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kein Mensch zu sehen.

      „Diese Speicherruine eignet sich vorzüglich für dunkle Zwecke,“ flüsterte Harst. „Im Adreßbuch stand als Wohnung Karlsströms angegeben: Pförtnerhaus des ehemaligen Transitspeichers, Ploorke-Kanal, Südufer. – Ich denken wir sind an Ort und Stelle. Und wir werden Goldner nebst Frau, verwitwete Baronin Karlsström, hier finden. Goldner ist natürlich nicht nach Kopenhagen gereist, sondern hier zu seinem Stiefsohn. Kriechen wir jetzt mal näher heran. Der Zaun ist ja längst vermodert, und das Unkraut reicht bis dicht an die Ruine heran.“

      Wir beide bärtigen Matrosen hatten in fünf Minuten die Mauer des Speichers mit Hilfe eines Schuttberges bis zu einer der Fensteröffnungen erklettert und uns in den mit Schutt, Bretterstücken und fahlen Unkrautstauden am Boden dicht bedeckten Raum hineingeschwungen.

      Schritt für Schritt bewegten wir uns weiter – ohne jedes Geräusch, kamen durch zwei kleinere Räume an eine abwärtsführende Steintreppe, die noch leidlich erhalten war. Wir standen nun im finsteren Treppenhause des Speichers. Neben der Treppe war noch das Eisengerüst eines Lastenaufzugs zu erkennen.

      Harald ließ für ein paar Sekunden seine Taschenlampe aufblitzen. Unten rechts von der Treppe lag eine eiserne, feuersichere Flügeltür, noch weiter rechts eine ganz schmale, ebenfalls aus Eisen.

      „Die zweite dürfte in das Pförtnerhäuschen führen,“ flüsterte Harst und huschte die Stufen abwärts.

      Hier war alles merkwürdigerweise sauber gefegt. In dem Ziegelboden des Flurs zeichnete sich etwa in der Mitte eine zweiflügelige Falltür, auch aus Eisen, ab. Durch den Ring des einen Flügels lief eine Kette zu einem Flaschenzug empor, der an einem Haken des oberen Treppenabsatzes befestigt war. Wir umgingen diese Falltür. Harst beleuchtete jetzt das Schlüsselloch der schmalen Tür, zog schon den Patentdietrich aus der Tasche.

      Da – der Drücker der Tür bewegte sich.

      Harald riß mich rasch zur Seite.

      Lautlos ging die Tür auf, immer weiter.

      Wir standen eng an die Mauer gepreßt, standen jetzt hinter der geöffneten Tür, durch die ein schwacher Lichtschein in den Flur fiel.

      „Clement!“ hauchte Harst mir ins Ohr.

      Und ich faßte in die Beinkleidtasche, schob sacht die Sicherung des Mehrladers herum.

       Ein betrogener Betrüger

       Inhaltsverzeichnis

      Ich hörte leise Schritte, Flüstern.

      Die Tür drehte sich – drehte sich und wir standen sechs gutgekleideten Leuten gegenüber, von denen einer einen Handkoffer trug.

      Haralds Arm flog schon hoch – beide Arme – rechts die Clement, links die eingeschaltete Lampe.

      „Hände hoch!“ sagte er kalt. „Ich bin Harst! Ich weiß, wen ich vor mir habe!“

      Auch mein Mehrlader äugte mit der kleinen Mündung die sechs drohend an.

      Fünf gehorchten.

      Der mit dem Koffer in der Hand aber lachte schneidend auf, hatte sich blitzschnell hinter zwei anderen zusammengeduckt, gab den beiden einen Stoß.

      Harst mußte zur Seite springen.

      Auch ich wich nach rechts aus. Nur Sekunden waren wir fast wehrlos, hätten überrannt werden können.

      Die beiden Leute flogen gegen die Mauer.

      Und dann – dann schleuderte der, den ich sofort an dem schrillen Hohnlachen als Orstra erkannt hatte, den Koffer ebenso blitzschnell gegen Harst.

      Harald drückte ab, duckte sich, bekam meinen Arm zu packen.

      Ein Ruck – wir waren in der Türöffnung, – ein zweiter Griff Harsts, und der Koffer sauste die vier Stufen hinab in den Flur des Pförtnerhäuschens.

      Zum Glück hatte ich Haralds Absicht erkannt, zog die Tür zu.

