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zu sagen. Dabei trat sie ihm in die Seite, wie sie es gesehen hatte, als er mit seinem Border-Collie unterwegs gewesen war.

       »Dir werde ich zeigen, was es heißt, einen Hund zu misshandeln«, schimpfte Vindicta und zog an der Leine, die sich um die Kehle des Mannes schlang. Erneut trat sie ihm mit den Springerstiefeln, die sie sich von einem Bekannten geliehen hatte, in die Seite.

       Der Mann röchelte wie ein Hund, dem das Halsband die Kehle zuschnürt.

       »Auf das Halsband habe ich verzichtet«, erklärte Vindicta dem Mann, der sie fassungslos anstarrte. Wann immer er mit der Hand nach der Leine griff, trat Vindicta gegen die Hand, den Arm, das Ellbogengelenk. Der Mann schaffte es nicht mehr, sich auf allen Vieren zu halten, einer der Arme knickte immer ein und die Beine konnte er nicht bewegen. Vindicta hatte sie mit Packband zusammengeschnürt.

       Vindicta zog an der Leine, fester und immer fester, bis der Mann zusammenbrach. Sie wickelte die Leine um seinen Hals und wartete, bis er nicht mehr atmete. Erst dann holte sie die kleine Champagnerflasche, die sie sich kartonweise schicken ließ, zusammen mit einer Sektschale aus der Tasche, goss das Glas voll und trank es genüsslich mit einem Blick auf den Mann in einem Schluck leer.

      Ich wache schweißgebadet auf und wundere mich, dass ich nicht wie in meinem Traum quer im Sessel sitze, dass meine Beine nicht über eine Seitenlehne hängen.

      Wieder war es der Eisberg mit seinen Mannen, meinen ehemaligen Kollegen, diesen feigen Würmern, die sich nicht einmal bei mir gemeldet haben, der durch meinen Traum spukte.

      Ich befand mich allein in einem dunklen Raum. Die Gesellschaft, zu der ich gehörte, hatte sich in einen Speisesaal begeben. Vorher hatte man auf den Einstieg des Eisbergs angestoßen. Mit 68 – so alt ist er nicht! – sei er sehr rüstig und man freue sich über seinen Eintritt in das Unternehmen. Das sagte eine etwa 40 Jahre jüngere Frau in einem Cocktailkleid, die als erste mit ihm anstieß.

      Ich wurde nach vorn geschubst, um ebenfalls mein Glas auf ihn zu erheben. Als ich vor ihm stand, traten alle zurück, sodass ich seinen Frostaugen ganz allein ausgesetzt war. Er sah mich an, als ob er mich versteinern wollte.

      Wenig später löste sich die Dornröschenstarre, in die alle bei dem Blickwechsel verfallen waren. Die anderen gingen in den Speisesaal. Ich blieb zurück und betrachtete die Bücher, die wie aus dem Nichts in hohen Wandregalen auftauchten.

      Eines erinnerte mich an ein Notizbuch aus meiner Kindheit. Ich nahm es und schlug es auf. Es war mein Heft. Ich hatte darin als Kind aus Zeitschriften und Büchern Sprüche und Gedichte gesammelt. Ich blätterte es durch. Meine Augen blieben an einem Gedicht hängen. Als ich die Überschrift las, brach ich schluchzend in dem Holzsessel zusammen. »Zerstöre nicht für einen Traum den Regenbogen.« Es läutete grell, obwohl alle anderen schon im Speisesaal waren.

      Erst nach einigen Sekunden wird mir klar, dass das Läuten nicht in den Traum gehört, sondern in die Wirklichkeit. Die Türklingel.

      Ich rolle mich aus dem Bett und blicke durch den Spion in der Wohnungstür. Ein Mann! Soll ich aufmachen?

      Noch habe ich keinen Ersatz für Johannes, ob das mit Karsten Denker je etwas wird, ist fraglich.

      Ich greife das nächstbeste T-Shirt. Erst vor dem Spiegel bemerke ich, dass es das viel zu kurze Hemdchen ist, das ich nur zu Hause anhabe und nur, wenn ich allein bin.

      »Ich komme«, rufe ich über den Flur, während ich versuche, mein traumverheultes Gesicht mit Puder herzurichten.

      Der Mann vor der Tür wird ungeduldig, er klingelt Sturm.

      »Guten Tag.« Ich öffne die Tür und begrüße ihn so freundlich wie möglich.

      »GEZ!« Der Typ hält mir einen Ausweis hin, der auf den ersten Blick offiziell aussieht.

