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Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwickelung. Friedrich von Hellwald
Читать онлайн.Название Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwickelung
Год выпуска 0
isbn 4064066112547
Автор произведения Friedrich von Hellwald
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Demnach genügen, wie ich glaube, die angeführten Beispiele, um die Meinung zu begründen, dass die ersten Regungen der Schamhaftigkeit sich weit eher beim weiblichen, als beim männlichen Geschlechte beobachten lassen. Wenn übrigens Menschen, die zum vollen Bewusstsein ihres Wesens gekommen sind, sich so kleiden, dass alles verdeckt ist, was nur auf das Naturleben, besonders auf das Geschlechtsleben hindeutet, so ist das Entstehen dieses Wunsches beim Weibe leicht begreiflich und natürlich. Denn beim Weibe ist das Geschlechtsleben so scharf und markiert, wie es beim Manne in solchem Grade nicht der Fall ist; vielleicht deshalb erwacht auch das Schamgefühl im Weibe früher und lebhafter als im Manne. Ich bleibe mit Letourneau dabei, dass es eine vorwiegend weibliche Empfindung ist, von der die Männer selbst im Banne der Gesittung nur wenig berührt werden, während sie den Kulturarmen unter ihnen meistens völlig unbekannt ist.[119]
Wenn nun, wie im vorstehenden gezeigt wurde, die grössere oder geringere Entblössung des Körpers mit dem Schamgefühle in so inniger Verbindung steht, dass für dessen Entwicklung die Bekleidung einen gewissen Massstab abgiebt, so gilt es doch vor einem schweren Irrtum zu warnen. Sowohl den Urgrund zur Bekleidung, den wir hier streifen müssen, hat man im Schamgefühl entdecken wollen, als auch jenen zur Hautmalerei, welche bei der Mehrzahl der Indianer Amerikas die Kleidung ersetzte, sowie den zur Tättowierung, die an verschiedenen Stellen der Erde üblich, am vollkommensten aber bei den Polynesiern der Südsee entwickelt ist und in der That bis zu einem hohen Grade den Eindruck der Nacktheit aufhebt. Die Menschen, welche diese Sitte pflegen, so meinte man, seien sich zwar weder des Grundes, noch des Zweckes klar bewusst, aber ein dunkles Gefühl treibe sie doch dazu, wenigstens auf diese Art die rohe Natürlichkeit an sich zu verklären und die Aufmerksamkeit des Beobachters von der Nacktheit auf die künstlichen Figuren und Zeichen abzulenken. Lippert tritt nun lebhaft dafür ein, und es ist ihm darin nur beizustimmen, dass der erste Anlass zur Bekleidung noch nicht das Schamgefühl war.[120] Kein Zweifel, dass der echte Urmensch nur völlig nackt zu denken ist und von Schamhaftigkeit nichts wusste. Aber auch seine Nachkommen, die schon mit Waffen ausgerüstet umhergingen, gehören noch in die Klasse der schamlosen Völker. Zwar begannen sie ihren Leib in mannigfacher Weise zu schmücken, aber sie trugen vorerst keine Kleider, und sogar als sie solche erfunden hatten, benützten sie dieselben bloss als festtäglichen Schmuck. Auf diesem Standpunkte bewegen sich auch heute noch manche Völker, besonders dunkelfarbige, welche das Bedürfnis einer Umhüllung weniger lebhaft empfinden als hellhäutige.
Längst hatte man erkannt, dass der Schmuck viel älter als die Kleidung sei, und Hautmalerei wie Tättowierung sind lediglich als Ausschmückungen des Körpers zu betrachten. Auch der Wilde frönt schon in bedeutendem Masse der Eitelkeit. Der Einzelne will sich nicht nur im allgemeinen als Persönlichkeit, sondern als eine an sich bedeutende erhalten. Dazu dient ihm die Schmückung des eigenen Ichs, besonders das Bemalen mit leuchtender Farbe, eine Sitte, welche den Australier unserer Tage auf die Stufe des vorgeschichtlichen Ureuropäers rückt, denn schon in den dereinst bewohnt gewesenen Höhlen der Dordogne stiess man auf Knollen roten Ockers, der wohl nur zum Bemalen des nackten Körpers gedient haben mochte. Lipperts Verdienst bleibt es, überzeugend nachgewiesen zu haben, wie eine natürliche Zuchtwahl des Schmuckes gerade jenen Platz auserwählte, der zugleich oder wohl etwas später von einer ganz anderen Seite aus der Bedeckung empfohlen wurde.[121] Fast alle nackten Wilden behängen sich, wie die kannibalischen Fan im äquatorialen Westafrika, Arme und Beine mit dem mannigfaltigsten Zierrat und wenden zumeist dem Kopfputze eine erstaunliche Sorgfalt zu. Die merkwürdigen Haarkronen der Papua sowie mancher Negerstämme gehen bei entwickelteren Völkern in Kopfbinde, Kranz, Reif, Diadem und Krone über, an welch letzterem Kopfschmuck nach einer älteren Anschauung das Recht der Herrschaft hängt. So trat die Kopfzier gleichsam als Vertretung des gesamten Leibschmuckes neben die Leibwaffen. Indes ist die Wahl der Vertretung des gesamten Leibschmuckes nicht überall auf den Gürtel des Hauptes gefallen. Der tragfähigere der Lenden ist da und dort als siegreicher Nebenbuhler hervorgetreten.[122] Sobald die Faser zur Schnur geworden, wird die Lendenschnur zum Hauptträger des urwüchsigen Geschmeides. Sie wird zugleich in gutem Sinne der gemeinste Schmuckträger; wer auch gar nichts zu seiner Auszeichnung zu verwenden vermag, er würde für unanständig arm gelten, wenn nicht zum wenigsten von jenem Lendengürtel ein Schmuckstück herabhinge, das die schreitenden Füsse insbesondere der Mitte zuweisen.[123] Blätter oder Laubbüschel, auch eine Handvoll langen Grases, werden in die Lendenschnur gesteckt. Nicht viel besser ist der „Maro“, d. h. der Gürtel aus Gras oder Palmengeflecht der Polynesier, und der afrikanische „Rahad“, der Lederfransengürtel, welcher im ägyptischen Sudan vom weiblichen Geschlechte getragen wird und von Unyoro bis zum letzten Katarakte von Syene im Norden reicht. „Es wäre eine Verkehrung