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lange bis zum Ladenschluss, für eine aufwändige Suche reicht die Zeit nicht.

      »Guten Tag, haben Sie auch Bücher über Voodoo?«, störe ich eine der Buchhändlerinnen, die so in die Reinigung ihrer Fingernägel vertieft ist, dass sie zusammenzuckt.

      »Worüber?«, fragt sie genervt zurück und wirft einen auffälligen Blick auf ihre Armbanduhr, während sie versucht ohne Aufhebens die Nagelfeile zu entsorgen.

      Ich freue mich diebisch, als ich sehe, wie sie sie mangels Handtasche in den Mülleimer wirft. Eine teure Glasfeile. Das geschieht ihr recht. Sie kann froh sein, dass sie einen Arbeitsplatz hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich während der Arbeitszeit meine Nägel gereinigt hätte.

      »Voodoo-Zauber«, wiederhole ich langsam und sehr deutlich. Jetzt sieht sie mich entgeistert an.

      »Wofür das denn?«, will sie fassungslos wissen.

      Na, wozu schon, du alte Kuh, denke ich und erkläre freundlich lächelnd: »Ich möchte meinen Ex-Mann verhexen.«

      Fast hätte ich »Ex-Chef« gesagt, aber das könnte mich irgendwann womöglich verraten. Ich habe schließlich kein Interesse daran, wegen Mordes an einem Eisberg, den die Welt nicht braucht, die besten Jahre meines Lebens hinter Gittern zu verbringen.

      Für Männermord hat die Tusse Verständnis. Sie schwingt sich von ihrem Hocker und geht zum PC, um das Stichwort Voodoo einzugeben.

      »V Doppel-o, d Doppel-o«, buchstabiere ich. Nur zur Vorsicht. Voodookult gehört schließlich nicht zum Allgemeinbildungskanon von Wer wird Millionär und ähnlichen Quizsendungen.

      »Wir haben ein Buch vorrätig, es kostet allerdings 29 Euro 90.«

      Ich hole tief Luft. Soviel von meinem kostbaren Geld, um mich an dem Eisberg zu rächen.

      »Wollen Sie es mitnehmen?«

      Ich nicke schnell, ehe ich es mir anders überlege. Notfalls gibt es dort sicher Anregungen, wie ich meinen ehemaligen Kollegen ein bisschen Pein bereiten kann.

      Den Büchereibesuch schenke ich mir für heute. So eilig ist das Zusammentragen von qualvollen Tötungsarten für den Eisberg auch wieder nicht.

      Mit einem Buch über Voodookult, einem Dartbrett samt Pfeilen und einem schlechten Gewissen, weil ich meinen täglichen Selbstauftrag noch nicht erledigt habe, trudele ich in meiner vereinsamten Wohnung ein.

      Wenn wenigstens ein Kanarienvogel zwitschern würde. Nur das moderne Haustier, der Anrufbeantworter, blinkt mich freundlich an.

      Um wenigstens einen Selbstauftrag zu erledigen, schreibe ich als erstes zwei neue Zettel für die Auftragswand »Eisbergfoto aus dem Internet« und »Dartscheibe aufhängen – mit Foto«.

      Schnell erledige ich den ersten Auftrag. Meine Laune steigt von Minute zu Minute aus Vorfreude darauf, mit den schön gefiederten, spitzen, nagelneuen Dartpfeilen auf das grobkörnige, hakennasige Gesicht des Eisbergs zu werfen.

      Das Telefonklingeln erwischt mich genau in dem Moment, als ich genüsslich das vergrößerte Eisbergfoto mit flüssigem Klebstoff auf der Dartscheibe befestige.

      »Ja«, melde ich mich, nachdem ich die Freisprechanlage eingeschaltet habe und konzentriere mich darauf, das Foto genau in die Mitte zu kleben.

      »Karsten Denker, störe ich Sie?«

      Es ist halb neun abends. Arbeitet Herr Schwapp.de um diese Zeit etwa noch?

      »Ich wollte mich erkundigen, ob Sie sich meine Website schon angesehen haben.«

      Das habe ich natürlich total vergessen. Man ist wirklich ständig mit Nichtstun beschäftigt, wenn man arbeitslos ist. Ist aber trotzdem nett, dass der Typ anruft. Dementsprechend zerknirscht und kleinlaut gebe ich mich am Telefon.

      »Hallo, Herr Denker, es tut mir leid, aber ich bin nicht dazu gekommen. Diese ganzen Behördengänge.« Gute Ausrede! »Arbeiten Sie um diese Zeit noch, Sie Ärmster?« Gegenfragen sind immer gut, um vom Thema abzulenken und Mitleid wirkt bei Männern auch prima.

