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Wohnung zurück.

      Im Bad wusch er sich dreimal die Hände. Der rote Abdruck verschwand langsam, aber die Hand schmerzte noch immer. Allerdings stellte er erleichtert fest, dass er keine Hautabschürfungen hatte. »Nie wieder werde ich jemanden an der Schulter festhalten«, versprach er sich. »Vollidiot, das war ein Anfängerfehler – zweimal innerhalb von zehn Minuten!«

      Draußen blinkten Lichter. Er ging zum Balkonfenster und schaute hinunter. Der Krankenwagen stand noch dort; die beiden Sanitäter hatten die Türen weit aufstehen lassen, waren aber nirgends zu sehen. Dies beunruhigte Rick. Er nahm das Telefon von der Couch, wo er es hingelegt hatte, und rief bei Meara auf der Wache an. Niemand ging ran, also holte er sein Dienstfunkgerät aus dem Schlafzimmer und schaltete es ein. Damit kontaktierte er die Streifenzentrale.

      »Dispatch, hier 4044 Denver, erbitte Code 30, wiederhole: Code 30, over.«

      »10-2, 4044, sind Sie verletzt? Over«, bekam er zurück, eine merkwürdige Frage.

      »Negativ, Dispatch, 4044 meldet 34S mit Beteiligung eines Beamten und Todesfall, over.«

      »Verstanden, 4044. Wurden Sie gebissen? Over.«

      »Sagen Sie das noch einmal, Dispatch«, verlangte Rick.

      »Wiederhole für 4044: Wurden Sie gebissen? Over.«

      »Negativ, Dispatch, aber ich brauche Hilfe. Können Sie –«

      Die Diensthabende unterbrach Rick: »4044, wurde irgendjemand in Ihrer Nähe gebissen? Over.«

      Er antwortete im ungeduldigen Tonfall: »Verstanden, Dispatch, ein Rettungssanitäter wurde gebissen, und zwar von einem –« Abermals schnitt ihm die Funkerin das Wort ab.

      »Wo befindet sich der Gebissene? Over.«

      Rick ging wieder vom Schlafzimmer zum Balkonfenster und schaute mit seiner Kollegin am Ohr hinaus in die Nacht. Eine Gestalt wankte die Straße hinunter davon.

      »Weiß ich nicht, over.« Als das Telefon klingelte, bat Rick die Frau, kurz zu warten.

      »Negativ, 4044, zu viel Funkverkehr. Kann Ihrer Bitte nicht nachkommen und empfehle, Sie melden sich entweder im Präsidium oder suchen einen sicheren Unterschlupf und warten dort, bis wir Ihnen helfen können, over.«

      Was um alles in der Welt bedeutete das? Er hatte der Funkerin gerade durchgegeben, jemanden erschossen zu haben, und sie tat so, als ob dies unerheblich sei. Einen sicheren Unterschlupf finden? Was meinte sie damit? Rick ging ans Telefon. »Hallo?«

      »Rick, ich bin es, Mike.«

      »Mensch, was zum Teufel ist los? Ich habe gerade mit der Zentrale gesprochen; ich habe gemeldet, vorhin einen Mann getötet zu haben, doch die Kollegin hat reagiert, als hätte ich nur um Befehle gebeten!« Als sich Rick mit einer Hand über den Kopf fuhr, bekam er nasse Finger; da wurde ihm bewusst, dass ihm der Schweiß ausgebrochen war.

      »Die Zentrale wurde damit beauftragt, alle anrufenden Beamten aufzufordern, entweder zur Wache zu kommen oder sich dort zu verschanzen, wo sie sind«, erläuterte Mike. »Rick, hör zu, komm morgen nicht her. Nimm Sam und deinen Dad, dann sieh zu, dass du dich schleunigst aus dem Staub machst.«

      »Mein Gott, wovon redest du?«

      »Du meintest gestern, es sei unmöglich, Brenda in Boston zu erreichen, nicht wahr? Dass du nicht durchgekommen bist, hat einen triftigen Grund: Boston ist nicht mehr.«

      Rick versuchte, ihm ins Wort zu fallen. »Mike, was –«

      »Sei still und lass mich ausreden«, fuhr sein Freund fort. »Diese Krankheit an der Ostküste, von der wir erfahren haben, grassiert nicht nur dort, sondern überall, auch hier. Seit ein paar Stunden herrscht völliges Chaos; wirklich jeder in der Stadt ruft den Polizeinotdienst an, weshalb das Telefonpult leuchtet wie ein Weihnachtsbaum. Ein Kumpel von mir, der beim Medizinischen Forschungsinstitut der Army für Infektionskrankheiten arbeitet, hat vor einer Stunde bei mir durchgeklingelt. Er meinte, die Kranken seien ungeheuer gewalttätig und extrem resistent sowohl gegen Schmerzen als auch Verletzungen. Man kann sie in keiner Weise dauerhaft außer Gefecht setzen, außer man zerstört ihr Gehirn. In Boston ist alles aus, tut mir leid.«

      »Was heißt das?«, wollte Rick wissen.

