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mit dieser Plage zu leben, es werden auch wieder bessere Zeiten kommen“.

      „Gar nichts wird kommen“, sagte da Marie energisch, die bis jetzt nur zugehört hatte. „Die Banditen werden immer wiederkommen, so lange bis hier endlich jemand den Mut hat, sich ihnen in den Weg zu stellen. Was kann es für die denn Besseres geben, als ein Dorf voller Angsthasen, die sich einfach so nach Strich und Faden ausplündern lassen? Die müssten ja schön blöd sein!“

      „Marie, sprich' nicht so!“, antwortete Vater Jakobus streng. „wer soll sich diesen Verbrechern denn in den Weg stellen? Franz, der Schreiner? Schneider Matthias mit Nadel und Faden? Oder die Bauern mit Heugabeln und Dreschflegeln? Gegen fünfzig Mann mit schweren Säbeln, die ihr Leben lang nichts anderes getan haben, als zu rauben, zu prügeln und zu streiten und die nichts zu verlieren haben, weder Ehre noch Anstand? Nein, alleine schaffen wir das nicht, fürwahr!“

      „Wir haben es ja noch nie versucht“, warf Gregor ein, „vielleicht suchen sich die Banditen ja ein anderes Dorf zum Ausnehmen, wenn sie bei uns nur ein einziges Mal auf Widerstand treffen.“

      „Ja, vielleicht müssen aber einige von uns dabei auch daran glauben – meint ihr, es reicht wenn wir uns hinstellen und sagen 'So, liebe Banditen, sucht Euch doch bitte ein anderes Dorf zum Ausplündern, wir haben dazu jetzt keine Lust mehr. Haut ab oder wir ziehen Euch eins mit der Ochsenpeitsche über?' Der Admiral wird Euch schon Mores lehren. Ihr habt leicht reden, ihr tragt ja nicht die Verantwortung für das Dorf und die Familien. Schluss damit jetzt.“

      Gregor, Marie und Johannes sahen sich an, sagten aber nichts mehr. Mutter Grethe begann, schweigend den Tisch abzuräumen und Vater Jakobus stopfte sich sein Pfeifchen.

      „Johannes, du solltest über Nacht bei uns bleiben“, sagte er. „Das ist klüger, wenn sich die Banditen in der Nähe herumtreiben. Morgen bringen wir dich sicher aus dem Dorf, wir geben dir ordentlichen Proviant mit und dann kannst du weiter deines Weges ziehen. Du schläfst bei Gregor in der Kammer.“ Jakobus lehnte sich zurück und zog genüsslich an seiner Pfeife.

      „Komm', wir gehen nochmal raus und sehen nach den Hühnern“, sagte Gregor zu Johannes und zog ihn mit nach draußen. Gemeinsam gingen sie zum Stall hinüber, wo noch einige Hennen nach Körnern pickten.

      „Nachts müssen die alle rein, sonst holt sie der Fuchs“, erklärte Gregor. Nachdem sie noch ein paar Eier eingesammelt und die Hühner in den Stall gescheucht hatten, setzten sie sich auf einen Holzstamm und sahen, wie Marie die Wäsche hinter dem Haus aufhing, die Mutter Grethe inzwischen gewaschen hatte.

      „Morgen früh sind deine Sachen wieder trocken, falls du dann weiter willst, während hier wieder alle darauf warten, dem Admiral und seinen Schergen die halbe Ernte und ihr Hab und Gut in die Hand drücken zu dürfen“, sagte Marie zu Johannes. Gregor seufzte.

      „Klar will ich weiter, ich muss doch irgendwie wieder nach Hause kommen“, sagte Johannes und überlegt wieder, ob er Gregor von seinem Traum mit dem merkwürdigen alten Mann und von der verzauberten Schaukel, die ihn hierher in Gregors Dorf gebracht hatte, erzählen sollte. Aber würde Gregor ihn nicht einfach für verrückt halten, wenn er ihm jetzt die Geschichte vom Zauberonkel mit einem Eichhörnchen auf dem Hut auftischte? Lieber nicht. Vielleicht wäre es besser, einfach schlafen zu gehen, morgen früh auf zu wachen und festzustellen, daß auch das Dorf mit seinen Bewohnern und den Banditen nur ein Traum gewesen war. Und so gingen sie alle zu Bett. Das ganze Dorf schlief tief und fest und ahnte noch nicht, daß es eine kurze Nacht werden würde.

