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mit Ruhm bekleckert!“ „Was willst Du machen, wenn zehn dieser Kerls vor Dir stehen? Die hätten uns locker auseinandergenommen“, erläuterte Alfred. „Da magst Du Recht haben, Junge. Stark sind sie. Solche Leute kann man nur mit Waffen unter Kontrolle halten. Nur so hatte früher auch die Sklaverei funktioniert“, erinnerte sich der alte Mann. „Ich muß jetzt wieder heim. Hoffentlich seh ich Euch bald wieder. Vielleicht wird die Luft danach besser“, verabschiedete er sich. Alle wußten, worauf Simbeck anspielte. Sie sollten ein paar Ausländer aus dem Haus jagen, in dem er lebte. „Wann greifen wir an?“ erkundigte sich Steffi. „Am besten mitten in der Nacht“, fand Ernst. „Morgen Nacht um ein Uhr. Aber erst woanders. Wir sind schließlich nicht die Befehlsempfänger von dem Alten“, entschied Alfred. Damit war alles klar. Was Alfred sagte, wurde gemacht. Das wußte auch Anke. Sie als seine Freundin erlebte das den ganzen Tag. Aber sie liebte ihn und sein Machogehabe. Darum tat sie alles, was er von ihr verlangte. „Was machen wir jetzt?“ wollte Karl wissen. „Ich schlage vor, wir versaufen die 100 Mark, die Wolfgangs Mutter nicht haben wollte“, sagte Alfred. Natürlich waren alle einverstanden. Sie verließen ihren „Sitzort“ und begaben sich in die „Reichsbar“. Das war eine Kneipe, in der sich ausschließlich „Hitlers Erben“ vollaufen ließen. Darum fand die Gruppe um „Führer Alfred“ recht schnell Anschluß und man diskutierte mit den anderen Gästen über die wirksamsten Möglichkeiten, die Ausländer aus Deutschland zu jagen. Ein Mann, den alle nur Adolf nannten, weil er sein Aussehen dem des ehemaligen Führers angepaßt hatte, ergriff das Wort: „Die Zeit des Wartens ist vorbei. Wir müssen nun endlich etwas tun. Jetzt, da Deutschland orientierungslos auf dem Ozean herumsegelt, haben wir die große Chance, die Ruder der Macht zu ergreifen. Dazu müssen wir Ängste in den Menschen schüren. Ängste vor Gewalt, Verbrechen und allem Fremden. So können wir es schaffen, sie zu überzeugen uns ihre Stimme zu geben. Es gibt nur den einen Weg, den auch unser Adolf einst gewählt hatte. Mit legalen Mitteln an die Macht gelangen, um dann nach und nach das Volk unter Kontrolle zu bekommen.“ Der „Führer“ hatte gesprochen.

      Am darauffolgenden Vormittag saßen Ernst, Berthold, Hans und Anke wieder in der Schule, während die anderen Fünf noch ihren Rausch ausschliefen. Ernst und Anke gingen in die achte, Berthold und Hans in die neunte Klasse der Gesamtschule. „Berthold, lies doch mal bitte den Text vor, den ich Euch ausgeteilt habe“, bat der Lehrer, weil er sah, daß jener kurz davor war, einzuschlafen. „Laß mich in Ruhe!“ murmelte Berthold. Das ging dem Lehrer zu weit. „So, Du bekommst jetzt einen Verweis wegen ungebührenden Benehmens“, erklärte er. „Du kannst Dir einen blasen!“ rief Berthold dem Lehrer zu. „Mach nur so weiter, dann fliegst Du von der Schule!“ brüllte jener. Genau das hatte Berthold hören wollen. Seine Chance war gekommen. Bisher war er jedesmal, wenn er nicht in die Schule gekommen war, von der Polizei in der Stadt aufgegabelt und in den „Bau“ gebracht worden. Wenn er es nun schaffte, von der Schule zu fliegen, könnte er den ganzen Tag mit seinen Kumpels zusammensein. Darum stand er auf und rief: „Komm, schmeiß mich runter von der Schule, Du fette Sau, Du Jude, Du Rattenficker!“ Erwartungsvoll blickte die ganze Klasse auf den Lehrer. Jener öffnete die Tür des Klassenzimmers und sprach zu Berthold: „Verschwinde! Ich werde Dich bald einmal im Knast besuchen, weil so Deine Zukunft aussehen wird.“ Berthold schmiß seine Bücher aus seinem Rucksack heraus, trampelte ein wenig auf ihnen herum, stellte sich vor seinen Lehrer, spuckte ihm ins Gesicht und schrie: „Ich werde Dich bald im KZ besuchen, Du Null!“ Dann lief er schnell in die Stadt. Hans meldete sich: „Darf ich auch von der Schule fliegen?“ wollte er wissen. Sein Lehrer hatte sich ein wenig beruhigt. „Aber Hans, warum willst Du denn von der Schule fliegen?“ erkundigte er sich. „Damit ich mit meinen Kumpels zusammensein kann.“ „Das kannst Du doch den ganzen Nachmittag“, entgegnete der Lehrer und setzte den Unterricht fort. In der Pause erzählte Hans Ernst und Anke alles, was passiert war. Jene bewunderten Berthold für das, was er getan hatte und beschlossen, auch zu versuchen, von der Schule zu fliegen. Allerdings gelang es ihnen nicht, weil sie nicht über den Mut und die beleidigenden Ausdrücke Bertholds verfügten. Überhaupt waren jene drei sowieso nur Mitläufer, die Freunde gesucht hatten, und sie in den sechs Anderen auch gefunden hatten. Sie verstanden nicht viel von dem, was Alfred immer erzählte und waren nur deshalb in der Gruppe, weil sie sich dort anerkannt und stark fühlten. Alfred mochte sie eigentlich nicht besonders, weil er spürte, daß sie keine überzeugten Nazis waren. Aber er wußte, daß man viele Mitläufer brauchte, so daß er die drei „Kleinen“ recht freundlich behandelte, sie jedoch nie unbeobachtet ließ. Darum fuhr er Berthold nun an: „Du spinnst wohl! Läßt Dich aus der Schule rausschmeißen! Jetzt haben wir niemanden mehr dort, der sich um unsere „Babys“ und um neue Mitglieder kümmert. Von den drei Schwächlingen läßt sich niemand begeistern!“ „Aber ich wollte doch einfach den ganzen Tag mit Euch zusammensein“, entschuldigte sich Berthold. Alfred klopfte ihm auf die Schulter. „Schon klar. Die Nummer im Bau war wirklich nicht übel. Kannst stolz auf Dich sein!“ Das war Berthold auch, als er die lobenden Worte seines „Führers“ gehört hatte. Als alle neun zusammen waren, bastelte man sich Molotow-Cocktails, um ein paar „Kanackennester auszuräuchern“. Dabei tat Alfred alles, um seine Leute bei guter Laune zu halten. Schließlich war es möglich, daß sie alle in jener Nacht zu Mördern werden würden.

