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starken Geschlechte in der Regel in viel höherem Grade als dem zarten gelingt, sich über das Urteil seines lieben Nächsten hinwegzusetzen und nicht mehr über jede Kleinigkeit zu erröten, dann aber auch die in der ganzen Schöpfung wiederkehrende Sprödigkeit der weiblichen Wesen. Endlich scheinen mir mehrere von den oben angeführten Beispielen nicht völlig beweiskräftig zu sein, so hauptsächlich die Frauennacktheit bei festlichen Gelegenheiten, welche sehr wohl eine auf die Missachtung des Geschlechtes gegründete Vorschrift der Etikette sein kann. So sah z. B. Hugo Zöller zu Mahin an der Küste von Oberguinea eine ganze Anzahl erwachsener Mädchen pudelnackt einherspringen, und in Kamerun beobachtete er das Nämliche. Dies ist aber dort „Trauertoilette“, ebenso wie bei uns die Damen Schwarz anzulegen pflegen, und diese Sitte scheint in Westafrika sehr weit verbreitet zu sein.[115] Auch wissen wir von, freilich recht schwachen, Spuren des Schamgefühls bei ganz rohen Wilden und zwar fast immer nur bei weiblichen Individuen. Die gewöhnlich durchaus unbekleidete Tasmanierin achtete sorgfältig darauf, wenn sie auf den Boden sich niedersetzte und dabei die Knie öffnen musste, mit einem ihrer Füsse zu bedecken, was die elementarste Reserve zu verbergen gebietet, und unter den so schamlosen Insulanerinnen der Südsee rühmt Hr. von Langsdorff doch jenen der Markesas eine gewisse Schamhaftigkeit nach, „denn alle diejenigen, die ihre Blätter verloren hatten, waren nicht wenig besorgt, man möchte einen Teil ihrer sonst verborgenen Reize sehen, und um dieses zu vermeiden, gingen sie in kleinen Schritten, kaum einen Fuss vor den andern setzend, gekrümmt, mit eingezogenen und enge zusammengeschlossenen Knien und Schenkeln, indem sie mit der Hand das Blatt zu ersetzen suchten, so dass sie in dieser, der mediceischen Venus ähnlichen Stellung dem philosophischen Beobachter des Menschen ein schönes Schauspiel gewährten. Diejenigen hingegen, die noch ein Blättchen umhängen hatten, waren bei jeder ihrer Bewegungen beschäftigt, demselben wieder die rechte Stelle anzuweisen.“[116] Obschon die Ponapesinnen keinerlei Verlegenheit oder Verschämtheit zeigen, gegen entsprechendes Entgelt den Augen mehrerer zugleich sonst streng verhüllte Teile preiszugeben, machen sie doch niemals irgend welche unzüchtige Gebärden oder Gesten und überschreiten im Betragen niemals die Grenzen des Anstandes.[117] Ähnlich geht es oder richtiger ging es in Ohinemotu zu, dem durch die Erdbebenkatastrophe vom 10. Juni 1886 zerstörten beliebten Bade auf Neuseeland, wo braune Maoriherren und -Damen kunterbunt herumschwammen. Von einer Art Bekleidung ist dort natürlich nicht die geringste Rede, die Weiber und Mädchen beobachten aber in der Regel die grösste Sorgfalt, beim Hinein- und Herausgehen so wenig als möglich von ihren Reizen den Blicken auszusetzen. „Es war mir auffallend,“ schreibt ein moderner Reisender, Dr. Max Buchner, „dass ich im Bade niemals einen gröberen Verstoss gegen die Decenz zwischen beiden Geschlechtern, niemals eine Äusserung erotischer Triebe wahrnahm, obwohl doch die Anschauungen der Maori in diesem Punkte sehr liberal sind.“[118] Freilich ist eine solche Beobachtung des Anstandes nicht überall zu finden und die oben besprochenen Schwimmvergnügungen der hawaiischen Damenwelt lassen z. B. in diesem Punkte fast alles zu wünschen übrig.

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