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wirkung ab, das (nach de Groot) nachchristliche Su Wen galt als klassisches Lehrbuch der wissenschaftlichen Atemkunstlehre. Dazu traten »Fu«(Pinselstriche der – charismatischen – Mandarinen) als Amulette und dergleichen.

      Doch lassen wir diese, de Groot entnommenen, Dinge. Denn ungleich wichtiger ist für uns die gewaltige Entwicklung der Praxis der Geomantik, des Jang Schu oder Fung Schui (»Wind und Wasser«). Zeit für die Bauten aller Art gaben, sahen wir (mit de Groot), die Chronomanten (Schi) an. Aber die Hauptsache kam dann erst: die Formen und Oerter. Nach einem Kampf zwischen mehreren geomantischen Schulen siegte[364] im 9. Jahrh. die »Formen«-Schule über die mehr material animistische Gegnerin: die weit größeren Sportelchancen dieser Geomanten dürften dabei entscheidend beteiligt sein. Denn seitdem galt als ausgemacht: daß alle Formen von Bergen, Höhen, Felsen, Flächen, Bäumen, Gräsern, Gewässern geomantisch bedeutsam seien, ein einziger Fels-block durch seine Form ganze Gebiete vor Angriffen übler Dämonen schützen könne, es also nichts, schlechthin gar nichts Unerhebliches auf diesem Gebiete geben könne, vor allem die geomantisch furchtbar empfindlichen Gräber wahre Pestherde geomantischer Einflüsse seien, daß also für jeden Bau, selbst intern (Wasserrinnen in Wohnungen) geomantische Kontrolle unentbehrlich sei: denn jeder Todesfall beim Nachbar konnte, auf den eigenen Bau zurückgeführt, Rache bedeuten, jede neue Grabanlage alle Grabgeister stören und furchtbares Unheil stiften. Vor allem aber: die Art des Bergwerkbetriebs war stets geeignet, im Fall von Neuerungen die Geister zu erregen; vollends Eisenbahnanlagen, Fabrikanlagen mit Rauch – man kannte und benutzte die Steinkohle in China in vorchristlicher Zeit – hätten ganze Gegenden magisch verpestet. Die magische Stereotypierung der Technik und Oekonomik, verankert an diesem Glauben und an den Sportelinteressen der Geomanten, schloß die Entstehung von Verkehrs- und gewerblichen Betrieben moderner Art als bodenständiges Produkt völlig aus. Es bedurfte erst des im Sattel sitzenden Hochkapitalismus und des Engagements gewaltiger Mandarinen-Vermögen in den Eisenbahnkapitalien, um diese ungeheure Barriere zu überrennen und die Wu und Hih ebenso wie die Chrono- und Geomanten zunehmend unter die »Schwindler« zu verweisen. Aus eigener Kraft konnte das nie geschehen.

      Denn es war keine Seltenheit, daß viele Kilometerweite Umwege dauernd gemacht wurden, weil ein Kanal-, Straßen- oder Brückenbau vom geomantischen Standpunkt aus gefährlich war, daß buddhistische, also ketzerische, Klöster wegen des Fung Schui, als geomantische »Verbesserung« der Natur also, gestattet und den Mönchen gegen starken Entgelt die Verpflichtung auferlegt wurde, geomantisch wichtige Zeremonien zu halten. Vollends die Gewinne der Geomanten selbst – und jede Partei zahlte sich einen, wenn es sich um Baustreit und dergleichen handelte – sollen ins Fabelhafte gegangen sein.

      So ist über dies alte schlichte empirische Können der Frühzeit, dessen Reste wir überall finden, und über eine technisch nicht geringe Begabung – wie die »Erfindungen« zeigen, – ein Ueberbau magisch »rationaler« Wissenschaft gestülpt: Chronometrie, Chronomantik, Geomantik, Meteoromantik, Annalistik, klassische, mantisch bedingte, Staatskunde, Medizin, Ethik. Waren dabei die volkstümliche Stellung und die magischen Erwerbs interessen, also die Heterodoxie oft praktisch führend, so hat die Literatenkaste ihrerseits sich an dieser Rationalisierung entscheidend beteiligt. Die kosmogonische Spekulation mit der heiligen Fünfzahl: 5 Planeten, 5 Elemente, 5 Organe sw., Makrokosmus und Mikrokosmus in Entsprechung (ganz nach babylonischer Art, aber absolut eigen ständig, wie jeder Vergleich zeigt[365], – diese chinesische »universistische« Philosophie und Kosmogonie verwandelte die Welt in einen Zaubergarten. Jedes chinesische Märchen zeigt die Volkstümlichkeit der irrationalen Magie: wilde, durch nichts motivierte dei ex machina durchschwirren die Welt und können alles machen; nur Gegenzauber hilft. Von der ethischen Rationalität des Wunders ist keine Rede.

