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der Sultanismus, gestützt auf Eunuchen, Generäle und aliterarische Günstlinge, wurde, schlugen sich die Taoisten ganz regelmäßig auf deren Seite. Jedes Aufflammen der Eunuchenmacht führte zu politischem Einfluß der Magier. Auch dieser, stets wieder – am entschiedensten unter den pazifistischen Mandschu – mit dem Siege der Literaten endigende, Kampf hat bis in die Regierung der Kaiserin-Witwe gedauert. Und man darf sich keine falschen, an unserem Konfessions-Begriff orientierten, Vorstellungen machen: auch der konfuzianische Mandarin nahm für gewisse Dienste den Taoisten in Anspruch[354], wie der klassische Hellene den, sonst verachteten, »Propheten« oder (später) Horoskopisten. Eben darauf beruhte die Unausrottbarkeit des Taoismus, daß die siegreichen Konfuzianer selbst sich das Ziel radikaler Ausrottung der Magie überhaupt, und dieser Magie im besonderen, nie stellten, sondern nur: der Monopolisierung der Amtspfründen.

      Indessen nicht einmal dies gelang vollständig. Wir werden später sehen, welche (geomantische) Gründe sehr oft der restlosen Beseitigung einmal existierender Baulichkeiten im Wege standen. Ließ man aber die Klöster bestehen, so mußte man wohl oder übel auch die Insassen gewähren lassen, – was auch für die Buddhisten galt, wie wir sehen werden. Und die Deisidaimonie und Magie aller Literatenschichten scheute auch immer wieder vor der Reizung der »Geister«, auch der unklassischen, zurück. Daher blieben die Taoisten staatlich geduldet, ja, in gewissem Sinn, anerkannt. Die offizielle Stellung der dem Tschang Tien Scha, dem taoistischen Erbhierarchen, untergeordneten Tao Luh Se ist offenbar der von buddhistischen Superioren nachgebildet. An bestimmten Staatstempeln existieren taoistische Staatspriesterstellen, regelmäßig: 1. ein Direktor, 2. ein Hierophant, 3. ein Thaumaturgist (für Dürre und Ueberschwemmung), 4. einfache Priester[355]. Inschriften mancher unabhängig gewordener Nachbarfürsten zeigen ausgeprägt taoistische Züge[356]. Die absolute Verwerfung des Taoismus durch Kang Hi's heiliges Edikt und alle Mandschu-Herrscher hat daran nichts geändert.

      Ehe wir zu dem, von Orthodoxen und Heterodoxen gemeinsam geschaffenen spezifisch chinesischen »Weltbild« zurückkehren, registrieren wir hier, vorgreifend, nur kurz: daß die Stellung des aus Indien, im Interesse der Gewinnung von bequemen schreibkundigen Verwaltungskräften und eines weiteren Mittels der Massendomestikation, importierten Buddhismus, politisch angesehen, sehr ähnlich war[357].

      Der spezifisch an die weibliche Gefühlsseite appel lierende, aliterarische, Charakter des reformierten (Mahayana-) Buddhismus[358] machte ihn zu einer Lieblingskonfession des Harems. Immer wieder finden wir die Eunuchen als seinen Begünstiger, genau wie beim Taoismus, besonders im 11. Jahrhundert unter den Ming[359].

      Neben dem erwähnten währungspolitischen und dem kantilistischen Interesse des Konfuzianismus (und, natürlich, der vielfachen Pfründenkonkurrenz) war dessen Gegensatz gegen den Sultanismus, den die Buddhisten stützten, eine der Triebfedern der furchtbaren Verfolgungen. Aber: – sowenig wie den Taoismus hat man den Buddhismus wirklich »ausgerottet«, so scharf sich die Edikte der Kaiser aussprachen und trotz aller an ihn anknüpfenden Geheimgesellschaften (»weißer Lotos«). Neben dem später zu erwähnenden geomantischen Grunde war dafür auch wieder maßgebend: daß es Zeremonien gab, die der Chinese nicht missen wollte und welche nur der Buddhismus bot: Totenmessen insbesondere, und daß der Seelenwanderungsglaube eine der populären Jenseitsvorstellungen geblieben war, nachdem er einmal Fuß gefaßt hatte. Daher finden sich ganz ebenso wie taoistische auch buddhistische anerkannte Pfründen[360], deren Stellung uns hier noch nicht beschäftigen soll. – Denn wir kehren hier zum Taoismus zurück. –

