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Sie die Augen offen, spielen Sie aber den Harmlos-Vergnügten, singen Sie möglichst kräftige Loblieder auf Harald Harst, seine Liebenswürdigkeit, seine Zigaretten, seinen Kognak, und ziehen Sie den ganzen Besuch bei mir ins Scherzhafte. – Noch etwas, Herr Lehmann: Mit wem verkehrt Gumlowsky? Was treibt er nach Geschäftsschluß?“

      „Verkehr hat er mit niemand, Herr Harst. Er ist eifriger Segler. Er besitzt eine kleine Jacht namens Möwe, die im Großen Wannsee vor Anker liegt. Meist fährt Gumlowsky um halb sechs nachmittag noch mit seiner Frau nach Wannsee, nimmt Abendbrot mit und segelt. Einige Male hatte er mich eingeladen.“

      „So – nun können Sie uns das Haus wieder aufschließen, Herr Lehmann. Wir wissen vorläufig genug.“

      Vor der Haustür noch zwei kräftige Händedrücke, und dann schritten wir langsam die Kantstraße in Richtung Zoologischer Garten hinab, bestiegen hier ein Auto und fuhren heim.

      Als das Auto sich kaum in Bewegung gesetzt hatte – es war ein offener Wagen –, klemmte Harald seinen mit einer Klammer versehenen Hohlspiegel unten auf die Zwinge des Spazierstocks, hob den Spiegel über den Hinterrand des Wagens hinaus, lehnte sich zurück und beobachtete, ob ein anderes Auto uns folgte.

      „Natürlich!“ sagte er nach einer Weile. „Natürlich ist abermals jemand hinter uns, mein Alter!“ Er steckte den Spiegel wieder in die Tasche und legte mir die Hand auf das Knie. „Du – das wird eine ganz große Sache! Dieser Karl-Ernst Lehmann ahnt nicht, wie wichtig seine Mitteilungen sind!“

      „So?! – Gumlowsky ist ein Verbrecher, nicht wahr? Seine Bekanntschaft mit dem „schwarzen Mar“ – doch fraglos ein Kaschemmenspitzname! – spricht allein schon gegen ihn.“

      „Das stimmt. Noch belastender ist aber all das andere: die leeren Briefbogen, der Brief an Mr. Austin nach London, der Diebstahl der Familienpapiere und die Verfolgung durch zwei verkleidete Männer, die sich dieselbe Maske zurechtgemacht haben. Die Frau, die unser Freund Karl-Ernst heute gegen zwei Uhr nachmittags im Geschäftslokal der Allemannia verschwinden sah, war sehr wahrscheinlich der schwarze Mar.“

      „Und die leeren Briefbogen?“

      „Da ist mir eine Vermutung gekommen, die mit Gumlowskys Segeleifer zusammenhängt, außerdem mit der braven Mathilde letztem gewaltigen Ärger –“

      „Wie – heute mit dem Hühnerdieb?“

      „Nein, lieber Alter. Dieser Ärger liegt weiter zurück. Zerbrich Dir aber nicht den Kopf. Die gute Mathilde schimpft so oft auf dies und jenes, daß die Auswahl zu groß ist. – Wir werden jetzt daheim zu Bett gehen und um halb drei Uhr morgens wieder aufstehen, werden uns zweckentsprechend verändern und uns Kantstraße Nr. 308 gegenüber einmieten, damit wir Herrn Gumlowsky stets in der Nähe haben. Das weitere findet sich dann schon. Ich bitte Dich, jetzt nicht mit tausend Fragen über mich herzufallen. Ich bin völlig taub!“

      Ich mußte mir die tausend Fragen also leider verkneifen. Dafür überlegte ich mir nun nochmals die Ereignisse des heutigen Abends und – überlegte mir alles so gründlich, daß ich mir zum Schluß eingestand: „Du hättest Dir diese Gedankenarbeit sparen können! Du bist um nichts klüger geworden!“ –

      Das Auto hielt. Als wir den Flur des Erdgeschosses betraten, kam uns Mathilde brummig entgegen.

      „Hier – dies hab’ ich oben auf dem Körnerboden überm Hühnerstall hinterm Maissack gefunden!“

      Sie gab Harald ein in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen von etwa Buchgröße.