      Dies wurde – um es deutlich zu sagen – nicht nur bestehen gelassen und geduldet, sondern gesteigert durch die Anerkennung des magischen Weltbildes und seine Verankerung an den massenhaften Erwerbschancen, die es den Wu, Hih, Schi aller Art bot. Der Taoismus war nicht nur ebenso traditionalistisch wie der Konfuzianismus, sondern, infolge seiner aliterarischen Irrationalität, weit mehr. Ein eigenes »Ethos« aber kannte er überhaupt nicht: Zauber, nicht Lebensführung, entschieden über das Schicksal. Dies schied ihn, in dem Endstadium seiner Entwicklung, von dem – wie wir sahen – darin gerade umgekehrt orientierten Konfuzianismus, dem die Magie gegen die Tugend als machtlos galt. Aber die eigene Hilflosigkeit gegenüber dem magischen Weltbild hinderte es völlig, daß der Konfuzianismus jemals die grundlegenden rein magischen Vorstellungen der Taoisten, mochte er sie auch verachten, auszurotten in der inneren Lage gewesen wäre. Jede Antastung der Magie erschien als Gefährdung der eigenen Macht: »wer wird den Kaiser hindern zu tun was er will, wenn er die omina und portenta nicht mehr glaubt?« – war s.Z. die entscheidende Antwort eines Literaten auf die Anregung: mit diesem Unsinn Schluß zu machen. Der magische Glaube gehörte zu den konstitutionellen Grundlagen der chinesischen Regierungsmachtverteilung.

      Aber auch die taoistische Lehre – die von diesen magischen Kruditäten und auch von der »universistischen« Theorie unterschieden werden kann, – wirkte nicht rationaler und bildete kein Gegengewicht. Die Lehre »von den Handlungen und Vergeltungen«, ein Produkt des Mittelalters, galt als taoistisch, und mit dem gleichen Namen pflegte – sahen wir – derjenige magische Betrieb bezeichnet zu werden, welcher nicht von buddhistischen Bonzen ausgeübt wurde, sondern, soweit sichere historische Kunde zurückreicht, in den Händen jener besonderen Priesteroder vielmehr Zaubererklasse plebejischen Charakters und plebejischer Rekrutierung lag. Mit dem Konfuzianismus teilte er, wie nach dem Gesagten zu erwarten, einen Teil auch der nicht rituellen Literatur: so galt angeblich ein Buch »vom geheimen Segen« als gemeinsam. Ebenso, sahen wir, die allgemeinen magischen Voraussetzungen. Nur waren diese eben in der geschilderten Art außerordentlich viel ausschließlicher entwickelt und außerdem, im Gegensatz zum Konfuzianismus mit bestimmten positiven Verheißungen für das Diesseits und Jenseits verknüpft. Denn in diesen bestand ja der Wert der von der vornehmen Intellektuellenschicht mißachteten volkstümlichen Gottheiten für die Massen. Was der Konfuzianismus unterließ, das nahm eben deshalb die plebejische Priesterschaft des Taoismus in Angriff: dem Bedürfnis nach einer gewissen Systematik des Pantheon einerseits, nach Kanonisierung bewährter menschlicher Wohltäter oder Geister andererseits abzuhelfen. Der Taoismus hat so den von der offiziellen Lehre verunpersönlichten alten persönlichen Himmelsgott als Yü-hoang-schang-ti mit Laotse und einer dritten Figur unbekannter Herkunft zu der Trias der »Drei Reinen« zusammengefaßt, die überall verehrten volkstümlichen 8 Hauptgenien (zum Teil historische Personen) und die sonstigen himmlischen Heerscharen leidlich schematisiert, den Stadtgott (sehr oft einen kanonisierten Mandarinen der Stadt) in seiner Funktion als amtlichen Konduitenlistenführer für das Jenseitsschicksal der Einwohner und also als Herren über Paradies und Hölle gesichert, und die Kultorganisation für ihn und die sonstigen kanonisierten Naturgeister oder Heroen in die Hand genommen, soweit ein solcher dauernd organisierter Kult überhaupt entstand. Meist wurden die Mittel durch Subskription und Turnusdienst der lokalen Interessenten aufgebracht und nur an den großen Festen von Priestern Messen gelesen.

      Neben dieser Schaffung eines unoffiziellen, aber geduldeten eigentlichen Kultes ging ferner, bereits seit den Zeiten der frühesten bekannten, sich als »Schüler« Laotses bekennenden Schriftsteller jene Esoterik her, welche die mit dem Besitz des Tao Begnadeten als Träger übermenschlicher Kräfte aller Art behandelte und ihnen die Spendung magischen Heils an die Bedürftigen zuschob.

      Besteht nach allem Gesagten historisch die Verknüpfung dieses esoterischen Taoismus mit Laotse oder anderen Mystikern wirklich zu Recht, so war diese Entwicklung keineswegs erstaunlich. Denn die Weiterentwicklung der schon an sich unklassischen Kontemplation und vor allem des alten Anachoretentums mußte hier, wie überall da, wo der Weg von dem heilsaristokratischen Charisma des Begnadeten zu einer rationalen Askese nicht gefunden wurde, von der mystisch-pantheistischen Vereinigung mit dem Göttlichen aus direkt zu sakramentaler Magie: zu zauberischer Beeinflussung der Geisterwelt und praktischer Anpassung an die magische Gesetzlichkeit ihres Wirkens führen. Ein anderer Weg vom Heilsaristokratismus des der Erleuchtung

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<p>364</p>

de Groot a.a.O. S.. 373.

<p>365</p>

Die »panbabylonistische« These wird angesichts des de Grootschen Buches wohl verlassen werden.