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hat: Der Müller das Mehl, der Schneider ein paar neue schwarze Mäntel und jetzt auch blaue Hosen, der Sattler neues Zaumzeug und so weiter und so weiter. Und Vater wird erfahren, wie viele Hufeisen, Steigbügel und Sporen er anzufertigen hat. Und dann legen sich alle ins Zeug, um alles pünktlich fertig zu haben. So geschieht es immer“, erklärte Mutter Grethe. „Wir können froh sein, daß der Bürgermeister sich so sehr bemüht, Unheil vom Dorf abzuhalten.“

      „Unheil abhalten?“, fragte Marie spöttisch, „das Unheil ist doch allein diese Lumpenbande selber, die werden wir kaum vom Dorf abhalten, wenn wir immer auf Knien vor ihnen herumrutschen und ihnen jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Hinaus geprügelt gehören die, ein für alle Mal!“

      „Lass mal, Marie“, versuchte Gregor sie zu beruhigen, „so einfach ist das nun auch nicht, der Bürgermeister kann sich kaum allein gegen den Admiral stellen, da muss das Dorf schon zusammenstehen.“

      Vater Jakobus nickte Gregor zu und stand vom Tisch auf: „Jetzt müssen wir erst einmal zusammenstehen, um in den sieben Tagen unsere Arbeit zu erledigen. Ich werde sehen, was mein Anteil dabei ist. Und ihr beiden könnt Euren Kampf gegen die Halunken am Besten beginnen, indem ihr endlich eure Nachthemden auszieht.“

      Er nahm seine Lederschürze vom Kleiderhaken und ging hinaus. Johannes und Gregor trugen tatsächlich immer noch ihre Nachthemden über den Hosen, in der Aufregung am frühen Morgen hatten sie das völlig vergessen. Sie gingen hinaus zur Wäscheleine, um sich dort umzuziehen. Gregor zog sein Hemd an und Johannes seinen Pullover, auf dem man ohne den ganzen Staub und Dreck jetzt wieder die Weltraum-Motive erkennen konnte. Gregor schaute sich die Abbildungen an.

      „Du trägst wirklich ungewöhnliche Kleidung, da hat der Admiral schon Recht“, sagte er. „Und was sind das eigentlich für eigenartige Bilder?“

      Johannes blickte an sich herunter und zeigte nacheinander auf die Bilder auf seinem Pullover. „Na, das ist die Erde, das der Mond und das ist der Planet Saturn. Was denkst du denn, was das ist?“

      „Den Mond erkenne ich auch. Und das runde Blaue da soll unsere Erde sein? So ein Unsinn.“ Gregor zeigte zur Anhöhe hinüber, danach zu den Weiden und Feldern ringsum das Dorf. „Blau, ich sehe hier nichts Blaues, nur grüne Wiesen und Wälder!“

      „Die Erde ist zu zwei Dritteln mit Ozeanen bedeckt, deswegen sieht sie, vom Weltraum gesehen, so blau aus, das weiß doch jeder. Die grünen Wiesen und Felder - das sind die Flecken dazwischen, Afrika, Amerika und die anderen Kontinente.“ erklärte Johannes. Aber Gregor sah ihn nur verwundert an und tippte sich an die Stirn.

      „Was für ein Weltraum? Wo soll der denn sein? Kann man da rein gehen, in deinen Welt-Raum?“

      „Weltraum eben, die Sterne, die Sonne, der Mond und alles. Stell dich auf den Mond und die Erde sieht von dort so aus wie eine blaue Murmel“, fuhr Johannes leicht ungeduldig fort. Gregor begann zu lachen:

      „Auf den Mond stellen? Wer hat sich auf den Mond gestellt und zur Erde gesehen? Du etwa? Ich glaube, du hast gestern Abend wohl noch heimlich von Vaters Wein getrunken, so einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Kein Mensch hat jemals die Erde von oben gesehen, selbst der höchste Berg reicht dafür nicht!“

      Johannes schüttelte den Kopf. „Euer ganzes Dorf hat scheinbar von vielen Dingen noch nichts gehört, nichts von Telefonen, nichts von Traktoren! Dieser Admiral hat offenbar noch nie eine gewöhnliche Jeans gesehen und ihr habt kein elektrisches Licht und keine Fernsehapparate – ist vielleicht wirklich kein Wunder, daß ihr auch noch nie ein Bild von der Erde gesehen habt!“

      „Natürlich haben wir einen Fernsehapparat, warte!“ entgegnete Gregor und lief ins Haus. Einen Moment später kam er mit einem langen Fernrohr in der Hand zurück: „Hier, sieh, da hast du einen Fernsehapparat!“

      Johannes rollte mit den Augen. „Das ist doch kein Fernsehapparat, das ist ein altes Fernrohr.“

      „Ja, natürlich, eben ein Apparat, um in die Ferne zu sehen, ein Fernsehapparat. Mit dem hat einmal ein Reisender Vater für das Beschlagen seines Pferdes bezahlt“, erwiderte Gregor während er durch das Fernrohr zur Anhöhe hinüber sah.