      Krachend flog sie ins Schloß. Der Schlüssel steckte von dieser Seite. Ich drehte ihn um – der Riegel schnappte vor. Und im selben Moment im Speicherflur drei – vier Schüsse. Kugeln klatschten gegen die eiserne Tür.

      Und nun – nun eine Stimme, die jeden Lärm übertönt hätte: die Inspektor Drontings – des Riesen Dronting mächtiger Baß:

      „Halt – niemand rührt sich –! Hier Kriminalpolizei!“

      „Ah – Dronting ist uns wirklich mit seinen Leuten heimlich gefolgt!“ sagte Harald hastig. „Zum Glück gefolgt. Ich rechnete damit! Er war so wortkarg, bevor wir beide das Polizeigebäude verließen; er wollte nicht warten, sondern –“

      Da hatte sich hier im Flur die eine der beiden braun gestrichenen Holztüren geöffnet.

      Samuel Goldner, leichenblaß, verstört, schaute uns mit Augen an, die von Angst und Verzweiflung unnatürlich groß schienen.

      Harst nahm den Koffer auf.

      „Guten Tag, Herr Goldner,“ sagte er und schritt die vier Stufen hinab. „Sie erkennen mich nicht? – Ich bin Harst – und hier“ – er hob den Koffer etwas empor – „sind Ihre Millionen!“

      Goldner wich in das Zimmer zurück.

      Wir folgten. Dort saß auf einem alten Glanzledersofa eine stattliche, grauhaarige Dame, das Gesicht noch mit Tränenspuren benetzt. – Dort saß in einem Plüschsessel ein junger, bartloser, verlebt aussehender Mensch mit weibischen Zügen – saß da, blickte uns finster an, stierte nun auf den kleinen Koffer.

      Harst drückte die Tür zu.

      „Herr Goldner,“ begann er schlicht, „Sie wußten von vornherein, daß Ihr Stiefsohn die Jacht Kattegatt hatten entführen lassen oder selbst dabei mitgewirkt hatte. Sie wollten Karlsström schonen, wollten außerdem aber weiter verheimlichen, daß Sie auf der Kattegatt jene Millionen versteckt hatten, die schon einmal den Gegenstand eines Verfahrens wegen Steuerhinterziehung gebildet hatten. Deshalb wünschten Sie nicht, daß ich die Kattegatt und die Piraten suchte. – Ihr Stiefsohn gehörte mit zu der Bande eines gewissen Orstra. Er hatte Kenntnis von dem Versteck auf der Jacht erlangt – irgendwie! Er und Orstra ließen die Kattegatt entführen. Aber die damit betrauten Leute, oder besser ein Teil dieser Leute, beschloß, den Raub nur unter sich zu teilen und beging den Streich früher als vereinbart. Fünf andere der Bande glaubten, daß Fremde die Jacht sich angeeignet hätten, folgten ihnen und trafen dann mit Orstra und Karlsström bei den Kragerö-Inseln zusammen. Karlsström, der als Frau Lörax in Telemarken mit Orstra ein anderes „Geschäft“ hatte erledigen wollen, vermutete nämlich, daß die „Piraten“ ungetreue Mitglieder der Bande gewesen und daß sie, wie ursprünglich beschlossen war, sich mit der Kattegatt nach den Kragerö-Inseln gewandt hätten. Auf der Jacht kam es zum Kampf zwischen den beiden Parteien. Die verräterischen Mitglieder werden hierbei wohl zum Teil ausgelöscht worden sein. Auf dem Tisch in der Kajüte fand ich zwei rote Papierstreifen: Bänder von Banknotenpäckchen! Diese Bänder bestätigten meine Vermutung, daß auf der Kattegatt Geld versteckt gewesen. Heute sollte hier nun die Beute geteilt werden. Da erschienen Sie, Herr Goldner, mit Ihrer Gattin. Orstra und die anderen fünf zogen sich mit dem Geldkoffer drüben in das andere Zimmer zurück, wollten dann Karlsström um seinen Anteil betrügen und wurden von uns, als sie durch den Speicher sich zu entfernen gedachten, überrascht. – Baron Karlsström, Sie sind ein betrogener Betrüger! Auch Orstra wollte Sie hintergehen! Er wollte die gute Gelegenheit, während Ihre Mutter Sie hier anflehte, das Geld herauszugeben, zur Flucht benutzen!“

      Vor dem Häuschen jetzt Stimmen; im Flur schwere Schritte.

      Dronting und zwei Beamte traten ein.

      Frau Goldner war ohnmächtig geworden.

      „Der Schuft ist uns entwischt!“

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