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so«, in der Stimme des Direktors klang nun ein gewisses Wohlwollen mit, »hat er das? Wie heldenhaft. Aber wenn er denn kein Mensch ist, was ist er denn dann?«

      »Tja«, kam der Farbige in arge Erklärungsnot. Die Ratte funkte ihm wie aufs Stichwort dazwischen: »Ich weiß was, ich weiß was! Vielleicht ist der Kleine ja ein Weißer Mann!«

      Es war kein Wunder, dass Spike ein reichlich verwundertes Gesicht gemachte. Denn schließlich lag das doch auf der Hand, dass er kein Farbiger war. Mit hochgezogener Braue schaute auch der Direktor auf das altkluge Pelztier herab.

      »Ein Weißer Mann? Du meinst, so wie die Weißen Frauen, jene legendären Totengeister, die in adligen Familien erscheinen, um das baldige Ableben ihrer Nachkommen anzukündigen?«

      Eifrig nickte die Ratte mit dem klobigen Kopf und machte dabei Männchen. Doch der Direktor seufzte nur laut und nahm einen neuen Zug aus dem Riechfläschchen. Respektvoll wich Hulk einige Schritte vom Schreibtisch zurück, um sein Gegenüber nicht unnötig mit Knoblauchdünsten zu plagen. Spike wiederum blieb wo er war, als wäre er festgewachsen.

      »Ich enttäusche dich nur ungern. Aber diese Geister sind immer weiblich. Von männlichen Pendants habe ich noch nie etwas vernommen«, der Direktor ließ die Fingerknochen knacken. Nun schmollte die Ratte erst einmal und Spike schielte verunsichert über die Schulter zu dem Schwarzen. Was hier gespielt wurde, war ihm immer noch schleierhaft.

      »Gehe ich nun Recht in der Annahme, dass dieser Junge nur ein stinknormales menschliches Wesen ist?«, wandte sich der Rektor auch an den jungen Mann mit dem Knoblauch-Duft. Jener zog leicht den Kopf ein und lächelte schief, statt eine Antwort zu geben. Seufzend fuhr sich der Direktor mit der rechten Hand über das Gesicht. Seine Finger endeten in spitzen Nägeln.

      »Was hat dieser Junge dann hier verloren? Dies ist eine Universität für Gespenster, Magier, Dämonen und Nachtgestalten! Um es anders zu formulieren: Für Wesen, die für die Menschen ins Reich der Legende gehören! Und das ist auch gut so! Denn was würde wohl geschehen, wenn sie wüssten, dass es das Ungeheuer im Kleiderschrank wirklich gibt oder dass nicht nur fette Bisamratten unter ihren Brücken hausen, sondern auch Trolle? Das manche ihrer Wasserspeier auf den Dächern der Kirche gar nicht aus Marmor bestehen oder dass viele Tauben, Krähen oder Möwen in Wahrheit Sirenen oder Harpyien sind, die sie mit einem Lied oder einem Schrei ins Verderben stürzen könnten?«

      Während seiner Rede beugte sich der Mann im edlen Zwirn über den klobigen Schreibtisch und stierte Hulk mit brennendem Blick an: »Sag mir, was wäre dann?«

      »Ich weiß was, ich weiß was!«, krähte die Ratte dazwischen. Nun wanderte der böse Blick des Direktors weiter zu ihr, sie ließ sich aber nicht einschüchtern. »Das wäre der Ober-Mega-Hammer-Super-Gau!«

      Seufzend ließ sich der Direktor wieder in seinen Stuhl fallen, »Das Ende der Welt wäre es! Alles würde in Panik, Chaos und Massenhysterie untergehen! Die Fäden der Zivilisation würden zerreißen, Anarchie würde ausbrechen und das Gesetz der Willkür würde Einzug halten.« Nun klang sein Seufzen schon fast nach einem Schmachten. »Was für eine herrliche Vorstellung...« Trocken schluckte Spike und sein Gegenüber fand wieder zu sich.

      »Es wäre so schön, die alte Ordnung wieder herzustellen, aus jenen vergangenen Zeiten, in denen Dämonen und Naturgeister die Erde und das Leben darauf beherrschten. Bis zu jenen Tagen, als sich der Mensch über alles erhob und es mittels seiner Technik beherrschte. Wir Gelichter wurden ins Dunkel der Mythen vertrieben und fristen unser Dasein im Geheimen. Doch wir müssen uns mit unserem neuen Platz im Weltgefüge arrangieren. Denn die Menschen sind in der Überzahl. Wie viele gibt es von ihnen heute, Junge? An die acht Milliarden oder sind es schon neun Milliarden?«

      Stumm wie ein Fisch nickte Spike beklommen mit dem Kopf. Schon rang sein Gegenüber mit den Händen wie der Held einer tragischen Operette.

