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war derart überrascht, dass sie rücklings von seiner Schulter purzelte, im Sturz aber eine Rolle machte und sicher auf den Pfoten landete. Eilig wieselte sie zu Hulk und versteckte sich hinter dessen rechtem Fuß.

      Für Spike war unterdessen Schluss mit lustig. Das warme Gefühl in seinem Magen brandete wieder auf. Draußen jaulte der Sturm wie bei einem Hurrikan und dann sprang das große Fenster an der Rückwand auch schon scheppernd auf. All die getürmten Akten wehten durcheinander und sofort erloschen die meisten Kerzen im Raum vom eindringenden Wind. Nur einige wenige Öllampen blieben verschont. Die düstere Stimmung des Saals wurde noch unheimlicher, doch davon ließ sich Spike nicht aufhalten.

      »Sie können mich doch hier nicht einfach so festhalten! Das ist Freiheitsberaubung und überhaupt, was soll nur der ganze Wahnsinn? Bin ich verrückt geworden, ist das ein Traum? Habe ich zu viele Videospiele gespielt oder bin überfahren worden und in der Vorhölle gelandet?«

      Spike stand nun direkt vor dem klobigen Schreibtisch und stützte sich darauf. Der Direktor hatte an Haltung verloren, zog die Arme an und starrte ihm ins Angesicht. In diesem Moment glühten Spikes unscheinbar braungrüngraue Augen förmlich auf und als sich der Schimmer legte, hatten sie die leuchtende Farbe des Bernsteins angenommen.

      Abermals jaulte der Sturm und als Spike gerade mit Nachdruck verlangte, dass man ihn auf der Stelle gehen ließe, schoss eine glühende Kugel durch das offene Fenster herein. Der Kugelblitz rollte im Zickzack über den Boden und sprang dem Direktor, entgegen aller physikalischen Gesetze, buchstäblich in den Schoß. Eine kleine Explosion folgte und als sich der Rauch legte, sah das kreidebleiche Gesicht des Direktors reichlich rußig aus. Das pomadige Haar stand ihm wild vom Kopf ab und von hinten kam ein anerkennendes Pfeifen von Hulk, der sich ansonsten nicht gerührt hatte.

      Spike selbst verharrte nun auch wieder. Der Sturm hörte auf zu jaulen und verstört sah sich der Junge um. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, was soeben geschehen war. Sein Blick blieb an einem großen Wandspiegel hängen und er musste dreimal hinsehen, bis er es glaubte. Seine Augen hatten die Farbe gewechselt, leuchteten nun mysteriös und im selben Bernsteinton wie von seiner alten Freundin, der dreifarbigen Katze.

      »Wahrlich beeindruckend«, keuchte der Direktor, zückte ein Spitzentaschentuch und wischte sich damit über das Gesicht. Ansonsten schien er keinen weiteren Schaden davon getragen zu haben. »Was um alles in der Hölle war das gerade?«

      Verwirrt glotzte Spike ihn an, während Hulk versuchte, sich abermals zu Wort zu melden, »Ich...«

      Doch ein gestrenger Fingerzeig des Rektors ließ ihn inne halten. Der bleiche Mann in dem blutroten Hemd beugte sich gerade weit über seinen Schreibisch und nahm Spike dabei ins Visier. Der machte nun ein Gesicht wie ein Babykaninchen, das sich wehrlos einem hungrigen Falken gegenüber sah.

      »Einen kurzen Augenblick mal ... vor all dem Knoblauchgestank hätte ich eines fast überrochen.« Der Direktor nahm die Witterung auf. »Was ist das für ein Hauch von Mystik und Magie? Noch sehr schwach ausgeprägt, doch da steckt großes dahinter.«

      Wieder musste Spike schlucken, immerhin wandte der Rektor nun seinen Blick von ihm ab, »Nun rück schon raus mit der Sprache, Hulk! Was wird hier gespielt und warum haftet diesem Knirps der Hauch der Zauberei an?«

      »Tut es das?«, wisperte der Große. »Hat es tatsächlich funktioniert? Ich meine: Ja, es hat geklappt! Natürlich, der Plan war auch idiotensicher!« Mit hoch gezogener Braue starrte der Direktor zu ihm und der Jungspund mit dem Afrolook fasste sich wieder.

      »Etwas genauer, wenn ich bitten darf«, knurrte der Schulleiter mit drohendem Unterton, »wie genau lief das ab?«

      »Oh«, der schlaksige Riese versuchte sich so lässig zu geben wie nur möglich, »das war voll die Aktion! Naja, es fing ganz harmlos an, als ich unlängst so einer bunt gescheckten Katze begegnete. In Wahrheit war sie eine Hexe und da sie wusste, dass ihr Ende nahe war, suchte sie verzweifelt nach einem Erben. Das hab ich dann korrekt für sie gedeichselt, denn ich kannte da genau den Richtigen und so hat ein ... ähm ... befreundeter Hund diesen jungen Herren hier zu der Hexe geführt und danach hat sie ihm dann, simsalabim, ihre Kraft übertragen.«

      »Was?«, vor Schreck zuckte Spike zusammen. Leicht begann das Zimmer zu schwanken und der Direktor krallte sich mit seinen kräftigen Nägeln in die polierte Tischplatte. Tief musste er Luft holen, um die Fassung zu wahren. Dabei zuckte er aber erneut leicht zusammen.