      Ob ich ihn mir genauer ansehen soll? Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Seit meinem Streit mit der GEZ nach dem Studium, als man mir Fernsehgebühren für einen nicht funktionierenden Anschluss abknöpfen wollte, habe ich meine Gebühren immer brav bezahlt. Ich genieße oft das Gefühl, beim Fernsehspot für die GEZ einfach abzuschalten.

      »Wir prüfen, ob Sie Ihre Rundfunk- und Fernsehgeräte angemeldet haben«, erklärt der Mann und bewegt sich keinen Millimeter von meiner Fußmatte weg.

      Ein bisschen Abstand könnte er wahren. Ob ich den Ausweis doch kontrollieren soll?

      »Sie stehen nämlich auf unserer Liste derjenigen Bewohner dieses Hauses, die keine Geräte angemeldet haben!« Sein Lächeln verzieht sich für mich zu einer Fratze.

      Wie bitte? Seit Jahren drücke ich vierteljährlich zig Euro ab, nur damit davon ein solch unverschämter Knilch bezahlt wird.

      »Das muss ein Irrtum sein«, knirsche ich zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kann Ihnen gerne den letzten Kontoauszug zeigen und die GEZ-Nummer habe ich natürlich auch griffbereit.«

      Ohne auf seine Antwort zu warten, knalle ich ihm die Tür vor der Nase zu. Pech für ihn, dass meine Fußmatte so dicht an der Tür liegt.

      Zum Glück habe ich eine Liste aller Kundennummern. Für den Notfall, falls mir etwas zustößt.

      Umgehend halte ich dem Spürhund die Liste unter die Nase.

      »Bitte sehr!« Ich lege alle Arroganz, zu der ich fähig bin, in Worte und Geste und wedele nebenbei mit dem Kontoauszug.

      »Ich rufe gleich mal an, wie ist die Teilnehmernummer«, sagt er und klingt weniger selbstbewusst als zuvor.

      Teilnehmernummer heißt das bei der GEZ. Weil ich damit teilnehmen darf am großen Wiederholungsspektakel der öffentlich-rechtlichen Sender.

      Der Wicht wiederholt Zahl um Zahl für seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Mobiltelefonleitung.

      Bei jeder Ziffer scheint er um einen Zentimeter zu schrumpfen.

      »Tja«, sagt er dann, während er sein Hightech-Handy zusammenklappt, »das scheint wohl ein Missverständnis zu sein.«

      So! Missverständnis? Mein Blick durchbohrt ihn und er schrumpft auf die Größe eines Gartenzwergs zusammen.

      »Wir hatten Sie mit Hausnummer 15i in unserer Datenbank statt mit 151. Auf Wiedersehen.«

      Den Abschiedsgruß nehme ich kaum wahr, weil er von weit unten kommt, als er sich zum Aufzug trollt.

      Bei der Vorstellung, wie der Winzling versucht, an den Aufforderungsknopf für den Aufzug zu kommen, überfällt mich Heiterkeit.

      Kichernd ziehe ich mich zurück in die Wohnung, nicht ohne vorher einen Blick auf das GEZ-Wesen zu erhaschen, das hüpfend versucht, den Knopf zu erreichen.

      Ich vertreibe den Wicht aus meinen Gedanken und springe unter die Dusche. Nach der zweiten Tasse Kaffee mache ich mich an meine selbst gewählten Pflichten. Heutige Aufgabe: Schubladen aufräumen.

      Jeden Tag ein Erfolgserlebnis, das habe ich mir vorgenommen.

      Das Verwandeln eines GEZ-Spions in einen winselnden Zwerg zählt allerdings nicht dazu.

      Vielleicht sollte ich den Eisberg verhexen. In eine Laus, die jemand zerquetscht, oder einen Marienkäfer, den einer zertritt. Besser in eine Maus, mit der eine Katze spielt, ehe sie sie mit Genuss verspeist.

      Voodoo, das ist es überhaupt. Ich bastele eine Voodoo-Puppe und steche täglich einmal in einen Körperteil.

      Eine Freundin hat mir erzählt, dass man in der Karibik solche Puppen von der Stange kaufen kann. Man muss sie nur mit einem Haar der Person, die man verhexen will, bestücken und schon kann der böse Zauber beginnen.

      Aber ich habe nichts von der Eisberglaus. Nicht einmal ein Foto.

      Halt! Gut, dass keiner mein teuflisches Grinsen sehen kann.

      Der Eisberg hat selbst darauf bestanden, im Internet von Youth Paradise mit einem Foto zu erscheinen. Mit Engelszungen habe ich versucht, ihm das auszureden,

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