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Hang am Aeußerlichen, – 2. nach »Vernunft«: Hang am Schall (Worten), – 3. an »Menschenliebe«: Verwirrung der eigenen Tugendübung, – 4. an Pflichterfüllung: Auflehnung gegen die Naturgesetze (die Allmacht des Tao), – 5. an »Li« (Regeln): Hang an Aeußerlichkeiten, – 6. Musik: Hang an Unsitte, – 7. an Heiligkeit: Hang an Verkünstelung, – 8. an Wissen: Haarspalterei[345]. Die Punkte 1, 2, 5, 8 dürften die vom Konfuzianismus am stärksten perhorreszierten gewesen sein. Denn die vier Kardinalqualitäten des konfuzianischen Menschen waren: schen: Menschen liebe, li: Lebensregeln, I: Freigebigkeit (Pflichten), tschi: Wissen und von ihnen waren li und tschi die wichtigsten. Ketzerisch und unklassisch (puking), unrichtig (pu tuan), sittlich bedenklich linkes (falsches) tao (tso Tao) war alles was davon abwich.

      Die Spaltung war seit Tse tse's Angriffen da. Aber erst die Schulentwicklung und die Konkurrenz um Pfründen und Macht schufen die Bitterkeit des Streites. Denn trotz des Wu-wei-Prinzips und der Aemter-Perhorreszierung haben diejenigen späteren Literaten, die sich als »Nachfolger« Laotse's fühlten, eine der konfuzianischen Literatenschaft ähnliche Organisation zu schaffen wenigstens gelegentlich versucht. Das Tao te king – von den Konfuzianern nicht als absolut in toto ketzerisch verdammt, aber ebenso wie Tschung tse und Kuan tschong stets als unklassisch abgelehnt, d.h. nicht zu den »heiligen« Schriften gerechnet – ist wenigstens einmal kurze Zeit von den Kaisern unter die von den Kandidaten für das Examen zu studierenden Klassiker eingereiht worden. Die Konfuzianer ihrerseits haben ihre These von der Bedeutung des »Wissens« als Tugend auch des Kaisers: – der, wenn er »Gelehrter« ist, sich »ruhig« verhalten kann, aber nur dann – durch die Anlegung der riesigen offiziellen Enzyklopädien (Ku kin tu schu tsi tsing, 1715 erschienen) betätigt. Die entscheidende Bedeutung des kaiserlichen Charisma, die das Schuking bereits ausdrücklich enthielt, ist von keiner von beiden Parteien angezweifelt worden: nur die Deutung war verschieden.

