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Yorenin hatte, in welchem Kirin als Diener aufgewachsen war. Er und Larniax setzten sich in zwei gemütliche Lehnstühle mitten im Raum, direkt unter dem schimmernden und mit dutzenden von Kerzen besetzten Kronleuchter.

      »Ich könnte mir denken, Euch geht einiges durch den Kopf«, meinte Larniax nach einiger Zeit.

      Kirin nippte an seinem Wein – mit Wasser verdünnt – und dachte darüber nach, wie es wäre, all seine Gedanken und Befürchtungen in Worte zu fassen. Vermutlich säßen sie beide dann morgen Abend noch hier, also würde er es besser gleich bleiben lassen.

      »Das tut es«, sagte er daher nur.

      Larniax schien einen Moment mit sich zu ringen, dann sagte er: »Tumàsz ist nicht so stark, wie er glaubt. Ihr habt die Audienz heute unterbrochen, aber morgen werden sich Gesandte der Ostländer hier einfinden, Boten des Rates, die Ihr um Hilfe bitten könnt. Ihr könntet mächtige Verbündete in den Ländern der Mitte und des Ostens gewinnen, wenn Ihr ihren Beistand …«

      »Nein«, sagte Kirin bestimmt. »Ich war einmal ein Werkzeug in den Händen ostländischer Puppenspieler, das werde ich nie wieder sein. Außerdem, wenn ich den Rat und die anderen Länder um Hilfe bitte, tue ich genau das, was Tumàsz von mir erwartet. Es wäre Öl in dem Feuer, das er gegen mich entfachen will: Die ausländische Marionette, die Aracanon zu einer bloßen Provinz degradiert. Diese Genugtuung werde ich ihm auf keinen Fall geben.«

      Larniax nahm seinerseits einen Schluck Wein. »Ihr könntet selbst Boten zu den Windreitertruppen im Ausland schicken. Lasst sie von Euren Taten erzählen und davon, wie Tumàsz die Linie der Phalaér durchbrechen will, um das Land in zersplitterte Baronien für sich und seine Adelsfreunde aufzuteilen.« Kirin verzog den Mund. »Gerüchte und Intrigenspiele sind nicht meine Stärke. Außerdem glaube ich nicht, dass Erzählungen in diesem Fall viel helfen werden. Ich werde mich allein gegen Tumàsz behaupten müssen, das ist die einzige Möglichkeit, wie ich mir das Vertrauen und den Respekt der Windreiter verdienen kann.«

      Der Mann von den Inseln betrachtete Kirin einen Moment lang, dann zog sich ein schiefes Lächeln über sein Gesicht. »Eine Logik, Exzellenz, der man schlecht widersprechen kann. Also dann: Auf Euch.«

      Kirin stieß mit seinem Becher gegen den von Larniax, allerdings ohne rechte Überzeugung. Ehe jedoch einer von beiden einen Schluck nehmen konnte, ertönte erneut ein leises Klopfen an der Tür. Verblüfft blickten die Männer auf, und einen Herzschlag später kam ein Windreiter in den Saal gestolpert; seine schlaksige, leicht gebeugte Erscheinung machte auf Kirin eher den Eindruck eines Gelehrten oder Bibliothekars als die eines Kriegers, doch die Bewegung, mit der er sich auf ein Knie niederließ, war geschmeidig und anmutig und verriet jahrelange Übung. »Verzeiht, Exzellenz, Herr Zanid Monzù wünscht zu Euch vorgelassen zu werden.«

      Kirin tauschte einen Blick mit Larniax. »Was kann der noch wollen?«, fragte der junge Krieger.

      »Exzellenz, er meinte, er wolle Euch etwas mitteilen, das allein für Eure Ohren bestimmt sei. Er ließ sich nicht abweisen.«

      Kirin stellte seinen Becher auf den Tisch und stand auf. »In Ordnung, bitte ihn herein.«

      Der Windreiter, dessen Name Mìszak oder so ähnlich lautete, erhob sich und ging rückwärts aus dem Raum. Nur wenige Herzschläge später kam er zurück, den großen dürren Mann im Schlepptau, dessen Hinken im Laufe des Tages noch schlimmer geworden war. Er trug dieselben Kleider wie bei der Audienz, nur hatte er sich mittlerweile ein gebogenes Einhandschwert auf den Rücken geschnallt.

      Larniax stand ebenfalls auf und stellte sich dem Adeligen in den Weg. »Waffen sind in Gegenwart seiner Exzellenz nicht erlaubt«, erklärte er barsch.

