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Nein – das wäre schade gewesen!“

      Ich setzte mich.

      „Würdest Du mir nicht erklären, was Du vorhast?“ bat ich gespannt.

      „Ich will die fünf Millionen stehlen – tatsächlich!“

      Da wurde ich ungemütlich.

      „Laß doch den Unsinn! Wenn Du auch Orstra damit irgendwie bluffen wolltest, – bei mir –“

      „– bei Dir will ich’s genau so wenig! – Nun brühe uns bitte eine Tasse Kaffee auf –“

      Ich holte die Kaffeemaschine. Der Spiritus flammte auf. Und wieder konnte ich mich nicht beherrschen und fragte:

      „Gumlowsky und Orstra sind alte Bekannte und –“

      Harald unterbrach mich: „Ja – und nicht Gumlowsky, sondern Orstra war bei uns im Garten und im Hühnerstall und hat das Geld hinter den Maissack gelegt. – Nun störe mich nicht. Der Stammbaum ist recht interessant. Aus den Namen der verstorbenen Mitglieder der Familie habe ich mir schon vier herausgesucht –“

      „Weshalb?“

      „Nun – Gumlowsky hat die Familienpapiere doch nur gestohlen, um echte Ausweise in die Finger zu bekommen. Vielleicht hat er von diesen Legitimationspapieren einige seinem Freunde Orstra heute überlassen, der mit ihrer Hilfe sich als biederer Bürger namens Albert Lehmann oder Fritz Schütze oder Heinrich Gohlke – letztere beide sind Schwiegersöhne eines Onkels von Karl-Ernst Lehmann gewesen – ausgeben kann. Wenn Orstra sich jetzt zum Beispiel irgendwo in Berlin als Fritz Schütze aus Küstrin ein Zimmer mietet und dort sehr solide lebt, wird niemand ihn belästigen. Höchstens werden wir es tun – nach dem 17. September.“

      „Aha – mir geht ein Licht auf! Du hoffst Orstra auf diese Weise schnell zu finden und ihm die Millionen wieder abzunehmen.“

      „Ja – denn er wird nach dem 17. nicht sofort fliehen, sondern als solider Herr weiter wohnen bleiben, wo er wohnt, und niemand würde ihn dann beargwöhnen.“

      „Hm – und die sechs leeren Briefbogen?“

      „Oh – die spielen nach wie vor die Hauptrolle!“

      „Auch bei dem Streich, durch den Du Orstra am 17. hineinlegen willst?“

      „Ja, auch dabei.“

      „Das ist mir unklar!“

      „Weil Du keinen – Farbensinn hast.“

      Ich begann zu grübeln. – Farbensinn?! Was sollte das nun wieder?! –

      Harald war an seinen Schreibtisch gegangen und untersuchte das Stück Fleisch.

      „Es ist wirklich vergiftet,“ erklärte er. „Armer Ajax, hoffentlich hat die Einspritzung Dir geholfen! Ich will doch mal auf den Hof gehen und nachschauen.“

      Er kehrte sehr bald zurück.

      „Ajax wird am Leben bleiben, mein Alter. – So, nun eine Tasse Kaffee. Dann werde ich einen Brief nach Swinemünde schreiben. Dort muß es einen Magistratssekretär Albert Lehmann gegeben haben, der am 19. Juli des Vorjahres verstorben ist und zwar als Junggeselle, der 62 Mark Miete gezahlt hat und monatlich 23 Mark Steuern. Dieser Lehmann wäre heute 45 Jahre alt, und – im gleichen Alter etwa ist Orstra. Falls sich die Papiere dieses Lehmann ebenfalls unter der Sammlung befunden haben, dann könnte Orstra vielleicht diese Papiere gewählt und sich für die nächsten Wochen in Albert Lehmann umgetauft haben. Mein Brief bezweckt folgendes: ich will vom Magistrat Swinemünde schwarz auf weiß bestätigt haben, daß Albert Lehmann tot ist! – Wenn Orstra dann hier als Herr Magistratssekretär auftritt, werde ich ihm sofort im geeigneten Moment beweisen, daß er dieser Herr nicht sein kann und daß ich – Halt – das darf ich ja nicht. Der Brief muß unterbleiben, denn dieses Schreiben verstieße gegen den Inhalt meines ehrenwörtlichen Versprechens!“ –

      Am Vormittag erschien dann ein Herr aus Frankfurt am Main bei uns, ein bekannter Großindustrieller. Ihm waren die Zeichnungen für einen neuen Motor gestohlen worden. Abends fuhren wir nach Frankfurt. Am 14. hatte Harst den Dieb der Zeichnungen in Zürich ermittelt und die Skizzen ihm abgenommen. Am 15. abends waren wir wieder in Berlin. Als wir gegen elf Uhr auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin eingetroffen waren, als wir mit unseren beiden Koffern ein Auto bestiegen hatten und er dem Chauffeur als Ziel „Wannsee, Pension Seeblick“ nannte, da merkte ich, daß es jetzt Herrn Gumlowsky an den Kragen gehen sollte! Denn – in Wannsee lag Gumlowskys Jacht.