      »Das heißt, die Situation dort ist gänzlich aus den Fugen geraten. Die Infizierten sind den Gesunden zahlenmäßig so haushoch überlegen, dass ich fürchterliche Angst bekomme, wenn ich daran denke. Die Stadt brennt, und die Armee, die einige Tage lang vor Ort gewesen ist, zieht sich gerade zurück, weil es so schlimm zugeht. Jetzt hat die Krankheit uns erreicht. Die ganze Nacht über gab es Dutzende Anrufe von verstörten Leuten, die behaupteten, von ihren Nachbarn angegriffen zu werden. Ich habe acht Einheiten losgeschickt, um eine kleine Ausschreitung zu zerschlagen, doch von den sechzehn Männern hat nur einer überlebt und ist zurückgekommen.«

      »Willst du mich verarschen? Boston ist verloren? Fünfzehn Cops in San Francisco tot?« Rick war sprachlos. Er schaute wieder auf seine Hand, wo Mrs. McCreedy ihn gebissen hatte, und suchte nach offenen Stellen.

      »Rick, wir wissen von zwanzig Cops, die umgekommen sind. Neun weitere werden vermisst, sechs Streifenwagen wurden aufgegeben oder demoliert. Garcia war derjenige, der die Krawalle überlebt hat. Er hat erzählt, dass die Randalierer die Verletzungen, die sie sich zugezogen hatten, eigentlich unmöglich hätten überleben können. Es hat sich um eine Gruppe von rund dreißig Personen gehandelt, die gegen das Schaufenster eines kleinen Lebensmittelladens gehämmert haben. Alle Einheiten haben mit Tränengas gefeuert und waren mit Schutzschilden sowie Gasmasken ausgestattet; diese Leute haben sie angefallen und aufgefressen, stell dir das vor! Das Tränengas hat nichts bewirkt. Garcia meinte, er habe einem mit seiner Flinte Kaliber 12 aus nächster Nähe in die Brust geschossen und ihn praktisch zerfetzt, doch der Kerl sei weiter auf ihn zu gekrochen, während die Hälfte seines Oberkörpers fehlte. Garcia hat die Flucht ergriffen, als seine Kameraden abgeschlachtet wurden, sich aber mehrere Bisse zugezogen. Wir haben ihn ins St. Mary's einliefern lassen. Vor zehn Minuten habe ich dort angerufen, doch die Klinik wurde komplett überrollt. In den oberen Etagen halten sich noch ein paar Ärzte und Patienten auf, die wir allerdings nicht erreichen können, weil zu viele Infizierte im Gebäude sind. Du wohnst zwar in der sichersten Gegend, musst aber trotzdem verschwinden. Dieser Kampf ist so gut wie verloren, also hau ab. Wir können hier längst niemandem mehr helfen, und es ist an der Zeit, dass wir uns um uns selbst kümmern. Achtundsechzig von uns sind noch übrig, und ich habe alle Einheiten zurück zur Wache bestellt. Wir werden versuchen, alle unsere Angehörigen zusammenzuholen, uns zu den Stadtgrenzen aufmachen und jeden mitnehmen, den wir können. Falls wir es nicht schaffen, zu fliehen, ziehen wir uns hierher zurück und leisten Widerstand, sollte es hart auf hart kommen.«

      »Wo befindet sich der Treffpunkt? Wie lautet euer Plan, wenn es euch gelingt, die Stadt zu verlassen?«

      »Auf Alcatraz«, antwortete Meara. »Der Weg dorthin führt zwar direkt bei dir vorbei, aber warte nicht auf uns. Schnapp dir so viele Vorräte und Leute, wie du finden kannst, dann musst du irgendwie auf die Insel gelangen. Viel Glück, Kumpel, pass auf dich auf.«

      »Du auch, Mann, wir sehen uns bald«, sagte Rick und legte auf. Dann ging er wieder ins Schlafzimmer, nahm zwei Sporttaschen und füllte sie mit Gegenständen, die er als nützlich erachtete. Aus dem Schrank nahm er sein Schulterholster und zog es an, bevor er die Taurus vollständig nachlud, die Sicherung überprüfte und sie einsteckte. Gerade als er mehr Munition für seine Flinte auspackte, klopfte es an der Wohnungstür. Kann ich denn nicht mal zwei Minuten meine Ruhe haben?, ärgerte er sich. Nachdem er das Gewehr zur Hand genommen hatte, ging er nach vorn. Er wartete ein paar Sekunden und wollte sich schon wieder abwenden, um weiter zu packen, als es erneut klopfte. Da richtete er die Waffe auf die Tür und fragte mit ruhiger Stimme: »Wer ist da?«

      »Mr. Barnes? Mr. Barnes, ich bin es, Chris Rawding aus Wohnung 3A, ich würde gern mit Ihnen sprechen.«

      Rick wusste, dass über ihm ein jüngerer Mann wohnte, kannte ihn aber nicht namentlich. Der Kerl war still und menschenscheu, ein Computerfreak oder so. Um sicherzugehen, dass es sich um den Nachbarn handelte,

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