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      Harald hatte sich halb auf die Seitenlehne des Sofas gesetzt und spielte mit seiner goldenen Zigarettendose.

      „Dann kleideten Sie sich völlig an, Mr. Goldner, und spähten durch das Fenster in den Speisesaal?“ meinte Harst und nahm eine Mirakulum aus dem Etui.

      „Ja, Mr. Harst. – Wir können auch Deutsch sprechen, falls Herr Blörne und Herr Prang das Deutsche beherrschen –“

      Harald rieb ein Zündholz an.

      „Sie wünschen also, Herr Goldner, daß ich mich mit diesem Fall beschäftige –“

      „Wünschen?! Ich könnte nur darum bitten, Herr Harst –“

      „Gut. Ich will es tun. Wir werden morgen nach Christiania fahren. Lord Plemborn hat mir seine kleine Motorjacht Miramare zur Verfügung gestellt, die in der Südecke des Dahlen-Sees vor Anker liegt. Ich lade Sie und Ihre Gattin ein, uns zu begleiten.“

      „Vielen Dank. Wann soll die Abfahrt erfolgen, Herr Harst?“

      „Um zehn Uhr vormittags. – Jetzt wollen wir zur Ruhe gehen, meine Herren. Ich bin sehr müde und abgespannt.“

      Daß dies nicht ganz stimmte, merkte ich in unserem gemeinsamen Wohnsalon.

      Kaum waren wir hier allein, als Harald mir beide Hände auf die Schultern legte und flüsterte:

      „Du – das wird eine große Sache! Der brave Goldner mag ein schlauer Börsenjobber sein; für andere Dinge reicht es weniger – nämlich das Hirn!“

      Ich blickte ihn fragend an. Da lächelte er fein, setzte sich in die Sofaecke, winkte mich neben sich und fragte leise, denn hier im Hotel Dahlen waren die Wände sehr dünn und nur aus Holz:

      „Goldner hat am 14. mit seiner Frau zu Fuß von Christiania seine Tour nach Telemarken begonnen. Heute ist der 24. Also hat er, da er sich erst gestern abend hier seine Postsachen abholte, neun Tage ohne jede Nachricht zugebracht. – Wer tut das?! Jeder Mensch läßt sich auf der Reise seine Post so nachschicken, daß er doch mindestens jeden dritten Tag in der Lage ist, festzustellen, ob nicht daheim sich Wichtiges ereignet hat. Goldner ist nun sogar Bankier, Börsenmann!“

      „Ich verstehe. Du meinst, er hat absichtlich keinerlei Nachrichten erhalten wollen!“

      „Ja. Das behaupte ich. – Dann zweitens: Das Stubenmädchen meldet ihm, daß wir im Speisesaal sitzen. Was tut er?! Anstatt in den Speisesaal zu kommen, schleicht er draußen herum und späht durch das Fenster, hält sich den Arm vors Gesicht, als Prang hinblickt, und – versucht uns dann zu belauschen, – denn das wollte er! Er hat sicher an der Bürotür gehorcht. Nachher gebraucht er eine oberfaule Ausrede, – „er habe mich unauffällig sprechen wollen!“ – Natürlich Schwindel! Er wollte ganz etwas anderes, glaube ich, nämlich durch Horchen feststellen, ob ich vielleicht über den Diebstahl der Jacht mich äußern würde, ob ich also davon bereits Kenntnis hätte und wie ich darüber dächte.“

      „Mag sein. Und inwiefern spricht das gegen Goldner?“

      „Neun Tage wandert er, der dicke, behäbige Herr, durch das Gebirge, so daß er erst sechs Tage nach dem Diebstahl der Jacht hiervon benachrichtigt werden kann. Das sieht doch gerade so aus, als ob er den Dieben Zeit lassen wollte, ihre Beute in Sicherheit zu bringen, bevor er notwendigerweise den gefürchteten menschlichen Spürhund, den seit Wochen in Norwegen anwesenden Harald Harst, auf die Fährte der Piraten hetzen mußte, – insofern „mußte“, als er damit rechnete, daß man ihm dazu dringend raten würde. – Wenn Du Goldners Verhalten kritisch prüfst und die Möglichkeit in Betracht ziehst, daß er aus irgend einem Grunde diesen Schiffsraub selbst in Szene gesetzt hat, dann wirst Du zugeben müssen, daß mein Verdacht gegen den Bankier nicht ganz unbegründet ist.“

      „Nicht ganz unbegründet – aber schwach begründet,“ sagte ich zögernd.

