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Unterlippen vor. Wie es schien, hatte Spike da gerade kein Kompliment vom Stapel gelassen.

      »Das passiert euch nur zu Recht«, räusperte sich hingegen der Direktor.

      »Aber wir sind keine Ungeheuer!«, heulte der Zyklop los wie ein Schlosshund.

      »Und ich bin auch ganz nett!«, kam es ausgerechnet aus dem Mund einer Kreatur, die wahrhaftig aussah wie das Monster, das Spike sich immer unter der Treppe vorgestellt hatte: mit zotteligem Fell, das alles überwucherte. Aus dem haarigen Gesicht lugten nur gut sichtbar mehrere Hauer heraus. Die langen Arme endeten in sechs spitzen Katzenkrallen. Das Sumpfungeheuer, das neben dem Ungetüm saß, versuchte es zu trösten. Es selbst war übersät mit Algen, Schlick und Seepocken.

      »Wir tun doch gar nix«, fauchte auch der kleinste der vier Zombies. »Das ist ja so gemein, dass er das sagt und nicht von der Schule fliegt!«

      Nun fasste sich Spike erst einmal verdattert an den Kopf, während der Lehrer energisch um Ruhe bat und sich die versammelte Mannschaft auch tatsächlich beherrschte.

      »Was erwartet ihr denn, wenn ihr einem neuen Schüler solch einen Empfang bereitet?«, tadelte der geschniegelte Direktor. »Aber zu deiner Beruhigung sei eines gesagt, Spike. Es ist das erste Gebot dieser Schule, dass sich die Schüler nicht gegenseitig auffressen dürfen.« Das beruhigte den Jungen nun nicht wirklich. Noch immer reichlich verängstigt schielte Spike von links nach rechts und wieder zurück.

      »Keine Sorge«, raunte da sein Sitznachbar, »die Viecher hier stehen nicht so auf Fastfood. Wenn die schon jagen gehen, dann suchen sie eine Herausforderung, alles klar?«

      Das brachte die gute Laune der Schüler wieder zurück und sogar der Zyklop, der so dicht am Wasser gebaut hatte, hörte auf zu flennen. Derweil räusperte sich der Direktor abermals und begann dann seinen heutigen Vortrag mit einem langen Exkurs über Tarnung und Täuschung im Tierreich, wobei er über die Anpassungsfähigkeit von Chamäleons schwadronierte, dann die Mechanismen des ,sich tot stellen und auch so riechen‘ beim Opossum erörterte und schließlich vollkommen abschweifte und über Birkenspanner auf rußgeschwärzten Birken salbaderte und über Heuschrecken, die sich als Blätter oder Äste ausgaben, ebenso wie über Spinnen, welche die Farbe jener Blüten aufwiesen, auf welchen sie ihre Opfer belauerten.

      »Und jetzt mal raus mit der Sprache«, raunte Spikes unheimlicher Banknachbar. Ein leises Grollen aus dessen Kehle untermalte jedes einzelne Wort. Das arg mulmige Gefühl in seinem Bauch kehrte zurück, als Spike zu ihm hinauf schielte. Sein Gegenüber hatte ihn mit den verschiedenfarbigen Augen fixiert. Diese wurden umrandet von einem dichten Kranz schwarzer Wimpern, die ihm, im Kontrast zu der kreideweißen Haut, einen noch unheimlicheren Ausdruck verliehen. Als wäre dies noch nicht abschreckend genug, hatte sich der Teenager heute auch noch mit einer schwarzen Hose bekleidet, die mit Nieten und Ringen besetzt war. Dazu trug er ein schwarzes Kapuzen-Shirt mit Piratenemblem und um den Hals ein mit silbernen Stacheln besetztes Lederband.

      »Was für einer bist du nun ganz genau?«, raunte der Lupo. Doch der Junge verstand nichts ganz, worauf die Frage abzielte.

      »Ich will wissen, welcher Art du angehörst, Kurzer. Bist du ein Erdgnom oder ein Heinzelmännchen?«

      »Nicht, dass ich wüsste«, es kostete Spike viel Überwindung jedes einzelne Wort hervorzubringen und nicht gleich schreiend die Flucht zu ergreifen, »ich bin zu hundert Prozent ein Mensch.«

      Etwas schlesisch schaute sein Banknachbar ihn an und setzte sich dabei die dunkle Kapuze auf. Dadurch wirkte er gleich noch einschüchternder.

      »Menschen haben auf dieser Universität nichts verloren.«

      »Ähm«, stammelte Spike und der Kloß in seinem Hals schwoll immer mehr an, »irgendwie war da noch die Rede von einer Hexe, die mir ihre Magie vererbt hat. Wirklich schlau bin ich nicht aus dem Gerede geworden.«

      »Nun sieh mal einer an, da haben wir also einen kleinen Hexenmeister als Neuzugang.«

      Weil sich das irgendwie nach einer Drohung anhörte, zog Spike schon mal den Kopf ein. Wer konnte es ihm schon verraten? Vielleicht hatte sein Sitznachbar ja ausgerechnet Magier, Zauberer und Hexen zum fressen gern.

