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die Rettungskräfte übertragen. Polizei, Feuerwehr und Sanitäter wurden zur Hilfe gerufen und gleichsam angefallen. Jeder, der Bisswunden davontrug, kam um – ausnahmslos.

      Sobald die Lawine losgerollt war, ging es Schlag auf Schlag: Behörden und Notdienste waren von Anfang an überfordert und schwebten in ständiger Gefahr. Es dauerte nicht lange, bis die Regierung erkannte, dass die Infektion hauptsächlich auf Bisse zurückging. Die Ärzte im Mass General Hospital wussten wenige Stunden nach der ersten gemeldeten Bissverletzung: Jede derartige Wunde ist tödlich, ob tief oder oberflächlich und egal an welcher Körperstelle. Man kam allerdings nicht dazu, diese Tatsache zu kommunizieren, denn die Kliniken wurden im Lauf der ersten Nacht von innen zunichtegemacht.

      Aus New England drangen dürftige Informationen, doch das Militär brach die Kommunikation nach den ersten paar Stunden ab. Beliebte Theorien in den Medien reichten von einer Art Supertollwut bis zu einem Anschlag radikaler Extremisten mit chemischen Kampfstoffen. Der Rest der Welt vermutete, es sei örtlich begrenzt, und interessierte sich nicht großartig dafür. Ein Zusammenbruch der elementaren Sozialeinrichtungen war unausweichlich, und was den Notruf im Großraum Boston betraf, dauerte es weniger als fünfzehn Stunden – dann gab es niemanden mehr, der ein Telefon hätte besetzen können. Entweder lief man um sein Leben, ging auf die Jagd oder verdaute bereits mit verwesendem Magen Fleischbrocken.

      Am nächsten Tag marschierte die US Army im großen Stil in der Stadt auf und versuchte auf Streifengängen, gefangene Zivilisten zu retten. Über kurz oder lang endeten die Soldaten in einer der drei genannten Kategorien. Am dritten Tag der Erkrankungswelle zog sich die Armee zurück, und zwar um sechzig Prozent ihres Aufgebots reduziert. Man münzte die Rettungsaktion schnell auf einen Plan zur Eindämmung um, was durch Isolation der Infektion gelingen sollte; die Army kreiste Boston ein und schnitt es so vom Rest des Landes ab. Am Himmel über der Stadt wimmelte es vor Militärflugzeugen, die eine neu bestimmte Luftsperrzone absicherten. Panzer, Infanterie-Kampffahrzeuge, Mannschaftstransporter, Humvees und elftausend Truppen zogen einige Tage lang um die Metropole, damit niemand eindrang oder herauskam – ein Ding der Unmöglichkeit, da Boston Dutzende Vororte besitzt und Flüchtende sich nicht an Kontrollpunkten der Armee aufhalten lassen wollten. Wer einer Blockade näher kam, wurde in die Stadt zurückgeschickt. Zuwiderhandlung ahndete man streng; die Soldaten streckten während der Frühphase ebenso viele fliehende Zivilisten wie Zombies nieder. Erstere wollten jedoch nicht tot bleiben, sondern schlossen sich der ständig wachsenden Zahl der Gegner an. Im Zuge dessen kam es auch in der Bostoner Vorstadt zu Ausbrüchen. Die Eindämmung war fehlgeschlagen, und die Armee zog sich weiter zurück, während sie Verstärkung erhielt. Jene Angreifer konnten einfach nicht tot sein, das hielt man für absurd.

      Schon am zweiten Tag, nachdem man die Sperre verhängt hatte, hob ein Nachrichtenhubschrauber von Kanal 7 vom Dach des Sendegebäudes ab. Er flog zwar niedrig, wurde aber rasch von Militärjets entdeckt. Die Besatzung hatte nicht vor, aus der Stadt zu entwischen, sondern wollte Bericht darüber erstatten, wie sich die Situation wirklich gestaltete. Man befahl ihr, unverzüglich zu landen, doch sie weigerte sich, also wurde ein Cobra-Kampfhelikopter losgeschickt, um dem Reporterteam die Flausen auszutreiben. Dessen Kameras sammelten aussagekräftiges Bildmaterial von Bostons Straßen, wo sich Tausende von dicht gedrängten Leibern tummelten. Diese folgten einem Konvoi von Militärgeländewagen auf dem Rückzug gen Norden. Nachdem der Hubschrauber sie eingeholt hatte, schwebte er über den Fahrzeugen und übertrug seine Aufnahmen direkt ins Internet. Eine große Gruppe Infizierter kesselte einen Hummer-Geländewagen ein, woraufhin General Timothy Powers, der befehlshabende Offizier von Operation »Felsenfeste Entschlossenheit«, live im Webfernsehen gefressen wurde, während er und sein Gefolge versuchten, sich auf der Zakim Bridge zu behaupten. Der Kampfhubschrauber holte News Center 7 Chopper 1 vom Himmel, da die Journalisten die Absperrung des Luftraums weiterhin missachteten. Ihre panischen Schreie, als sie die Kondensstreifen der Raketen vom Geschütz Cobra M158 auf sich zukommen sahen, hörte man überall auf der Welt. Dass das Wrack auf eine Citgo-Tankstelle abstürzte, hatte etwas fürwahr Filmreifes, und die anschließende Explosion nebst Feuersbrunst war über Meilen hinweg sichtbar. Ungefähr ein Sechzehntel der Stadt stand deshalb in Flammen, was die Aufmerksamkeit der Weltbevölkerung weckte, aber trotzdem glaubte immer noch niemand, dass unser Feind lebende Tote seien.