      „Nun gut. – Wenn wir Goldner an Bord der Miramare haben, wird sich der Verdacht verstärken, denn dann wird er Fragen beantworten müssen, die ihm sehr unbequem sind. – Etwas anderes, mein Alter. Was hältst Du von dem Boot mit den fünf „Nichtseeleuten“, das die Jacht nicht mehr einholte?“

      Ich schwieg. Was sollte ich darauf antworten?!

      „Und weiter, mein Alter. War es ein Zufall, daß die Jacht Kattegatt mit dem Glockenschlage zwölf davonfuhr?!“

      „Wie soll man beweisen, daß es kein Zufall war?!“

      „Durch das Boot mit den fünf Herren, – ich betone „Herren“, denn die Zeugen hoben hervor, daß sie wie Touristen gekleidet waren. Das Boot oder besser die Insassen mögen gewußt haben, daß die Kattegatt um zwölf Uhr den Hafen verlassen würde. Sie wollten an Bord, aber – man nahm sie absichtlich nicht mit. Sie waren also vielleicht in den Plan eingeweiht.“

      „Was Du alles heraustüftelst!“

      „Ich werde jetzt nichts mehr heraustüfteln, sondern zu Bett gehen. Und vielleicht träume ich davon, daß Herr Goldner die Jacht sehr hoch versichert hatte und die Versicherungssumme brauchen kann! Das ist meine vorläufige Theorie! – Gute Nacht!“ –

      Morgens um sieben klopfte uns Herr Blörne heraus.

      „Ein Brief, Herr Harst, – von Herrn Goldner!“

      Der Brief lautete:

      Mein sehr verehrter Herr Harst!

      Die Sorge um das Schicksal meiner Jacht, die zwei Millionen Kronen wert ist, hat mir keine Ruhe gelassen. Ich bin daher im Auto mit meiner Frau bereits nach Christiania unterwegs, wo ich Sie wiederzusehen hoffe, falls Sie nicht gerade Dringenderes vorhaben. Jedenfalls bitte ich Sie, nicht etwa dieses an sich so uninteressanten Schiffsraubes wegen sich irgendwie zu bemühen, es sei denn, daß Sie die Verfolgung Ottmar Orstras vorläufig aufgeben wollen und Zeit für dieses belanglose Verbrechen haben.

      Ich bin Ihr sehr ergebener

      Samuel Goldner.

      „Wann ist Herr Goldner abgereist?“ fragte Harald den Hotelbesitzer.

      „Um sechs Uhr –“

      „Dann bitte in zehn Minuten das Frühstück und die Rechnung, Herr Blörne.“

      Der Wirt verschwand.

      „Na – wie gefällt Dir der Brief?“ meinte er.

      „Als Beweis für die Richtigkeit Deines Verdachts gegen Goldner muß er mir gefallen!“

      „Nicht wahr?!“ Goldner stößt mich mit der Nase auf meine Pflicht, lieber Orstra zu verfolgen und mich nicht um die Kattegatt zu kümmern! – Sie irren, Herr Goldner! Jetzt gerade nicht!“ –

      Um ein halb zehn näherten wir beide und Prang uns der Bucht, wo wir unsere Miramare zu finden hofften.

      Aber – die Stelle war leer! –

      Harald hielt sich nicht lange in der einsamen Bucht auf. Nachdem er die Uferstelle gegenüber dem Ankerplatz der Miramare besichtigt hatte, wobei er uns stehen zu bleiben bat, sagte er nur: „Am unangenehmsten ist mir dieser Zwischenfall Lord Plemborn gegenüber!“

      Prang fragte darauf: „Zwischenfall?! Wie meinen Sie das, Harst? Die Jacht wird eben den Ankerplatz gewechselt haben. Es gibt hier genug ähnliche Buchten.“

      Harald blickte Prang erstaunt an. „Steuermann Sönnquist, der auf der Miramare den Kapitän spielt, hätte ohne Zwang diese Bucht nie verlassen,“ erklärte er. „Die Miramare ist eben die zweite Jacht, die in den letzten Tagen geraubt wurde. Begreifen Sie denn nicht, Prang, daß es für Ottmar Orstra und dessen Gefährten kein schnelleres und sichereres Beförderungsmittel gab als die Miramare?! Orstra wußte, daß sie sich hier befand. Und –“ – er hielt uns die rechte Hand offen hin – „hier ist der Beweis, daß die Jacht entführt worden ist –“

      Wir beugten uns tiefer; wir sahen in Haralds Hand nichts als zwei Büschelchen Haare!

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