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auf diesem Kontinent unterdrücken wollte. Was für eine Schande kann darin liegen, Wahnsinn und Blutvergießen zu beenden?«

      Tumàsz machte einen Schritt auf Kirin zu, und die Verachtung, die auf seinem Gesicht lag, war jetzt nicht mehr zu übersehen. »Das Schlachtenglück lag auf unserer Seite! Unsere Armee hat einen ganzen Kontinent in die Knie gezwungen! Und dann werden durch einen hinterhältigen Trick unsere Hauptstadt eingenommen und unsere siegreichen Truppen zurückgepfiffen wie ungehorsame Köter! Wie wollt Ihr es denn nennen, dass die siegreiche Kriegsmacht gezwungen wurde, wider besseren Wissens den Schwanz einzuziehen und nach Hause zu rennen, nur weil ein Zögling der Ostlinge auf dem Thron sitzt?«

      »Hütet Eure Zunge, Herr Tumàsz!«, fuhr Aderuz dazwischen; die Ärmel seiner Robe flatterten, als er sich an Kirins Seite stellte. »Bedenkt, es ist Euer Großfürst und Herr, an den Ihr das Wort richtet!«

      Kirin sah Tumàsz‹ Nasenflügel beben; einen Moment lang ballte er die Fäuste, dann öffnete er sie langsam wieder. »Mit Verlaub, Exzellenz, das ist die Lage, wie sie sich präsentiert. Ihr seid ein Fremder, der sich die Herrschaft genommen hat, obwohl sie ihm nicht zustand, und obwohl viele weitere würdige Mitbewerber dabei übergangen wurden.«

      »Mitbewerber?« Kirin umklammerte die Lehnen fester und beugte sich nach vorn. »Was soll das heißen, Mitbewerber?«

      »Falls es Eurer Aufmerksamkeit entgangen sein sollte, edler Herr, vor Euch sitzt Kirin Phalaér, der einzige leibliche Sohn, den Galihl hinterlassen hat, und sein direkter Nachkomme. Ich meine mich zu erinnern, dass auch Ihr bei der Krönungszeremonie anwesend wart; Ihr habt ihn das Schwarze Schwert führen sehen, womit sämtliche Zweifel ausgeräumt sein sollten, selbst für Euch.«

      Kirin konnte Aderuz nicht ansehen, während der diese Worte sprach, und hoffte, dass man ihm nichts anmerkte. Er bemühte sich, jegliche Unsicherheit zu verbergen, indem er Tumàsz aus starren Augen fixierte.

      Der Adelige reckte unerschrocken das Kinn. »Gewiss, Heiler, aber er ist ein Bankert, ein unehelicher Sohn, der außer im Fall einer ausdrücklichen Ernennung kein Anrecht auf den Thron seines Vaters hat. Jeder andere männliche Nachkomme hätte ebenso das Recht …«

      »Dummerweise gibt es keine anderen Nachkommen«, schnitt Aderuz ihm das Wort ab. »Großfürst Galihl selbst hat zu seinen Lebzeiten dafür gesorgt, dass seine sämtlichen lebenden Verwandten ausgerottet wurden, abgesehen von der Herrin Asusza«, bei diesen Worten neigte er respektvoll den Kopf in Richtung der Frau, die still und reglos wie ein Berg hinter Kirins Thron Wache stand, »und Prinzessin Aszka, die noch immer im selbst gewählten Exil weilt. Beide Blutbindungen an den ehemaligen Großfürsten sind aber weniger eng als die Seiner Exzellenz, und da Prinzessin Aszka noch nicht geruht hat, zurückzukehren und General Asusza offen ihre Unterstützung zu ihrem Neffen bekundet, sehe ich keinen Grund …«

      »Aber ich sehe einen Grund, Meister Aderuz. Ich und einige andere sehr hochrangige Vertreter des arachinischen Adels, in deren Namen ich heute ebenso hier stehe wie in meinem eigenen.« Tumàsz stemmte die Hände in die Hüfte. »Im Lauf der Geschichte ist es oft vorgekommen, dass ein Kriegsherr sich eines Titels bemächtigt hat, der ihm nicht zustand. Sagt selbst, wollt Ihr Euch wirklich diesen Ruf aneignen? Den eines Usurpators? Wollt Ihr nicht einmal zulassen, dass andere, vielleicht besser geeignete Kandidaten ihre Ansprüche wenigstens vortragen?«

      »Die Herrschaft über Aracanon bindet sich an den Besitz des Schwarzen Schwertes«, hörte Kirin sich selbst sagen; seine Stimme zitterte, und das nicht nur vor Wut. »Wollt Ihr Euch Nàrdarell ausleihen und sehen, ob Ihr in der Lage seid, es zu führen, Herr Tumàsz?«

      Für einen winzigen Augenblick stockte der Adelige, und Kirin wusste, wieso: Das Schwarze Schwert Nàrdarell, seit unzähligen Generationen in Besitz der Fürstenfamilie Phalaér, konnte nur von den wahren Erben dieses Blutes geführt werden; jeder, der nicht aus der direkten Linie der Großfürsten stammte, fand einen grauenvollen Tod, wenn er versuchte, das Schwert zu berühren. Die Magie des Schwertes, die älter war als der zweite Zyklus, verbrannte jeden, der so kühn war, es zu versuchen, zu Asche, und wer von der Klinge verletzt wurde, fand ein ebenso sicheres und grausames Ende.