      Der alte Mann lächelte ein winziges, seltsam trauriges Lächeln. »Seine Exzellenz ist vierzig Jahre jünger als ich und hat selbst zwei prächtige Schwerter auf seinem Rücken. Wenn er sich von mir bedroht fühlt, wird er auch ohne Euch in der Lage sein, mir das klarzumachen.«

      Für einen Moment war Larniax zu verblüfft, um etwas zu erwidern, was Zanid Monzù sofort ausnutzte; er wandte sein ausgezehrtes Gesicht Kirin zu und ließ sich schwerfällig auf ein Knie sinken. »Exzellenz mögen mir die späte Stunde verzeihen; ich komme soeben von den Ruhestätten vor dem Stadtgefängnis, wo man anhand ihrer Kleidung meinen Bruder und seinen Sohn identifizieren konnte. Sie werden in diesem Moment in mein Haus gebracht, wo man sie angemessen reinigen wird, damit sie aufgebahrt und verbrannt werden können.«

      »Das freut mich zu hören«, sagte Kirin aufrichtig und bedeutete Monzù, aufzustehen. Der alte Mann gehorchte, wobei er die hilfreich ausgestreckte Hand ignorierte. »Ich kam nur vorbei, um Eurer Exzellenz persönlich zu danken. Ihr habt mir damit einen größeren Dienst erwiesen, als es Euch vielleicht bewusst ist.«

      »Ich bin froh, dass es zumindest Euch so geht. Es gibt zu viel Leid in dieser Stadt, das ich nicht so einfach lindern kann.«

      Monzù nickte schwer. »So ist es. Aber Euer Heiler, so habe ich gehört, hat dafür gesorgt, dass sich viele seiner Gilde in der Stadt eingefunden haben, um Verletzte zu behandeln. Außerdem sind die Kornspeicher gefüllt, das Volk leidet zurzeit keinen Hunger.«

      »Das stimmt«, gestand Kirin. »Es scheint, als hätten die Ostländer … meine Verbündeten die verborgenen Kornkammern des Palastes und der Stadt nicht gefunden. Allerdings sind die sonstigen Schäden erheblich.«

      »Tag für Tag treffen neue Forderungen nach Wiedergutmachungen ein«, stimmte Larniax zu; er schien dem alten Adeligen die Zurechtweisung noch immer übelzunehmen, aber zumindest beschränkte er sein Schmollen auf einen Ausdruck verhaltener Ungeduld.

      Monzù verzog verächtlich den Mund. »Wie ich heute selbst bezeugen durfte. Wenn ich einen Rat geben darf, Exzellenz: Bezahlt dem alten Gierschlund von Armész ein paar hundert Goldmünzen und lasst Euch von seinem Geheule nicht erweichen. Wartet ein paar Wochen, dann schickt ihm noch einmal tausend, begleitet von einer guten Flasche Wein und einem oder zwei hübschen Mädchen, dann wird er den Mund halten. Er ist ein Raffzahn und versucht zu profitieren, wo er nur kann, aber er ist schnell zu beruhigen. Nur rate ich Euch, ihn nicht zu ignorieren; Armész wütend zu machen, kann schnell zu einer Handelsblockade führen, die weit über das Waffengeschäft hinausgeht.«

      Kirin musterte den Alten neugierig. »Ich danke Euch für diesen Rat, Herr Monzù. Es tut gut zu wissen, dass nicht alle Adeligen Aracanons gegen mich sind.«

      Zanid Monzù schnaubte leise. »Diese elenden Ehrgeizlinge und Halsabschneider! Sie alle würden ihre Schwestern und Mütter in die Steppen verkaufen, um eine Parzelle Land oder einen Posten bei Hofe zu ergattern, aber keiner von ihnen hat auch nur einen Funken Ehre im Leib! Ich verachte sie, elende Menschenschinder und Fresser und Säufer, die alle zu feige waren, sich gegen den Tyrannen zu erheben! Oder zu sehr von seiner Herrschaft profitierten, um sich darum zu kümmern, was aus den anderen ihres Standes wurde.« Ohne sich dessen bewusst zu sein, ballte er die Fäuste. »Sie alle sind beiseitegetreten und haben kommentarlos zugesehen, wie man Priester und Heiler, Gelehrte und hochrangige Adelige ermordet hat, weil sie sich weigerten, dem Großfürsten zu folgen! Mein Bruder und mein Neffe waren die letzten, die aufstanden in dem Versuch, den Mut in den Herzen ihrer Gefährten zu wecken. Vergeblich. Vergolten wurde ihnen ihre Tapferkeit mit Verrat, Folter und Tod.«

      Schwer holte der alte Adelige Luft, dann fuhr er mit etwas ruhigerer Stimme fort: »Aber nun werde ich in der Lage sein, die Toten ruhen zu lassen. Für Euch, Exzellenz, fängt der Kampf erst an.«

      »Das tut er. Und so wie es aussieht, werde ich ihn allein austragen.«

      Zanid Monzù musterte ihn einen Augenblick lang wortlos, dann legte er seine Rechte auf den Griff seines Schwertes, langsam und getragen, um die Absicht dahinter zu vermitteln. »Ich sagte Eurer Exzellenz heute schon einmal, dass Ihr jederzeit auf mich zählen könnt, wenn Ihr mich braucht. Ich kenne diesen Tumàsz und viele seiner Helfershelfer schon ihr ganzes Leben lang, und selbst wenn mein Haus in ihren Augen Schande auf sich geladen hat, so gehöre ich noch immer zum Adel meines Landes, und meine Stimme hat Gewicht. Wenn Eure Exzellenz es mir erlauben wollen, so werde ich Seite an Seite mit Euch gegen diese Saatkrähen antreten. Wir werden sehen, ob sich ihr Ehrgeiz und ihre Gier nicht ein

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