      Boston wurde innerhalb von zwei Tagen überrannt und für verloren erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war die Epidemie auch in Hartford und New Haven im Staat Connecticut ausgebrochen, in Manchester in New Hampshire, in Bangor in Maine sowie auf Manhattan Island. Die Ostküste steckte in erheblichen Schwierigkeiten. Hatten sich schon die Bostoner für Pechvögel gehalten, so schmorte man in New York City geradezu in der Hölle. Die siebenhunderttausend Bewohner der Hauptstadt von Massachusetts waren nichts im Vergleich zu den über acht Millionen im bevölkerungsreichsten Ort der USA. Auch dieser stand zwei Tage nach dem ersten berichteten Infektionsfall vor dem Aus. Allmählich verstand man wohl, dass dieser Gegner nicht der Norm entsprach, aber Zombies? Nein, ausgeschlossen …

      Schlachten wurden in allen Städten entlang der Ostküste geschlagen, und lokal entstanden Milizen zur Verteidigung der Bürger. Dass diese mit der offiziellen Armee aneinandergerieten, deren Truppen sich zusehends weiter ausbreiteten, ließ sich nicht vermeiden. Eine ganze Stadt im Süden New Hampshires fiel in nur einer Nacht. Tagsüber war das Heer dort angerückt, aber die Milizen hatten ihm partout den Zugang verwehrt. Statt es auf ein Feuergefecht mit den Städtern anzulegen, hatte sich die Army zurückgezogen und Handlungsmöglichkeiten diskutiert. Am nächsten Morgen hätten Soldaten die Straßensperren der Bürgerwehr mit ihren schweren Panzerfahrzeugen durchbrechen und Versorgungsgüter in die Stadt bringen sollen. Als sie jedoch bis zum Rand vorgestoßen waren, sahen sie nichts als stöhnende Leiber, darunter auch jene der Milizionäre. Die Army zog sich wieder zurück.

      Der Präsident wandte sich drei Tage nach dem Ausbruch in Boston im Fernsehen an die Nation. Er rief seine Mitamerikaner dazu auf, sich in Gedanken und Gebeten Boston und New York zuzuwenden. Diese Kundgebung machte er in vierzigtausend Fuß Höhe an Bord von Air Force One auf dem Weg zu einem geheim gehaltenen Ort. Sofort nach der Pressekonferenz brach die Krankheit auch in Washington, D.C. aus; die Ostküste der Vereinigten Staaten war von Maine bis nach Maryland verseucht.

      Auslandsflüge wurden ausgesetzt, leider aber nicht früh genug. Gerüchten zufolge war der Erreger auch in Paris und Tokio aufgekommen. Los Angeles unterlag der todbringenden Epidemie erst nach sieben Tagen, da die Stadt am besten vorbereitet war. Die meisten Weltstaaten ließen nichts mehr von sich hören. Europa glich einem einzigen Trümmerhaufen, und auch Japan hüllte sich in Schweigen. China machte seine Grenzen dicht und kämpfte gegen die Infizierten auf eigenem Boden. Zu weiteren Ausbrüchen kam es in Johannesburg; Addis Abeba, Perth und Tel Aviv standen in Flammen, in Bombay herrschten albtraumhafte Zustände.

      Am einundzwanzigsten Tag verheerte eine Kernschmelze Beijing, wobei die Temperatur auf knapp über fünftausendfünfhundert Grad Celsius anstieg und rund zehn Millionen Untote sowie mehrere Hunderttausend nicht infizierte Menschen dahingerafft wurden; von diesem Moment an war der Homo sapiens nicht mehr länger die dominante Lebensform auf dem Planeten.

      Zu Beginn von alledem – am Tag null der Infektion – stieg ein kleines Mädchen in ein Flugzeug von Boston nach San Francisco, wo es nach der Landung von seinem Vater abgeholt wurde.

Buch 1

      Kapitel 1

      »Daddy!«, rief ein kleines Mädchen und winkte einem Mann, der auf der anderen Seite des Gedränges in der Flughafenhalle stand. Er erwiderte die Geste. »Ich sehe dich«, rief er zurück.

      Eine Stewardess führte das Kind an einer Hand durch die Sicherheitskontrolle zu dem wartenden Mann. »Danke, Debbie«, sagte es zu ihr.

      »Aber gern doch«, entgegnete die Frau. »Du warst meine Lieblingspassagierin.«

      »Keiner nennt mich Sammy und überlebt es!«, behauptete das Mädchen, indem es vorgab, verärgert zu sein. Es versuchte, Debbie zu kitzeln, die dann auch in Gelächter ausbrach.

      »Sie müssen Sams Vater sein, richtig?«, fragte sie den Mann.

      »Goldrichtig«,

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