      Die Verunsicherung des Adeligen währte jedoch nur kurz; kaum einen Lidschlag später fasste er sich wieder und erwiderte ungerührt Kirins Blick. »Exzellenz, wart Ihr es nicht, der die Bindung an dieses verfluchte Schwert als unheilvoll bezeichnete? Habt nicht Ihr es aus den Augen jeder Menschenseele verbannen lassen, damit die Untaten, die damit begangen wurden, vergessen gehen? Wie könnt Ihr jetzt, da es Euch nützt, so plötzlich Eure Meinung gegenüber dieser Waffe ändern?«

      Kirin krampfte unbewusst die Finger seiner linken Hand zusammen, der Hand, mit der er selbst bei seiner Krönungszeremonie Nàrdarell aus der Scheide gezogen hatte. Sie schmerzte allein bei der Erwähnung des Schwertes, und damit in einem Raum zu sein, war schon vor Monden für ihn unerträglich geworden.

      »Mir wurde wiederholt vorgeworfen, dass ich mich zu wenig um die Traditionen dieses Landes kümmere«, entgegnete Kirin scharf. »Ich bin daher stets bemüht, das zu ändern.«

      »Seht Ihr, Exzellenz, das ist das Problem: Ihr bemüht Euch. Ihr versteht nicht. Ihr seid kein Teil dieses Landes, wie Eure Zeugung auch immer zustande gekommen sein mag. Das größte Land des Kontinents einem Jungen zu überlassen, der kein Verständnis für dessen Kultur und Vergangenheit – seine Seele, mit anderen Worten – hat, das, so viel müsst Ihr einsehen, ist himmelschreiender Unsinn.«

      Kirin bemerkte erst, dass er aufgestanden war, als Larniax ihm eine Hand auf die Schulter legte, wie um ihn zurückzuhalten. »Gebt auf Euren Ton Acht, Tumàsz! Ich mag nicht der wahnsinnige Mörder sein, der Galihl war, aber ich werde Eure Unverschämtheiten nicht tolerieren!«

      Tumàsz musterte ihn für einen Augenblick sichtlich amüsiert. »Ich glaube nicht, dass Ihr mich angreifen werdet, Exzellenz. Abgesehen davon, dass Ihr in Euren Reden stets den Frieden und die Abkehr von der Gewalt gepredigt habt, dürftet Ihr Euch große Schwierigkeiten einhandeln, wenn Ihr es versuchtet. Wie ich schon sagte, bin ich mit dem Segen und der Ermächtigung der meisten großen Adelshäuser Aracanons hierhergekommen. Wir alle sind der Ansicht, dass Ihr uns, die wir das Fürstenhaus stets mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützten, mit Eurer Thronbesteigung übergangen habt. Die Ostländer haben Euch eingesetzt, als Fremdkörper könnte man sagen, und das, ohne sich zu überlegen, was für dieses Land das Beste ist. Alles, was die Ausländer wollten, war, den Dorn aus ihrem Fleisch zu ziehen, zu dem der frühere Großfürst für sie geworden war, und ihn durch einen möglichst bequemen Kandidaten zu ersetzen. Die Angst, dass Aracanon zu einer Provinz des Hohen Rates wird, ist verbreitet unter meinen Gefährten, und gewiss nicht unbegründet.«

      »Ich versichere Euch, sie ist unbegründet«, sagte Kirin schneidend. »Ich mag ein Fremder in diesem Land sein, aber ich habe dennoch nicht die Absicht, seine Einwohner und seine Kultur den ostländischen Politikern zum Fraß vorzuwerfen. Ich habe genügend von ihnen kennengelernt, um zu wissen, dass ich mich niemals an einen von ihnen binden werde. Und dasselbe gilt für jede andere Art von politischen Machtmenschen.« Er bedachte Tumàsz mit einem Blick von ausgesuchter Verachtung.

      Der Adelige wirkte alles andere als eingeschüchtert; er griff in seinen Ärmel und beförderte ein Dokument zutage. »Wie dem auch sei: Das hier ist ein Schreiben, aufgesetzt und unterzeichnet von vierzehn Vertretern der größten Häuser dieses Landes. Darin werdet Ihr aufgefordert, Euch gemeinsam mit selbigen in einem Rat einzufinden, wie er auch im vergangenen Großkönigreich üblich war. Dieses Gremium, das wir in Ermangelung eines besseren Wortes Fürstenrat nennen wollen, hat die Aufgabe, Euch während Eurer gesamten Regierungszeit zu beraten und Euch bei allen wichtigen Entscheidungen zur Seite zu stehen. Außerdem hat es das Recht, Beschlüsse Eurer Exzellenz, die nach Ansicht des Rates dem Wohle des Landes zuwiderlaufen, für ungültig zu erklären. Das ist ein Erfordernis«, fügte er etwas lauter hinzu, denn bei diesen Worten war lautes Gemurmel überall im Raum aufgebrandet, »ein Erfordernis, das uns allein in Anbetracht der Jugend Eurer Exzellenz, ganz zu schweigen aber von Eurer Unerfahrenheit und Unkenntnis unserer Gebräuche und der politischen und rechtlichen Lage absolut notwendig und nicht verhandelbar scheint.«

      Aderuz räusperte

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