      Nun kam der Entwicklung einer Sonderschule auf dem Boden der Lehre Laotse's aber eine allgemeine Tendenz aller chinesischen »Wertungen« entgegen: die Schätzung des physischen Lebens rein als solchen, also: des langen Lebens und der Glaube, daß also der Tod ein absolutes Uebel sei, welches eigentlich für einen wirklich Vollkommenen vermeidbar sein müßte. Denn der wirklich Vollkommene (tschen, tsing, schin) muß ja unverletzlich und magisch begabt sein[346], – worin sollte sich sonst seine Vortrefflichkeit praktisch bewähren[347]? Dieser Schätzungsmaßstab war sehr alt. Sowohl die Schätzung der Schafgarbe – deren Kombinationen in den bekannten Orakel-Linien-Gruppen des I li eine solche Rolle spielen – wie die Schildkröte als Orakeltier erlangten ihre Rolle durch ihre Langlebigkeit. Tugendübung und speziell Studien wirkten nach dem konfuzianischen Glauben makrobiotisch, ebenso Schweigen und Meidung körperlicher Anstrengung ohne absolutes Nichtstun. Vor allem aber wurde die früher erwähnte Atemgymnastik als makrobiotisches Mittel entwickelt. Makrobiotische Pflanzen wurden spezifische Arzneimittel und das Suchen nach dem Lebenselixier systematisch betrieben, – wir sahen, daß Schi Hoang Ti eben deshalb dieser Schule seine Gnade zuwendete. Da Einschränkung der Erregung und stilles Leben nach aller Erfahrung makrobiotisch wirkten, – also: das Wu wei der Anachoreten und Mystiker, – so schien die These unanfechtbar: Meidung der Leidenschaften war die erste makrobiotische Kardinaltugend. Von da aus ging dann, unter dem Einfluß der gleichfalls beiden Parteien gemeinsamen Dämonenlehre, die Entwicklung weiter. War man einmal mit der Systematisierung der Makrobiotik vorgegangen, so lag es nahe, die Gesamtheit der apotropäischen und therapeutischen Magie zu rationalisieren. Das ist tatsächlich geschehen und die theoretischen Resultate sind im wesentlichen Gemeingut beider Schulen geworden, während allerdings die praktische Verwertung der unklassischen Schule überlassen blieb, da für den Konfuzianer jede Abwendung von dem Dogma, daß die (klassisch orientierte) Tugend schlechthin allmächtig sei, die Einheit der Ethik und, – nicht zu vergessen: – den Einfluß auf den Kaiser gefährdete, der durch den Harem ja ständig im magischen Sinn beeindruckt wurde. Eben diese rein magische Wendung der Laotse' schen Tao-Lehre ermöglichte und provozierte geradezu das Einströmen der Gesamtheit der alten Magier in diese Gemeinschaft. Sie waren im Süden, dem üppigsten Ackerbaugebiet, am zahlreichsten und dort ist denn auch diese Entwicklung vor allem vor sich gegangen.

      Die Vereinigung des Lehrers mit den Lernenden, außerhalb der Städte, in der Einsamkeit, war in China ebenso wie in Indien (und im Gegensatz zum Okzident) die Keimzelle der »taoistischen« Klöster. Ist es schon nicht ganz unstreitig, inwieweit bereits Laotse durch indische Muster beeindruckt war (so selbständig er geistig dastand), so läßt sich vollends das gleiche Problem für die taoistische Klosterbildung nicht lösen: der Taoismus mit seinen Einsiedeleien bereitete dem Buddhismus vermutlich den Weg, die buddhistische Konkurrenz brachte die taoistische Klosterbewegung: – Bewegung zum organisierten Zusammenschluß der Einsiedler, – vermutlich in schnellen Gang. Die Eigenständigkeit des Taoismus scheint am deutlichsten dadurch bewährt, daß nicht nur nicht alle vielmehr gerade nicht die charakteristischten Funktionäre: die Magier, in Klostergemeinschaften lebten[348]. Der Taoismus war eben hervorgegangen aus der Verschmelzung der weltflüchtigen Intellektuellen-Lehre mit dem innerweltlichen, an sich uralten. Gewerbe der Magier. Die »Tao Schi«, die eigentlichen Praktikanten, lebten in der Welt, verheiratet, betrieben von da aus ihre Kunst als Beruf, veranlaßten die massenhafte Stiftung von Altären für alle möglichen Heiligen: – oft schon nach kurzer Zeit, wegen Nichtbewährung, verlassen –, schufen die große offizielle Sammlung der Vorschriften und Leiturgien im 16. Jahrhundert[349] und betrieben gegebenenfalls: Politik.

