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es dann dort bestimmt Bosse, auf die auch ich zu horchen hätte. Da gefällt es mir doch so besser.“

      Am Tag darauf saßen sie wieder zu neunt im „Führerbunker“. Alfred hielt mal wieder eine kurze Ansprache: „Nach unserem großen Erfolg wollen wir natürlich weitere Taten folgen lassen. Heute Nacht gibt es wieder ein bißchen was zu tun. Meine Gruppe kümmert sich um das Kanackenhaus des alten Simbeck, Karls Gruppe zündet das Kanackenhaus in der Karlstraße an. Ihr wißt ja, welches ich meine.“ Die Angesprochenen nickten. „Punkt ein Uhr beginnen beide Aktionen. Wir machen es aus zwei Gründen zur gleichen Zeit: Zum Einen, weil dann ein paar mehr Kanacken verrecken, da es zwei Unglücksorte geben wird und zum Anderen, weil wir uns dann danach bei mir treffen. Ihr kennt ja die Geheimwege zu meiner Wohnung. Frische Strumpfmasken habe ich besorgt. Die werden wieder mitgebracht und bei mir entsorgt. Alles klar?“ „Alles klar!“ antworteten alle gemeinsam. Man knackte noch einen unbeobachteten Zigarettenautomaten, um die „Reichskasse“ wieder ein wenig aufzufüllen, da man doch an vielen Abenden sehr viel Geld versoff. Fast 300 Mark waren drin. Besser als nichts. Gegen halb eins machten sich die beiden Gruppen zu ihren „Einsatzorten“ auf. Bei Alfreds Gruppe lief alles wie geschmiert. Punkt ein Uhr zertraten deren Mitglieder zwei Fensterscheiben und warfen die am Nachmittag gebastelten Molotow-Cocktails in das Haus. Alfred hatte sich etwas einfallen lassen. Jeder Gruppenführer schmiß zwei Molotow-Cocktails in das jeweilige Haus, so daß einmal fünf und einmal sechs für Feuer sorgten. Insgesamt elf. Da würde gewiß kein Polizist mehr durchblicken. Während sich Alfreds Gruppe schnell vom Tatort davonmachte, hatte Karls Gruppe ein großes Problem. Ein Polizeiwagen, mit echten Polizisten darin, stand am Straßenrand. Scheiße! „Was machen wir jetzt?“ flüsterte Berthold. „Warten!“ hieß Karls knappe Antwort. Also warteten sie. Auf einmal fuhr der Polizeiwagen mit Blaulicht davon. „Die Anderen haben es geschafft. Jetzt sind wir dran!“ jubelte Karl und los ging’s. Auch bei ihnen ging alles schnell und problemlos über die Bühne. Das Haus brannte und die Täter ergriffen die Flucht. Alfred hatte niemanden beauftragt, am Tatort zurückzubleiben. „Für was gibt es Zeitungen“, hatte er spöttisch gemeint. Bei der Polizei, der Feuerwehr und in den Krankenhäusern ging alles wild durcheinander. „Wir haben zwei brennende Häuser“, hieß es. „Die steigern sich“, erklärte ein Polizist ironisch seinem Kollegen. Aber als sie am Tatort ankamen, verging ihnen das Lachen recht schnell. Feuerwehrleute waren bereits im Haus gewesen und hatten zwei Menschen herausgebracht, um deren Leben die Notärzte verzweifelt kämpften. Am Ende der Rettungsaktionen hatte ein weiteres Mal der Tod klar die Oberhand behalten. Von den acht Bewohnern des Hauses in der Karlstraße lebten gerade noch zwei und von den 14 Bewohnern des Hauses in der Arolserstraße hatten nur vier die Brandstiftung überstanden. Ganz Frankfurt war schockiert. In wenigen Tagen waren drei Häuser, in denen Ausländer lebten, angezündet worden. Die Täter mordeten nun international. Unter den Toten waren Türken, Afrikaner und Griechen.

      „So etwas habe ich noch nie erlebt. Drei Hausbrände und ein Mord in so wenigen Tagen. Rollt da eine neue Terrorwelle auf uns zu?“ fragte sich Gerd Wagner. Er war so in sein Selbstgespräch vertieft, daß er gar nicht wahrnahm, daß Fierer sein Büro betreten hatte. „Hier bin ich“, meldete sich jener an. „Ja gut. Sie haben doch bestimmt von den Ereignissen in der letzten Nacht gehört?“ forschte Wagner. „Leider ja“, antwortete Fierer. „Es gibt keine Zeit zu verlieren. Hier sind Ihre Wohnungsschlüssel. Ich verlasse mich auf Sie. Versuchen Sie, so schnell wie möglich in die Szene einzudringen. Aber passen Sie auf! Am besten keine Straftaten. Ich weiß selbst, daß sich das wahrscheinlich kaum vermeiden lassen wird. Geben Sie Ihr Bestes! Und wenn es wirklich nicht ohne Gesetzesüberschreitungen geht, dann lassen Sie sich bitte wenigstens nicht erwischen“, verlangte Wagner augenzwinkernd. „Geht klar. Danke Chef“, verabschiedete sich Fierer. „Nicht Chef, scheiß Bulle heißt das jetzt!“ rief ihm Wagner lachend nach. „Und, hat der Verhör des Nazis was gebracht?“ wollte Lose wissen, der soeben mit Wasold das Büro Wagners betrat. „Leider nichts. Er hat die Aussage verweigert und ich konnte ihm nichts nachweisen“, bedauerte Wagner. „Den kriegen wir schon noch“, versprach Wasold. Die Drei lachten. Wenigstens hatten sie ihren Humor nicht verloren. Man befand sich in einer schwierigen Lage. „Es gibt keine verläßlichen Zeugenaussagen“, grummelte Wagner. „Die Einen wollen sieben Leute gesehen haben, die Anderen fünf, wieder Andere nur drei. Irgendwie habe ich das Gefühl, jemand will uns an der Nase herumführen.“ „Mal wieder Molotow-Cocktails!“ rief der Polizeibeamte, der eben zur Tür hereinkam. „Fünf in der Karlstraße, sechs in der Arolserstraße.“ „Was soll denn das jetzt?“ wunderte sich Wasold. „Einmal neun, einmal fünf, einmal sechs.“ „Sind insgesamt 20. Da muß es ja eine Fabrik in der Nähe geben, welche die Dinger herstellt“, glaubte Lose. „Was hat der Mord an dem alten Simbeck damit zu tun? Kannte er vielleicht die Täter?“ fragte sich Wagner. „Gut möglich. Irgendwie ist es schon komisch: Erst stirbt der alte Nazi und kurz darauf krepieren die Leute, die er wahrscheinlich am meisten gehaßt hat“, erläuterte Wasold. „So kommen wir nicht weiter, meine Herren. Das heißt, wir müssen wohl auf „unseren Nazi“ (er meinte Fierer) hoffen.“ Wagner verließ sein Büro und seine beiden Kollegen folgten ihm. „Fahrt nochmal zu den Zeugen und fragt sie, ob ihnen noch etwas eingefallen ist“, bat er sie. „Ich mache mich auf ins Krankenhaus. Langsam bin ich es leid.“