      „Ich wollt’ doch mal sehn, ob der Mensch sich auch nicht die Taschen mit Mais vollgesteckt hat,“ brummte sie weiter. „Der war doch nicht harmlos! Der Ajax liegt auch ganz matt in seiner Hütte.“

      „Ah – den Hund haben wir ganz vergessen,“ meinte Harald zerstreut. „Es ist gut, Mathilde. Gute Nacht.“

      Wir gingen in Harsts Studierzimmer.

      Das Päckchen wurde nun geöffnet. Und – in der kleinen Pappschachtel lag Papiergeld: Hundertmarkscheine, Fünfmarkscheine, Zwanzigmarkscheine!

      „Es sind genau 2140 Mark,“ sagte Harald.

      „Ob Karl-Ernst Lehmann das Päckchen hinter den Maissack geschoben hat?“

      Harst antwortete nicht. Er hatte die Zeitung, in die das Schächtelchen gehüllt gewesen, glatt gestrichen.

      Es war eine alte Nummer der Swinemünder Zeitung – vom 10. April des vorigen Jahres. Oben rechts in der Ecke über dem Titel stand nur noch schwer lesbar mit Bleistift geschrieben:

      Miete 62 Mk., Steuern 23 Mk., Licht 18 Mk., Gas 14 Mk., Wäsche 19 Mk.; zusammen 136 Mk. für April.

      Harald schlug die Zeitung auf. Unten links sah man Tintenspuren, bereits vergilbt: der Abdruck eines Namens.

      Als Harst einen Spiegel vor den Namen hielt, lasen wir deutlich:

      Lehmann.

      Es war eine sehr energische, schmucklose Schrift.

      „Hm,“ meinte Harald, „ganz interessant. Die Schrift unseres Karl-Ernst Lehmann ist es nicht. Ich sah auf seinem Schreibtisch ein offenes Buch liegen. Auf dem Titelblatt stand sein Name. – Dies hier rührt von einem anderen Lehmann her. Falls unser –“

      Er schwieg. Es hatte draußen geläutet.

      „Vielleicht Herr Gumlowsky, der uns von seiner Biederkeit überzeugen will,“ sagte Harald dann.

      Ich ging öffnen. Vor mir – der Rotbärtige, Korpulente, – also tatsächlich der Herr Chef!

      „Prießkorn,“ stellte er sich vor. Privatdetektiv August Prießkorn –“ – Er lächelte dabei.

      Ich bekam keinen schlechten Schreck. Denn Prießkorn kannten wir. Wir hatten ihn wiederholt beschäftigt, wenn wir beide die Ermittlungen in einer umfangreichen Sache nicht allein erledigen konnten.

      Wenn dieser Prießkorn wirklich unser Prießkorn war, und die Stimme klang mir sehr bekannt, dann – dann hatte Karl-Ernst Lehmann uns vielleicht gehörig angelogen.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war August Prießkorn. Er saß in der Sofaecke, rauchte eine von Harsts besten Zigarren und berichtete:

      „Heute nachmittag gegen halb drei Uhr war ein Agent Max Gumlowsky bei mir und beauftragte mich, seinen Prokuristen Karl-Ernst Lehmann zu beobachten, den er im Verdacht hatte, dauernd kleinere Beträge zu unterschlagen. Insbesondere soll Lehmann dies während Gumlowskys Grippeerkrankung getan haben. Gumlowsky hat daher verschiedene Hundert- und Fünfzigmarkscheine gezeichnet.“

      „Halt!“ rief Harst. „Sehen wir mal nach –“

      Er öffnete das Pappkästchen und prüfte die Scheine, reichte sie dann Prießkorn.

      „Hier sind 23 darunter, die ein M. G. im Reichswappen haben.“

      Prießkorn nickte. „Dann stimmt das schon. Woher haben Sie die Kassenscheine, Herr Harst?“

      „Erzählen Sie nur erst weiter, Kollege!“

      „Ich begann dann heute sofort mit der „Beschattung“, wie wir es nennen. Ich sollte hauptsächlich feststellen, ob Lehmann teure Bars besucht und den Lebemann spielt. Ich hatte einen meiner Angestellten in die gleiche Maske gesteckt –“

      „Aha!“ machte Harst. „Und Sie folgten dann Lehmann bis hierher zu zweien, folgten uns auch bis zu seiner Wohnung.“

      „Ja. So ist’s. Ich blieb dann im Auto hinter Ihnen –“

      „Wissen wir alles. – Nun sollen Sie erfahren, was Karl-Ernst Lehmann hier wollte. Er ist vor vier Tagen bestohlen worden und bat uns, den Dieb zu suchen!“

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