einen seiner Atemzüge über uns aus. Einige Kulis hatten ihren bronzefarbenen Oberkörper entblößt, und das über ihre Schulter gelegte Seil drückte in die Haut und schnitt in die Muskeln ein. Aber die Nackten