      Jetzt musste Johannes lachen und nahm das Fernrohr in die Hand und sah hindurch: „Ich meine einen anderen Fernsehapparat, der steht im Wohnzimmer und man kann damit, ach, wie soll ich das erklären?“.

      Johannes bemerkte, daß es wohl zwecklos sein würde, Gregor Aufbau und Funktion eines Fernsehapparates zu erklären, wenn im Dorf schon elektrischer Strom unbekannt war.

      „Dann nimm doch deinen Fernsehapparat und schau heute Nacht zum Himmel, da kannst du dann vielleicht wenigstens den hier entdecken“, sagte er und zeigte dabei auf den Saturn auf seinem Pullover. Als er das sagte, wurde Gregor plötzlich kreidebleich und starrte dabei schweigend und mit weit aufgerissenen Augen auf den Pullover.

      „Ich Dummkopf!“, stammelte er, nachdem er sich vom ersten Schreck erholt hatte, „ich riesengroßer Dummkopf, daß ich das nicht sofort gesehen habe. Los, schnell wir müssen wieder zu den anderen. Geh' zu Mutter und Marie, ich hole Vater, schnell!“

       6. Die Prophezeiung

      Nachdem sich wieder alle fünf im Haus am Tisch versammelt hatten, blickte Gregor in die Runde, deutete auf Johannes und fragte dann: „Und, fällt euch nichts auf?“

      Die anderen schauten etwas ratlos. „Er sieht wieder tadellos aus in den frisch gewaschenen Kleidern“, sagte Mutter Grethe und Marie ergänzte: „Kämmen wäre vielleicht nicht schlecht.“

      „Nein, daß meine ich nicht, seht doch mal hierhin!“, sagte Gregor und zeigte auf den Pullover. „Hier, der Mond. Und wisst ihr, was er zu den anderen Dingen sagt? Das sei die Erde, wie man sie vom Mond aus sehen würde, und das Ding mit dem komischen Kringel drumherum, das sei der Planet Saturn – und den könnte man mit dem Fernrohr am Himmel sehen. Am Himmel sehen – versteht ihr?“

      Vater Jakobus stand auf, um die Bilder besser sehen zu können. Auch Marie beugte sich vor, um mehr zu erkennen. „Hübsche Bildchen, sag' bloß, du denkst an den alten Wahrsager und seine Prophezeiung?“, fragte sie Gregor.

      „Natürlich denke ich an den alten Wahrsager, oder glaubst du, das ist Zufall?“

      Mutter Grethe schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und konnte gar nichts sagen.

      „Da könnte etwas dran sein, fürwahr, das sind ganz gewiss Bilder des Himmels, die noch keiner von uns gesehen hat“, stimmte Jakobus zu.

      „Natürlich sind sie das. Johannes ist derjenige, den uns der Wahrsager angekündigt hat, bestimmt!“, verkündete Gregor, während Johannes ratlos in die Runde sah und schließlich fragte: „Wer hat mich angekündigt? Wer ist dieser Wahrsager und was hat der mit meinem Pullover zu tun?“

      „Du wirst doch wohl wissen, was ein Wahrsager ist?“, fuhr ihn Gregor ungeduldig an.

      „Nun mal langsam, Gregor, das müssen wir Johannes schon in Ruhe erklären“, bremste ihn Jakobus und holte seine Pfeife hervor. Er stopfte etwas Tabak hinein und begann zu erzählen:

      „Der Wahrsager, ja, der ist ein sehr ungewöhnlicher und geheimnisvoller Mann. Man sagt, er habe viele ferne Länder bereist, um dort die Weisheiten der fremden Völker zu lernen. Jetzt zieht er durch das Land und alle paar Monate kommt er auch in unser Dorf. Er weiß sehr viel und die Menschen suchen seinen Rat, wenn sie krank sind, die Ernte schlecht war oder sie andere Sorgen plagen. Und manchmal, manchmal scheint er Dinge vorhersagen zu können, die noch niemand weiß oder ahnt. Die Leute im Dorf halten ihn für einen Seher und sie vertrauen ihm.“

      „Ja, genau, ein Seher!“, fiel ihm Marie ins Wort. Sie klang schon wieder spöttisch. „Ein Seher, ein Wahrsager, vielleicht auch ein Zauberer und Wunderheiler, einige im Dorf glauben sogar, er reitet nachts auf einem heiligen Einhorn durch die Berge, diese abergläubischen Leutchen.“

      Jakobus beachtete sie nicht weiter und fuhr fort: „Natürlich haben wir ihn eines Tages auch um Rat wegen des Admirals gefragt. Der Bürgermeister

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