      Das Pensionat war nur noch schwach besetzt. Wir nahmen zwei Parterrezimmer. Unterwegs im Auto hatten wir uns bereits ein wenig verwandelt. Der Chauffeur hielt uns sicher für Kriminalbeamte. Wir gaben andere Namen an, aßen in unserem Wohnsalon und ruderten am 16. nachmittags mit einem dem Pensionat gehörigen Boot auf dem Großen Wannsee umher, bis wir Gumlowskys Jacht „Möwe“ gefunden hatten.

      Gegen halb fünf begab sich Herr Gumlowsky nebst Gattin an Bord der Jacht und machte sie klar zur Fahrt. Wir vertauschten das Ruderboot schnell gegen eine Segeljolle und hielten uns stets hinter der Möwe, die jetzt durch den Kanal in den Kleinen Wannsee einbog und dann an einem Bootssteg am Nordufer bei den letzten Häusern des Villenortes anlegte.

      Harald hatte sein Fernglas mit. Nachdem er das Ehepaar in einem Häuschen dicht am Ufer hatte verschwinden sehen, kehrten wir um.

      „Es geht alles ganz programmäßig,“ meinte Harst gutgelaunt. –

      Gegen neun Uhr abends – es war sehr dunkel und windig – lagen wir beide in einem Gebüsch in der Nähe desselben Häuschens, das seiner Zeit wohl als größere Sommerlaube errichtet und nachher durch zwei Anbauten und Verdoppelung der Wände in eine Dauerwohnung umgestaltet worden war. Es hatte ein Pappdach, zwei Schornsteine und überall Laden vor den kleinen Fenstern. Das dazu gehörige Gartengrundstück war nur klein und der Garten völlig verwildert. Es war so eine Restparzelle mit Seefront, mit der nichts Rechtes anzufangen war, da sie nur einen schmalen Zugang zwischen Zäunen hindurch von der nächsten Straße hatte.

      Es mußte notwendig auffallen, daß der Zaun des Grundstücks recht neu und durch starke Stacheldrähte oben verlängert war. Das Überklettern dieses Zaunes hatte uns denn auch einige Zeit aufgehalten.

      Nach der Wasserseite, der Hauptfront, durften wir uns nicht wagen, weil dort, wie Haralds Fernglas schon nachmittags festgestellt hatte, ein winziger Stall sich befand, vor dem ein großer Hund angekettet war.

      Harst kroch jetzt allein weiter, kehrte dann sehr bald zurück und flüsterte: „Wir können verschwinden. Alles nach Wunsch erledigt.“

      Abermals der Zaun mit den ekligen Stacheldrähten: aber wir kamen auch jetzt ohne Löcher in den Anzügen hinüber. Dann schritten wir die Straße entlang, und Harald sagte mit seltsamer Betonung: „Morgen abend werden wir die Millionen stehlen, mein Alter! Gumlowsky glaubt, wir wären noch in der Schweiz. Die Zeitungen brachten ja die Meldung, daß ich hinter den Frankfurter Dieben her bin. Jetzt wollen wir den Gemeindevorsteher ein wenig ausfragen.“

      Der Herr Gemeindevorsteher sah sich Harsts Legitimation sehr genau an. Dann wurde er die Liebenswürdigkeit selbst.

      „Fragen Sie, Herr Harst. Auf meine unbedingte Verschwiegenheit können Sie rechnen.“

      „Wem gehört das kleine, verwilderte Seegrundstück am Nordufer des Kleinen Wannsees am Westende des Ortes? Ich meine das mit dem schmalen Zugang und dem Holzhause –“

      „Weiß schon, Herr Harst. Einer alten Dame gehört’s, einer Schriftstellerin, die dort ganz für sich einsam haust. Man sieht und hört kaum etwas von ihr. Sie erwarb das Grundstück im vorigen Herbst. Klara Sanden heißt sie. Ein harmloses altes Fräulein, nur etwas menschenscheu.“

      „Danke. – Nicht wahr, Sie sprechen zu niemand darüber, daß ich mich nach der Dame erkundigt habe.“

      Dann verabschiedeten wir uns.

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