      »Das riecht nicht nach der üblichen Provinz-Möchte- gern-Hexe, sondern nach archaischem Zauber, alt wie die Zeit selbst. Wer genau war diese Hexe, die so mir nichts, dir nichts einem dahergelaufenen Wicht wie diesem all ihre Macht übergab?« Mit scharfem Blick sah er zu Hulk, der nervös an den Rüschen an seinem Hemd fingerte.

      »Och na ja, das war halt so 'ne olle Tante. Steinalt, aber eigentlich ganz nett. Hat mir mal 'ne Kräutertinktur verabreicht, als ich mir die Pfote - ähm - den Finger verstaucht hatte und sofort ging es mir wieder korrekt gut.«

      »Nicht ablenken«, der Direktor kämpfte offenbar schwer damit, nicht an Ort und Stelle auszurasten, »konzentrier dich, Hulk! Den Namen will ich wissen! Welche Hexe ist von uns gegangen und hat ihr Erbe weitergereicht?«

      »Also«, wich der Farbige erst aus, gab dann aber unter dem stechenden Blick seines Gegenübers doch nach, »ihren richtigen Namen hat sie mir nicht verraten, aber.« Seine Stimme wurde dabei immer leiser. Spike konnte das Wispern kaum noch verstehen. Doch im Gegensatz zu ihm hatte der Direktor Ohren wie ein Luchs. »Ich glaube, man nannte sie wohl allerorten nur die - Hexe von der Promenade?«

      Den letzten Teil hatte Spike gar nicht mehr verstanden, der Schulleiter aber sehr wohl. Wie von der Tarantel gestochen sprang jener auf und fuchtelte wild mit den Armen umher.

      »Die Hexe von der Promenade?«, brüllte der Rektor so laut, dass sich alle Anwesenden die Ohren zuhalten mussten. Wild gestikulierte er dabei mit den Armen. »Du sagst, es war die Hexe von der Promenade am steinigen Meeresstrand?« Offenbar konnte der Mann es nicht fassen. Spikes Verwirrung steigerte sich ins Unendliche, während Hulk nur sachte mit dem Kopf nickte.

      »Das kann doch nicht sein, dass die mächtigste lebende Hexe in unserer Hemisphäre all ihre Macht an so einen dahergelaufenen Wicht vererbt!«

      »Ich verstehe nur Bahnhof«, gab Spike es zu, »können Sie mich nicht einfach gehen lassen? Ich schlafe eine Nacht drüber, sage mir, dass alles nur ein Traum war und erzähle keiner Menschenseele davon. Von mir aus können Sie auch mein Gedächtnis löschen, nur lassen Sie mich möglichst schnell von diesem Ort verschwinden ... ich fürchte, sonst verliere ich noch mein letztes bisschen Verstand.«

      Der eben noch brüllende Rektor fasste sich wieder und ließ sich in den gepolsterten Sessel fallen. Er seufzte und sah zu ihm: »Dich gehen lassen? Das ist nicht möglich mein Junge. Es hat sich alles geändert, durch diese Neuigkeit. Nun wirst du hier bleiben, bei uns und das nicht nur für einen Monat, sondern voraussichtlich für die nächsten Jahre.«

      »Wie bitte?«, Spike geriet völlig außer sich. Wieder begann der Boden mit den Dielen zu wackeln. Aus den hohen Regalen an den Wänden purzelten Bücher heraus und draußen kam der heftige Wind wieder auf. Blitze zuckten und drei neue Feuerbälle schossen herein, rollten durchs Zimmer. Sie kamen diesmal genau auf Spike zu, verglühten aber im Abstand von einer Handbereit zu seinen Füßen. Schwer atmete der Junge. Die aufgeflackerte Wut in ihm erlosch. Sofort hörte das Zimmer auf zu schwanken und draußen legte sich der Wind. Erschöpft ließ er sich auf die Dielen fallen und rang nach Luft.

      Der Direktor, sichtbar schwer beeindruckt, rutschte vom Sessel herunter und bog um den Schreibtisch herum. Mit ziemlich besorgter Miene beugte sich bereits Hulk über den Jungen, der am Boden hockte und ins Leere stierte. Die Ratte sprang gerade von seiner Schulter, machte Männchen und quiekte etwas von einem saucoolen Auftritt.

      »Es mag schwer für dich sein«, die Stimme des Schulleiters klang nun versöhnlich, »dies alles ist neu für dich. Doch zu deiner eigenen Sicherheit und der deiner Mitmenschen ist es unumgänglich, dich eine Weile hier zu behalten. Sterbende Hexen und Zauberer geben ihre magische Macht kurz vor ihrem Tod an die nächste

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