      Die Kirchturmuhr schlug. „Los geht’s!“ zischte Alfred und schlich zu einem Haus, in dem Ausländer wohnten. Seine „Untertanen“ folgten ihm. Alle waren maskiert, weil sie keine Lust hatten, von irgendwem wiedererkannt zu werden. Auf einmal flüsterte Alfred: „Schnell, versteckt Euch hinter dem Haus.“ Hastig folgten die Anderen seinem Befehl, was auch besser für sie gewesen war. Denn gerade als der Letzte von ihnen hinter dem Haus verschwunden war, tauchten am Ende der Straße zwei Gestalten auf. Es waren zwei türkische Männer, die laut miteinander sprachen und wenig später in das Haus gingen, das die Nazis anzünden wollten. „Hätten wir Euch beinahe vergessen“, erkannte Alfred zynisch. Durch das Eintreffen der beiden Türken verzögerte sich das geplante „Feuerwerk“ der Nazis. Sie vertrieben sich die Zeit damit, indem sie noch einmal absprachen, wie sie vorgehen wollten und wer welches Alibi bekommen sollte. Nach zehn Minuten war es soweit. Da die Türken ihre Familien nicht aufgeweckt hatten, blieb alles dunkel und ruhig. Aber plötzlich klirrten Scheiben. Wolfgang hatte das Fenster „geöffnet“ und daraufhin warfen die Rechtsradikalen ihre selbstgebastelten Molotow-Cocktails in das Haus. Wenig später stand alles in Flammen. Während sich acht Jugendliche davonmachten, blieb Karl in einem Gebüsch in der Nähe der Brandstätte sitzen. Er hatte von Alfred den Auftrag bekommen, das Geschehen zu beobachten, um den Anderen später davon berichten zu können. Karl war ein richtiger Nazi. Er empfand es als gerecht, daß jene Ausländer, die sich einfach in Deutschland niedergelassen hatten, dafür bestraft wurden. Darum dachte er auch gar nicht daran, ihnen zu helfen, oder wenigstens Hilfe zu holen. Schließlich hoffte er, daß alle, die da drinnen waren, verreckten. Auf einmal hörte er Sirenen, welche immer lauter wurden. Krankenwägen, Polizeiautos und die Feuerwehr kamen angerast. Die Feuerwehrmänner wußten fast gar nicht, wo sie zu löschen beginnen sollten, weil das ganze Haus in Flammen stand. Karl bemerkte, daß die anfänglichen Schreie, die aus dem Haus zu vernehmen gewesen waren, mittlerweile verstummt waren. „Wer lebt in diesem Haus?“ erkundigte sich ein Polizist bei einem Anwohner. „Ach, nur lauter Türken!“ war dessen geringschätzige Antwort. „Na, dann ist’s ja gut“, dachte sich der Polizist beruhigt. „Wie viele?“ fragte er. „Zwölf“, lautete die Auskunft. „Wir gehen jetzt rein“, erklärten die Feuerwehrleute. Wenig später kamen sie mit den ersten leblosen Körpern zurück. Ein junger Mann und eine junge Frau, bei denen die Rettungsversuche des Notarztes absolut sinnlos waren, da sie nicht mehr lebten. Oben an einem Fenster stand ein älterer Mann „Spring!“ riefen die Umstehenden. Unten hielten Feuerwehrleute eine Rettungsmatte. Ein lautes Husten ertönte von oben und eine Gestalt flog vom Fenstersims herunter. Gerettet! Jener Mann sollte der einzige Überlebende sein. Nach und nach brachten die Feuerwehrleute die Leichen der toten Türken heraus. Drei Männer, drei Frauen und fünf Kinder waren in jener Nacht den Flammen zum Opfer gefallen. Die Polizisten begannen langsam mit der Routinearbeit. Sie erkundigten sich unter den Schaulustigen, ob es Zeugen gäbe. Aber zunächst wurde niemand gefunden. Viele Leute standen noch stundenlang vor den Ruinen und weinten. Nach zwei Stunden wurde es Karl zu dumm. Er hatte genug gesehen und konnte Alfred in ein paar Stunden gute Neuigkeiten bringen.

      „Bis auf einen Türken

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