       4. Der Admiral

      Die laue Sommernacht war noch kaum zu Ende, als in der Nähe des Dorfes das Wiehern von Pferden zu hören war. Eine Gruppe von Reitern in langen schwarzen Mänteln bahnte sich in der ersten Morgendämmerung ihren Weg durch die Wiesen und Felder, während am Himmel noch der blasse Vollmond zu sehen war. Auf einer Anhöhe blieben sie stehen, ein Pferd neben dem anderen, und blickten auf das noch schlafende Dorf hinab. Einer der Reiter gab mit der Hand ein Zeichen und sie ritten weiter, weiter hinunter zum Dorf. Als erster der Dorfbewohner war an diesem Morgen der alte Habakuk auf den Beinen, weil er am Dorfsee angeln wollte und die Fische früh am Morgen am besten beißen. Mit der Angel in der rechten und einem Eimer in der linken Hand hatte er sich gerade auf den Weg gemacht, als er auf der Anhöhe über dem Dorf einen großen Schatten wahrnahm. Als er genauer hinsah, erkannte er die Reiter, die auf dem Weg hinunter zum Dorf waren. Er ließ sofort Angel und Eimer fallen und rannte zurück ins Dorf, so schnell er konnte. Und als er wieder bei den Häusern angekommen war, da rief er nach Leibeskräften:

      „Sie kommen! Sie kommen!“

      Obwohl noch fast alle Dorfbewohner in ihren Betten lagen, so wie auch Johannes und Gregors Familie, stimmten immer mehr Menschen in den Ruf des alten Habakuk ein. Sie sprangen aus ihren Betten, zogen sich schnell etwas an und liefen hinaus auf den Dorfplatz. Im Haus des Schmiedes war Marie die schnellste, flugs hatte sie ihr Kleid angezogen und rief immer wieder durch das ganze Haus:

      „Die Banditen kommen! Die schwarzen Banditen kommen!“

      Auch Johannes und Gregor waren schnell auf den Beinen und rannten nach draußen. Sie trugen noch ihre Nachthemden, rissen die gewaschenen Hosen von der Wäscheleine und zogen sie schnell an. Auf dem Dorfplatz hatte sich schon eine Menschenmenge gebildet, die Dorfbewohner wirkten nervös und angespannt und redeten wild durcheinander. Die schwarzen Reiter waren mittlerweile am Dorf angekommen. Etwa die Hälfte von ihnen bezog rings um das Dorf Posten, die andere Hälfte ritt in das Dorf hinein. Angeführt wurden sie von zwei Reitern, die etwas Abstand von den anderen hielten. Einen der beiden hatte Johannes schon am Vortag gesehen, es war derjenige, den Gregor immer Franco genannt hatte. Er war wieder ganz in Schwarz gekleidet, so wie alle anderen Reiter auch. Nur der Reiter, der an seiner Seite ins Dorf gekommen war, trug keine schwarze Kleidung. Dieser war auffallend bunt angezogen: Er trug einen purpur-roten Mantel mit goldenen Knöpfen und goldenen Schulterstücken, darunter eine weiße Reiterhose und beeindruckend glänzende Reitstiefel. Sein Hut war zwar auch schwarz, aber mit einem bunten Federbusch und einer Art Medaillon versehen. Sein Säbel war blank poliert und hatte einen goldenen, reich verzierten Griff.

      „Der Papagei da ist der Admiral, der Anführer der Halunken“, flüsterte Gregor Johannes zu. „Er tut immer sehr vornehm, ist aber genau so ein Lump wie die anderen.“

      Die beiden standen etwas abseits in der Nähe des Hühnerstalls, konnten aber gut sehen, was auf dem Dorfplatz vor sich ging. Franco und der Admiral stiegen von ihren Pferden, stellten sich mitten auf den Dorfplatz und sahen sich die Dorfbewohner an, die sich rund um sie versammelt hatten. Zwar waren die Dorfbewohner alle neugierig, achteten aber darauf, den Banditen nicht näher zu kommen als unbedingt nötig. Denn die Burschen wirkten allesamt verwegen und bedrohlich und man sah ihnen an, daß sie in ihrem Leben wohl kaum jemals einem Streit ausgewichen waren. Neben dem großen und dünnen Franco wirkte der Admiral eher klein und etwas dick, war aber durchaus schwungvoll vom Pferd abgestiegen. „Franco, wo ist der Bürgermeister unserer lieben Freunde?“, fragte der Admiral seinen Begleiter, „Er soll sich zu uns gesellen, wir haben doch zu reden!“

      Franco gab zwei anderen Banditen ein Zeichen, woraufhin diese ebenfalls von ihren Pferden sprangen und zu dem Haus liefen, das wohl dem Bürgermeister gehören musste. Noch bevor sie am Haus angekommen waren, kam ihnen ein kleiner Mann mit fast kahlem Kopf und Schnurrbart entgegen, der sich noch im Laufen die Hose hochzog.

      „Ich komme schon, Herr Admiral, ich komme schon!“, rief er Franco und dem Admiral zu. Die beiden abkommandierten Banditen nahmen ihn in Empfang und führten ihn zur Mitte des Dorfplatzes.

      „Das ist der Bürgermeister Leopold, der größte Angsthase und Bückling im ganzen Dorf“, flüsterte Gregor wieder.

      „Guten Morgen, mein lieber Leopold“, begrüßte der Admiral den Bürgermeister, zog dabei seinen Hut und deutet eine Verbeugung an. Auch der Bürgermeister verbeugte sich, einmal vor dem Admiral, einmal vor Franco.

      „Herr Admiral, auch ich begrüße Euch“, begann er noch etwas außer Atem, „zu so früher Stunde haben wir Euch freilich nicht erwartet. Seid auch Ihr gegrüßt, Herr Franco!“

      „Morgenstund'

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