      Denn, kaum allgemein verbreitet, hatte der Taoismus schon eine feste hierokratische Organisation angenommen. In der Provinz Kiangsi hatte eine erbcharismatische Sippe die Fabrikation von Lebenselixieren monopolisiert[350] und den Namen Tsien Schi (himmlischer Lehrmeister) sich appropriiert. Ein Nachfahre des Tschang ling, – der als Ratgeber der Han über Atemkunst geschrieben hatte, – stiftete in der unruhigen Zeit der Schwäche der Han-Dynastie eine Organisation, die mit eigenem Verwaltungsstab, Steuern, strenger Disziplin der politischen Gewalt erfolgreich Konkurrenz machte und schließlich, in Se tschuan, wirklich einen autonomen, zunächst allerdings als kamorristische Geheimorganisation existierenden »Kirchenstaat« schuf: das Tai Ping Kiao (Reich des Friedens: ferner Vorläufer des modernen Gebildes, von dem noch zu reden sein wird). Durch einen Apostaten 184 denunziert, von den Han verboten und verfolgt, hielt sich der Kirchenstaat infolge des sogenannten »Aufstandes der gelben Kopftücher« (einer typischen Süd-Organisation gegen den Norden) in einem wilden Religionskrieg (dem ersten seiner Art) gegen die Regierung, bis, 215 n. Chr., der Erbhierarch es klug fand, sich dem General Wei als Tributärfürst zu unterwerfen[351], als welcher er mit hohen Ehren bestätigt und anerkannt wurde. Seine weltliche Gewalt schwand, unter Nachhilfe der Regierung, stark; offiziell wurde er, nach Grubes glücklichem Ausdruck, nur der »Führer der Götter-Konduitenliste«, – nicht der einzige übrigens, – für Kanonisationsfälle. Denn neben Ahnenkult war Menschen-Apotheose die Quelle der mächtig angeschwollenen Zahl »unklassischer«, »taoistischer«, vom klassischen Kult ignorierter, Götter, deren höchster, Panku, der Himmelskönig, thronend auf dem Jaspisberg des Westens mit seinen Gattinen, der alten persönlichen Gottesvorstellung vom Himmelsherrn entnommen ist.

      Die Macht über die Dämonen, die sich die Tao Schi zuschrieben, war die Grundlage ihrer politischen Laufbahn, die nun begann. Denn im Kampf zwischen den Literaten und den ihnen feindlichen Gewalten finden wir fortan die Taoisten stets auf der Gegenpartei. Sie waren zuerst »aristokratisch«: die bildungslosen Feudalinteressenten brauchten sie als Werkzeuge. Ihre Gegnerschaft gegen die konfuzianischen Riten und Zeremonien[352] und gegen die konfuzianische Ordnungs- und Erziehungswut befähigte sie zu dieser Stellungnahme: »das Volk soll bildungslos bleiben«. In Se Ma Tsien's Epoche war dies ihre Stellung und erst 124 gelang es den Literaten, ihrer Herr zu werden und durchzusetzen, daß alle Pfründen ihnen reserviert und die Pepinière der 70 Hofliteraten aus allen Teilen des Reichs

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<p>345</p>

de Groot a.a.O.

<p>346</p>

Bei Wan Fei (3. Jahrh. n. Chr.). Vgl. de Groot a.a.O.

<p>347</p>

Vgl. dazu die früher zitierten Inschriften.

<p>348</p>

Dies gilt freilich auch für den Mahayana-Buddhismus mit seinen »Bonzen« als Weltklerus. Aber bei ihm ist der sekundäre Charakter der Erscheinung ganz klar, beim Taoismus nicht.

<p>349</p>

Das Tao Tsang ist m. W. nicht übersetzt und scheint selten zu sein.

<p>350</p>

S. auch dazu de Groot, nach Ko Hung's Hagiographie.

<p>351</p>

Benutzt ist de Groot a.a.O. und die gangbare Literatur. de Groots Vortrag in den Transactions of the 2d Intern. Congr. for the Hist. of Rel. Oxford 1907, Vol. I war mir z.Z. nicht zugänglich. Ebenso nicht: I m banet-Huart, La légende du premier pape taoiste et l'histoire de la famille pontificale du Tschang (Journ. As. Nov.-Dec. 1884, p. 389).

<p>352</p>

Ueber diese Gegnerschaft vgl. Chavannes zu Se Ma Tsien 's Traktat »Riten« Vol. III, p. 210, Anm. 1.