      »Wahrlich, sie sind in der Überzahl. Dagegen können wir Vampire, Dämonen und Gelichter nicht anstinken. Gibt es doch von manchen unserer zahllosen Arten nur noch Einzelexemplare. Zu dumm, dass wir Vampire uns mit den größten anderen Clans neben den unseren - jenen der Wer- tiere - in einer ewig andauernden Feindschaft befinden. Zusammen mit ihnen hätten wir vielleicht bessere Chancen.« Er stoppte sich selbst mitten im Satz. »Doch das tut hier und jetzt nichts zu Sache! Nun gilt es erst einmal dieses Problem zu lösen! Der Junge hat zu viel gesehen, ach was rede ich da, er hat alles gesehen! Er weiß nun, dass es uns gibt und das ist ein wahrlich großes Problem und warum ist es ein solches?«

      »Ich!«, quietschte die Ratte. »Das weiß ich nun wirklich! Das ist ein Problem, denn wenn wir ihn gehen lassen und er es herum erzählt, dann halten ihn alle für verrückt und er kommt in die Klatschpresse und die Psychiatrie!«

      Verdattert schaute Spike zu der Ratte. Garantiert wäre er nicht so dämlich, Hinz und Kunz von all dem Verrückten hier zu berichten. Resigniert stöhnte derweil der Direktor.

      »Ich werde keinem was sagen«, piepste Spike, »die würden es eh nicht glauben. Außerdem halten mich meine Klassenkameraden sowieso für spleenig, da wäre ich schön blöd ihnen von Untoten und Mutanten zu erzählen, als seien sie echt.« Er stoppte sich selbst. War er doch in einen schönen Fettnapf getreten. Der Direktor aber nahm dies wohl nicht krumm. Stattdessen goss er sich aus einer Karaffe eine rote Flüssigkeit in ein Glas und stürzte den Inhalt in einem Zug herunter. Danach nahm er Spike ins Visier.

      »Du scheinst recht intelligent zu sein, Junge, und ich nehme es dir ab, was du sagst. Doch da draußen gibt es andere als deine kleinen Klassenkameraden und die können dich zum Sprechen bringen, ob du nun willst oder nicht.«

      Bei diesen Worten kauerte sich die vorlaute Ratte platt auf den Dielenboden, auf dem sie seitlich vom Schreibtisch hockte. »Die Jäger«, raunte sie und dieses eine Mal schien sie einen Volltreffer gelandet zu haben, denn der Direktor nickte würdevoll: »Diese Typen quetschen aus jedem heraus, was sie erfahren wollen und du weißt eindeutig zu viel, um dich so einfach laufen zu lassen.«

      Spike durchfuhr es wie ein Blitzschlag und draußen begann ein heftiger Sturm zu tosen. Was hatte das nur zu bedeuten?

      »Sie wollen mich nicht gehen lassen?«, keuchte der Junge.

      »Am liebsten würde ich dich einfach so dem Monster in den Katakomben zum Fraß vorwerfen. Das wäre am einfachsten für alle Beteiligten. Leider ist das Biest nur gerade auf Diät.«

      Fassungslos starrte Spike den Direktor an, der Sturm draußen toste immer heftiger und Hulk begann wie wild mit den Armen zu fuchteln, so als wollte er etwas Wichtiges äußern. Doch der Direktor erteilte ihm nicht das Wort, sondern gebot ihm still zu schweigen.

      »Du hast uns den Schlamassel eingebrockt, Hulk. Warum nur hast du diesen Jungen hier her gebracht? Ich verstehe es einfach nicht!«

      Mit zusammengekniffenen Augen stierte der Direktor den immer noch erstarrten Spike von oben bis unten an. Sein Augenmerk haftete dabei auf dem blutroten Flecken auf dessen weißem Hemd.

      »Ist es das? Machst du Fortschritte und wolltest dir einen kleinen Snack genehmigen? Doch du solltest längst wissen, wie man Bisswunden wieder heilt und dass mein sein Opfer deshalb noch lange nicht zu einem Hausbesuch an der Mitternachtsuniversität einladen darf!«

      »Sorry, Doc«, die Ratte war heran gewieselt und mit einem Wahnsinnssatz auf Spikes linker Schulter gelandet. Sie schnupperte intensiv an einem der Flecken. Beunruhigt schielte Spike zu dem kessen Nager. »Unser Junior macht keine Fortschritte - das ist nur Tomatensaft.«

      »Ich«, erhob der dunkelhäutige junge Mann sein zartes Stimmchen. Weiter kam er aber nicht, da der Direktor mit geballter Faust auf den Tisch schlug: »Das kann doch wohl alles nicht wahr sein! Was für Scherereien das alles mit sich bringt! Jetzt muss ich ihn irgendwo einquartieren und bewachen lasen, damit er nicht ausbüxt und keiner der Schüler auf dumme Ideen kommt ... dann müssen wir ihm das Gedächtnis löschen und abwarten und nach frühestens zwei bis vier Wochen können wir dann endlich sicher sein, dass er sich wirklich an nichts mehr erinnert und dann darf er gehen. Bis dahin müssen wir ihn durchfüttern und...«

      »Einen

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