      Der aliterarische und antiliterarische Charakter des späteren Taoismus wurde der Grund, weshalb er – was uns hier interessiert – gerade in Kaufmanns kreisen starke (nicht: exklusive!) Wurzeln faßte: ein sehr deutliches Paradigma (das wir noch oft kennen lernen werden) dafür: daß die ökonomischen Bedingungen allein nirgends die Art der Religiosität einer Schicht bestimmt haben[361]. Umgekehrt konnte seine Eigenart nicht gleichgültig für die Lebensführung der Kaufleute bleiben. Denn er war eine absolut antirationale und dabei – sagen wir es offen: – höchst subaltern gewordene magische Makrobiotik, Therapeutik und Apotropie geworden. Vorzeitigen Tod zu verhindern – der ihm als Sündenstrafe galt[362], – den (taoistischen, unklassischen) Reichtumsgott und die zahlreichen apotheosierten Beamten- und Funktionsgötter günstig zu stimmen: das versprach er zu leisten. Irgend so etwas wie eine »bürgerliche Ethik« aber war bei ihm natürlich am allerwenigsten zu finden. Insofern interessiert er uns hier schlechterdings nicht. Sondern nur in seinen indirekten, negativen, Wirkungen.

      Die der Orthodoxie und Heterodoxie gemeinsame Duldung und die dem Taoismus eigene positive Pflege der Magie und der animistischen Vorstellungen haben praktisch den Fortbestand der ungeheuren Macht dieser im chinesischen Leben entschieden. Werfen wir einen Blick auf die Wirkungen. Allgemein läßt sich sagen:) jede Art von Rationalisierung des an sich uralten empirischen Wissens und Könnens in China hat sich in der Richtung des magischen Weltbildes bewegt. Die Astronomie wurde Astrologie, soweit sie nicht Kalenderwissenschaft war. Als solche war sie uralt und stand zunächst im Dienst der Verteilung der Ackerbaugeschäfte auf die Jahreszeiten. Die Technik war primitiv und reichte in keiner Art an die babylonischen Leistungen heran. Mit der Neuredaktion des Kalenders unter dem literatenfeindlichen Schi Hoang Ti begann der Aufstieg der Chronomantik: eine rein nach Analogien und makrokosmischen Vorstellungen vorgenommene Verteilung der Obliegenheiten auf die Monate, auf dies fasti und nefasti (je für konkrete Dinge, nicht: allgemein). Die »Ta Schi« (»hohe Schriftsteller«) als Kalenderbehörde, ursprünglich mit den Annalisten identisch, sind in die offizielle Abteilung für Astronomie und Astrologie übergegangen. Der chronomantische Betrieb aber – an der Hand der massenhaften Nach drucke des von der Regierung hergestellten Schi Hien Schan (Kalenders, chronomantischen Grundbuchs) wurde eine Erwerbsquelle der »Tagemeister«, welche bei jeder Wahl eines Tages gefragt werden sollten.

      Die Astrologie andererseits stand mit der sehr alten Meteorologie im Zusammenhang. Konjunkturen, Sichtbarkeit der Venus, Art des Leuchtens der Gestirne, Feststellung der Winde, – ursprünglich, wie de Groot[363] annimmt, durch die Bedeutung der Passate bedingt, – dann aber: Erdbeben, Bergrutsche, Aërolithen, monströse Geburten, aber auch Deutung zufälliger Aeußerungen von Kindern (als besonders unmittelbarer Medien) und dergleichen magische »Meteorologie« aller Art haben eine ungeheure Literatur entstehen lassen, die ausschließlich der Prüfung dienen: ob die »Geister« in Ordnung sind oder nicht: – worauf, im negativen Fall, das Weitere die Staatsleitung angeht. Die Wu und Hih, uralte meteorologische Magier und Regenzauberer, die dies betrieben, galten als »taoistisch«; – nicht selten waren es hysterische (clairvoyante) Weiber, die diesen Erwerb besonders einträglich betrieben.