      »Nein, nein, ich bin zu Hause und habe gerade ins Forum geschaut. Da war es so ruhig, da dachte ich, rufst du an, vielleicht arbeitet sie schon am Konzept für eine Website.«

      Eigentlich kann ich es als Erfolgserlebnis werten, wenn ein wildfremder Mann meine Telefonnummer aus dem Büro mit nach Hause nimmt.

      »Das ist aber nett. Soweit bin ich nicht. Dazu muss ich mir Ihre Seite anschauen. Geben Sie mir Ihre E-Mail-Adresse, dann melde ich mich.«

      Ganz schön wagemutig für meine Verhältnisse, aber ich brauche endlich wieder ein bisschen Dynamik in meinem Leben. Dieses ewige Warten, auf einen Job, beim Arbeitsamt, auf einen Gerichtstermin, auf die Zeitung mit den Stellenausschreibungen, das nervt auf Dauer.

      »Sie finden sie auch auf der Website, sie ist ganz einfach: [email protected], wie lautet denn Ihre?«

      Hey, das könnte etwas werden, zumindest prescht er vor. Ich gebe ihm meine Mail-Adresse.

      »Wo wohnen Sie eigentlich?« Die Frage ist wohl erlaubt, nachdem wir schon die E-Mail-Adressen ausgetauscht haben.

      »Gleich bei Ihnen um die Ecke! In Castrop-Rauxel.«

      Zum Glück halte ich das Telefon fest in der Hand. »Ein Schwabe in Castrop-Rauxel? Sie wollen mich auf den Arm nehmen?«

      »Für einen Job tut ein Mann fast so viel wie für eine Frau«, lautet seine rätselhafte Antwort, mit der er mich und meine völlig verklebte Dart-Scheibe allein lässt.

       9 - Gut gemalt, Leonhard

       Als letztes schälte Vindicta sich aus dem Overall, den sie bei ihrer Arbeit getragen hatte, damit keine Farbspritzer auf ihre Kleidung und ihre Haut gelangen konnten.

       Sie holte sich einen der bequemen Schwingsessel, die im Besprechungsteil des Ateliers standen, und setzte sich. Mit einem Champagnerglas in der Hand betrachtete sie ihr Kunstwerk. Lediglich das Klebeband auf dem Mund störte sie. Sie dachte darüber nach, ob sie es entfernen sollte. Aber noch war es zu früh. Noch hatte die Flusssäure ihre volle Wirkung nicht erreicht.

       »Wie fühlst du dich als Kunstwerk, Leonhard?«, fragte Vindicta den Mann und hielt das Glas in die Höhe, als wollte sie ihm zuprosten.

       Der Mann zappelte mit dem Körper, soweit seine Arme das zuließen. Die Hände waren mit einem Seil an dem Haken an der Decke befestigt, an den er seine Leinwände hängte, um sie von allen Seiten zu bemalen.

       »Ich habe viel von dir über Farben gelernt. Das Wissen darüber, welches Gift sich am besten unter Farben mischen lässt, habe ich mir selbst angeeignet. Sei froh, Flusssäure spürt man nur, man sieht sie nicht. Dein kostbarer Körper wird von außen unversehrt sein und schön grün.«

       Vindicta nahm einen Schluck aus dem Glas. »Erinnerst du dich daran, als du mich grün angemalt hast. Ein Spaß, hast du gesagt, dabei wolltest du mich die ganze Zeit auf dem Marktplatz ausstellen als Werbung.«

       Das Zappeln des Mannes wurde schwächer. Vindicta trank ihr Glas aus und stand auf. »Ciao, Leonhard!«, sagte sie noch, ehe sie die Tür zum Atelier schloss und einen reglosen Mann zurückließ.

      Nach dem Telefonat mit Karsten Denker habe ich gestern nichts mehr geschafft.

      Es ist das eine, mit einem Mann zu flirten, der weit weg ist, und das andere, zu hören, dass er ganz in der Nähe wohnt.

      Ich musste meine Gedanken der letzten Tage über ihn Revue passieren lassen. Ich kann mich also nicht für die Erledigung einer Aufgabe loben. Das wiederum stürzt mich in eine tiefe Verzweiflung.

      Schon nach wenigen Tagen verlottere ich und schaffe es nicht einmal, einen winzig kleinen Selbstauftrag zu erledigen.

      Ich bin froh, dass niemand in meiner Wohnung mein verheultes Gesicht

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