      Etwas scheel wurde Spike daraufhin von dem Lupo gemustert, »Ist irgendwas, Kurzer?«

      Spike schluckte trocken, »Bitte, lass mich doch leben! Ich schmecke bestimmt ganz fürchterlich.«

      »Das glaub ich dir aufs Wort. Außerdem hab ich gerade einen halben Ochsen gefrühstückt und das reicht erst mal bis zur Mittagsstunde. Übrigens mag auch ich kein Fastfood.«

      »Aber«, Spike wurde immer verwirrter, »gestern, da...« Schließlich hatte er es noch gut in Erinnerung, dass sein Gegenüber ihn nach der Rettung zum »Dank« fast in der Luft zerpflückt hätte.

      »Kein Thema«, wehrte der Lupo ab, »gestern habe ich deutlich mein Revier markiert und ich hoffe du weißt nun, wo es lang geht. Zu deiner Info, ich lasse dich leben, aber verrate mir doch, welche Kräutertante ausgerechnet dir ihr Erbe vermachte?«

      Spike nickte erst einmal, um seinen Banknachbarn bei Laune zu halten. Der Name, der gestern genannt wurde, war ihm nämlich gerade entfallen. Fieberhaft suchte er in seinem Kopf danach. Derweil deklamierte der Lehrer noch immer über Insekten, Spinnen und gestreifte Zebras, die allesamt Meister der Tarnung waren. Etwas argwöhnisch schielte derweil Hulk hinüber zu seinem neuen Zimmergenossen. Was sie tuschelten verstand er aber nicht, da der Direktor alles lautstark übertönte.

      Unterdessen war der Groschen bei Spike endlich gefallen. »Ihren genauen Namen kenne ich nicht, aber es war die Rede von einer gewissen Hexe von der Promenade.«

      »Bitte?«, die einschüchternde aufrechte Körperhaltung vernachlässigte der Lupo für einen kurzen Augenblick der Fassungslosigkeit. »Die mächtigste Hexe diesseits des Meeres gab all ihre Kraft an dich weiter?« Das brüllte er nun so laut, dass alle anderen Privatgespräche verstummten und auch der Lehrer inne hielt.

      »Was ist los?«, wunderte sich eine der Zombiegestalten.

      »Och nichts«, gab Hulk großspurig an, »der Lupo ist wohl nur gerade auf den Trichter gekommen, dass mein Kumpel hier der Erbe der Hexe von der Promenade ist.«

      Als wäre dies die Hiobsbotschaft des Tages, schwafelten nun sofort alle wild durcheinander und der Lehrer konnte so energisch aufs Pult klopfen und nach Ruhe verlangen, wie er wollte. Es half aber einfach nichts.

      »Mit einem Wink seines kleinen Fingers kann er euch zu Eis erstarren lassen«, bewies Hulk eine enorm große Lippe, »ihr hättet mal sehen sollen, was er mit dem Jäger gemacht hat! Der ist gerannt wie ein Hase und unseren Direktor hat Spike glatt unter Strom gesetzt!«

      »Ich darf doch sehr bitten!«, räusperte sich der Lehrer, dem sein Haar schon wieder ein wenig vom Kopf abstand. Nicht einmal eine Extrapackung Pomade hatte es bändigen können.

      »Er ist der Oberknaller!«, übertönte Hulk das aufkommende Geschrei und Spike seufzte nur zum Steinerweichen. Tausend Fragen hagelten auf ihn ein, was er denn alles tun könne und welche Feinde er denn schon wie einen Schmelzkäse in der Sonne verflüssigt hatte. Das meiste verstand Spike nicht einmal und so gab er auch niemandem eine Antwort.

      »Ruhe!«, die Stimme des Rektors klang nun ausgesprochen tief und gebieterisch und tatsächlich wurde es sogleich still wie im Grab. »Kostproben seiner Kraft könnt ihr sicher auch noch in der Pause erfragen! Jetzt wird geschwiegen und mitgeschrieben und damit meine ich jeden einzelnen von euch - auch dich, Spike. Da du so viel zu tuscheln hast, scheint es mir, als seiest du bereits Experte in Sachen Täuschen und Tarnen. Da ich nun den Exkurs in die Tierwelt für beendet erkläre, ist es an der Zeit ein wenig darüber zu reden, wie unseresgleichen sich der Umwelt anpasst. Na, was hast du uns zu diesem Thema zu sagen?«

      Nun wurde die ganze Situation auch noch extrem peinlich. »Gelinde gestanden habe ich keine Ahnung«, gab Spike es kleinlaut zu, dann aber erinnerte er sich

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