      Die Arzneilehre und die mit ihr zusammenhängende Pharmakologie, einst achtbare empirische Leistungen aufweisend, wurden völlig animistisch rationalisiert. Es wurde schon erwähnt, daß makrobiotische Pflanzen die Schen-jo-Arzneien lieferten; sie wuchsen in Unmassen, wie die Bäume des Lebens der Hebräer, in dem »Paradies des Westens«, dem Hain der Königin Si wang mu. Inwieweit die chinesische Expansion auch durch die Hoffnung nach dessen Entdeckung mitbestimmt wurde (wie Schi Hoang Ti's See-Expedition nach dem Lebenselixier) muß wohl dahingestellt bleiben. Die älteren Zustände kennzeichnet jene (absolut geglaubte) Legende von dem Fürsten der die Krankheitsgeister in seinen Eingeweiden sich darüber unterhalten hört (!), wie sie sich am besten einnisten (Fieber-Träume animistisch rationalisiert!). Aber das ist noch relativ recht primitiv gegen die weitere Rationalisierung. Elemente, Jahreszeiten, Geschmacksarten, Wetterarten werden mit den 5 (!) menschlichen Organen, dadurch wieder: Makrokosmus mit Mikrokosmus, in Beziehung gesetzt und daran die magische Therapie orientiert. Die alte Atemtechnik mit dem Ziel: den Atem, als Träger des Lebens, im Körper »aufzuspeichern«, wie das

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<p>354</p>

So Jung Lu 1903.

<p>355</p>

Vgl. das W. Fr. Mayer sche offizielle Pfründenlexikon des chinesischen Staats: The Chinese Government (Schanghai 1878), p. 70.

<p>356</p>

So die schon zitierten des Nan-Tschao-Königs, ed. Chavannes, Journ. Asiat. 9 Ser. 16, p. 1900.

<p>357</p>

Hergang, Verlauf und Wirkung der Rezeption weiterhin in der Geschichte des Buddhismus. Hier nur gewisse formale Seiten.

<p>358</p>

Darüber angegebenem Ort. Er war nicht das Ursprüngliche.

<p>359</p>

S. die Registrierung der Fälle in Kaiser Khien Lung's Yu tsiuan thung kian kong mu. Beispiele: 1451 wurden 50000 Bonzen ordiniert trotz Protestes der Konfuzianer (p. 288 bei Delamarre), 1452 war der maßgebliche Eunuch Buddha-Anhänger (p. 292 das.) und daher Feind »der Beamten« (Konfuzianer), 1481 wurde ein Bonze Großalmosenier (p. 379), der dann 1487 (p. 385) auf Verlangen der Beamten – nach Fallen eines Aërolithen – abgesetzt wurde.

<p>360</p>

Mayer's Staatspfründebuch a.a.O. Die Auswahl der Sung Luh se (Superior), deren es in jedem Distrikt zwei gibt, erfolgt durch die Lokalbehörden aus den fang sheng (Aeltesten) der Klöster; für das Wohlverhalten der Bonzen haften die Superioren.

<p>361</p>

Wie gegenüber den früheren Aufsätzen über den Puritanismus oft behauptet wurde.

<p>362</p>

Auch der Orthodoxie. Vgl. Se Ma Tsien, ed. Chavannes, Tome I, p. 196: »nicht der Himmel sendet von sich aus vorzeitigen Tod. Sondern er richtet sich nach dem Verhalten des Menschen«. Vgl. aber die zu Nr. II a. E. zitierten monumentalen Dokumente.

<p>363</p>

Universismus p. 343; – das Buch ist hier überall benutzt, wie jeder Leser sieht.