      An jenem Tag konnte Wagner wenigstens sechs Überlebende befragen. Sie befanden sich allesamt in einigermaßen guter Verfassung, was hieß, daß sie vernehmungsfähig waren. Viele weinten, als Wagner ihnen seine Fragen stellte. Natürlich hatten sie es noch nicht verkraftet, daß sie sowohl ihre Verwandten, Bekannten und Nachbarn, als auch ihren Besitz und ihr Heim verloren hatten. Wie hätten sie das auch machen sollen? Wagner fühlte sich ebenfalls recht schlecht, als er das Krankenhaus wieder verließ. Zwar war das alles Routine für ihn, aber natürlich hatte auch er ein Herz. Außerdem hatten die Befragungen nichts ergeben. Alle hatten das Splittern der Scheiben gehört und das Feuer bemerkt. Dann hatten sie sich in Sicherheit gebracht. Als er in sein Büro zurückkehrte, warteten Lose und Wasold schon auf ihn. Auch sie hatten schlechte Neuigkeiten. Sämtliche Zeugen sagten etwas Anderes.

      „Na, wie haben wir das gemacht?“ fragte Alfred stolz in die Runde. „Einfach gut, mit Herz und Mut, das schafft nur deutsches Blut!“ riefen die Anderen. „27 Kanacken in drei Tagen. Das soll uns erst mal wer nachmachen“, lobte Alfred. „Jetzt müssen wir aber verdammt gut aufpassen. Sicherlich werden die Bullen nun an jeder Ecke nach den Tätern suchen. Vielleicht sollten wir ein bißchen warten, bis sich der Entrüstungssturm ein wenig gelegt hat, bevor wir weitere Aktionen starten“, fügte er hinzu. „Da bin ich ganz Deiner Meinung“, stimmte ihm Karl zu. bevor er hinzufügte: „Ich habe nämlich gehört, daß ein Neonazi von wütenden Passanten verprügelt worden ist, weil sie so verbittert über die Brandanschläge waren.“ „Die sollen sich mal nicht so auffucken“, kritisierte Berthold. „Denn wenn sie ehrlich wären, müßten sie zugeben, daß ihnen das, was wir machen, gefällt.“ Alfred versteckte die Strumpfmasken und die Gruppen trennten sich. Es war so gegen drei Uhr nachmittags, als Alfred mit seiner Gruppe in der Frankfurter Innenstadt auf einer Bank herumlungerte. Jedoch hatte sich die Situation grundlegend verändert. Nun waren es nicht mehr sie, welche die vorbeigehenden Leute anpöbelten und provozierten. Statt dessen erging es ihnen so. „Nazischweine“ und „brauner Dreck“ waren noch die harmlosesten Begriffe, mit denen man sie titulierte. Man beschmiß sie mit Abfall oder bespuckte sie sogar verächtlich. Eigentlich ließen sich die Nazis das nicht gefallen. Aber für Alfred kamen jene Reaktionen der Leute genau zur richtigen Zeit. Auf diese Art und Weise wurden aus Tätern Opfer, die gewiß mehr Aussicht auf Mitleid hatten als normal. Auf einmal kam ein Fernsehteam auf sie zu und filmte sie und die wütenden Passanten, die ihrem Unmut freien Lauf ließen. „Können wir ein Interview mit Euch machen?“ wollte der Reporter wissen, der einen Beitrag für eine Sondersendung im ZDF brauchte. „Natürlich“, lautete Alfreds Antwort. Das Gespräch begann. „Was sagen Sie zu den schrecklichen Brandanschlägen auf von Ausländern bewohnte Häuser in der letzten Zeit?“ „Nun ja, solche Taten darf man natürlich nicht bejubeln“, ließ Alfred von sich hören. „Auch wenn wir Ausländern gegenüber ein wenig Mißtrauen haben, glauben wir nicht, daß das der richtige Weg ist, um die Ausländerproblematik in Deutschland zu lösen.“ „Also wendet auch Ihr Euch von solchen abscheulichen Verbrechen ab?“ fragte der Reporter in die Runde.

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